Künftig sind mehr als die Hälfte der Rennställe Werksteams. Steigt der staatliche Investmentfonds von Katar schon am Wochenende bei Sauber ein?
Elf Freunde müssen sie nicht sein, so hat die Königsklasse des Motorsports noch nie funktioniert. Die Formel 1 ist eine Zweckgemeinschaft von Rennställen, die zwar bei der Gewinnausschüttung gemeinsame Sache machen, sonst aber gegeneinander arbeiten, wo es nur geht.
Genau darum hat es auch anderthalb Jahrzehnte gedauert, bis der exklusive Rennzirkel nun erstmals wieder ein neues Team aufnimmt. In der Saison 2026 geht mit Cadillac ein elftes Team an den Start. Damit sind künftig mehr als die Hälfte der Rennställe Werksteams. Die Serie wird zur Konzern-Formel. Möglicherweise ist die Zulassung durch das Formula-One-Management das Signal für andere, sich um den zwölften und letzten freien Platz zu bewerben.
Andrettis forsche Art kam in der elitären Königsklasse zunächst schlecht an
Die Marke Cadillac, die zum nordamerikanischen Automulti General Motors (GM) gehört, hegte schon länger Ambitionen, in der boomenden und mittlerweile auch auf dem amerikanischen Markt prestigeträchtigen Formel 1 mitzumischen. Doch sowohl das Management der Rennserie als auch die zehn Teams hatten Bedenken.
Den Antrag hatte zunächst der amerikanische Multi-Rennunternehmer Michael Andretti gestellt, der sich mit seiner forschen und fordernden Art wenig Freunde in der elitären Königsklasse des Motorsports gemacht hatte. Viele unterstellten dem früheren Rennfahrer, dass er zu wenig investieren, dafür aber reichlich abkassieren wolle.
Auch in Hinwil erinnert man sich, dass Andretti vor drei Jahren ein Dumping-Angebot für Sauber gemacht hatte – es soll bei wenig über 300 Millionen Dollar gelegen haben. Gerechnet hätte sich ein derartiges Investment allein schon durch die Gewinnbeteiligung an den Formel-1-Einnahmen, die für alle zehn Teams zusammen pro Jahr längst die Milliardengrenze überschritten hat.
Im derzeit gültigen Rahmenabkommen namens Concorde Agreement muss ein neues Team zwar zum Einstieg 200 Millionen in den Topf einzahlen, um die Ansprüche der anderen zu kompensieren, die ihre Einnahmen künftig mit einem Rennstall mehr teilen müssen. Doch selbst diese Summe hätte sich für einen Neuling schnell amortisiert.
Statement on General Motors application to join FIA Formula One World Championship in 2026https://t.co/oI2R6K6aRN
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Trotz Plazet des Automobilweltverbandes FIA wies das Formel-1-Establishment Andrettis Ansinnen im vergangenen Januar ab. Doch hinter den Kulissen wurde weiterverhandelt. Andretti baute parallel seine Teambasis in England auf, erste Fahrzeugkonstruktionen wurden in einem Kölner Windkanal erprobt. Solchen Aufwand betreibt keiner, der sich nicht sicher ist, dass er doch noch zum Zug kommen wird.
Gegen Andrettis Partner GM/Cadillac hatten die grossen Rennställe nichts, sie wollten aber keinen Garagisten, sondern ein Werksteam in der Nennliste. Da konnte der Name des Vaters Mario Andretti, der 1978 Formel-1-Weltmeister geworden war, noch so grosse Emotionen bei den Fans wecken. «Ein elftes Team muss einen klaren Mehrwert für uns alle bringen», sagte der Mercedes-Mitbesitzer Toto Wolff damals.
Schliesslich machte Michael Andretti den Weg in doppelter Hinsicht frei. Er verkaufte das Rennimperium an seine Investoren Dan Towriss und Mark Walter, die aus Andretti Global einfach TW Global entstehen liessen und ein Joint Venture mit General Motors gründeten. Vor allem aber machte der frustrierte Andretti über einen Kongressabgeordneten politischen Druck, die Geschäftsgebaren der Formel 1 von amerikanischen Behörden untersuchen zu lassen, da dahinter ein Kartell zu vermuten sei. Das wiederum wollte Liberty Media, der Eigentümer der Rennserie, unbedingt vermeiden. Im Zusammenspiel gab es deshalb plötzlich grünes Licht für die Expansion.
