Donnerstag, Oktober 3

Trotz stagnierendem Umsatz ist der Elektrotechnikkonzern gut ins neue Jahr gestartet. Das Margenziel für 2024 wird erhöht. Für allfällige grössere Akquisitionen ist die Kriegskasse gefüllt.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Wenn nicht doch noch eine Rezession die Pläne über den Haufen wirft, wird sich Konzernchef Björn Rosengren auf dem Höhepunkt seines Wirkens in die Pension abmelden können. Der 65-jährige Schwede wird Ende Jahr, nach knapp fünf Jahren an der Spitze, einen deutlich robusteren Elektrotechnikkonzern hinter sich lassen. Die Transformation sei schneller als erwartet realisiert worden, konstatierte Rosengren an der heutigen Telefonkonferenz.

Im August übergibt Rosengren das Amt des CEO an Morten Wierod, einem 53-jährigen norwegischen Firmenveteranen, der seit 25 Jahren bei ABB