General Motors verpflichtete sich, einen eigenen Motor zu bauen, der künftig aus Elektrokomponenten und Verbrenner bestehen muss. Das kann frühestens 2028 der Fall sein. Bis dahin wird das Team auf Kundenmotoren angewiesen sein; zur Debatte stehen Ferrari und Honda. Die Italiener haben nicht nur Kapazität, da sie in naher Zukunft nicht mehr Sauber beliefern müssen, bei ihnen könnte Cadillac auch weitere Komponenten entwickeln, um den Neuwagen schneller konkurrenzfähig zu machen. Prominentes Personal hat Cadillac ebenfalls bereits angeworben: Pat Symonds, einer der Weltmeistermacher von Benetton in den 1990er Jahren, stösst als Berater zum Team. Rob White, der Vater der Renault-Triumphe in den nuller Jahren, leitet das Technikbüro.
🚨 BREAKING: Formula 1 has reached an agreement in principle with General Motors to support bringing GM/Cadillac in as the 11th team to the Formula 1 grid in 2026#F1 #QatarGP pic.twitter.com/9HFGpij4GO
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Ab 2026 gelten nicht nur neue technische Regeln, auch das finanzielle Abkommen wird gerade neu verhandelt. Das bedeutet, dass Neueinsteiger zwischen 400 und 600 Millionen Dollar in den Preisgeldtopf einbezahlen müssen; GM kalkuliert wohl mit 450 Millionen. Solche Summen machen die Formel 1 endgültig zum Werkssport. Neben Ferrari und Mercedes wird Honda neuerdings zusammen mit Aston Martin als Werksensemble auftreten, Ford mit Red Bull, und Audi die vier Ringe zeigen. Möglicherweise wird der Toyota-Einstieg beim Haas-Rennstall konkreter; auch die koreanischen Hersteller zeigen Interesse.
Bernie Ecclestone hielt die Konzerne für unverlässliche Partner
Die im kommenden Jahr 75 Jahre alt werdende Königsklasse war schon immer eine Speerspitze des Kapitalismus, dazu weit früher professioneller und geldgieriger als die meisten anderen Sportarten. Der frühere Zampano Bernie Ecclestone aber sorgte dafür, dass der Einfluss der Werke nie zu gross wurde, sie galten ihm nicht als dauerhaft verlässliche Partner für den Sport, wie etwa das kurze Gastspiel von BMW in Hinwil bestätigte.
Das Hybridprinzip, mit dem die Rennwagen binnen Jahresfrist unterwegs sein werden, macht ein Formel-1-Engagement unabhängig von der enormen weltweiten Popularität auch technisch interessant. Auch der Volkswagen-Konzern verwirklichte deshalb seine Einstiegspläne, Audi erwarb sukzessive die Mehrheit an Sauber. Doch das Engagement lief zäh an, immer wieder wurden Zweifel an den Absichten laut. Insbesondere seit VW und Audi jüngst in wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Wenn Fabriken geschlossen werden sollen und Tausende Arbeitsplätze in Gefahr sind, wird es für Automobilhersteller schwierig, teure Renn-Engagements zu rechtfertigen und zu finanzieren.
Offiziell bleibt Audi bis jetzt stur auf Kurs, doch seit Wochen wird im Fahrerlager kolportiert, dass der staatliche Investmentfonds von Katar, der bei VW bereits 17 Prozent der Anteile hält, das Formel-1-Team unterstützen oder gar übernehmen könnte. Mit frischem Kapital könnte der Ausbau der Infrastruktur bei Sauber zügig voranschreiten. Der Grand Prix von Katar an diesem Wochenende wäre ein idealer Zeitpunkt, das Engagement zu verkünden.
Audi könnte es dann gehen wie den Andrettis: Die Idee wäre dann verwirklicht, die eigene Existenz aber zum Schattendasein verdammt. Immerhin: Im Teambeirat von Cadillac darf künftig Mario Andretti sitzen. Der 84-Jährige wird nichts mit dem Tagesgeschäft zu tun haben, ist aber trotzdem glücklich: «Ich muss mich kneifen, um sicherzugehen, dass ich nicht träume.»
NBC exclusive: Mario Andretti reveals his plans for America’s new Formula 1 team
• He’ll advise Cadillac F1 as a director
• Looking at a FERRARI 2026/2027 engine
• Expects GM/Cadillac engine 2028 & on
• Driver goals: 1 F1 vet, 1 young AmericanMore: https://t.co/YpA7EZr9Wx
— Sahil Kapur (@sahilkapur) November 26, 2024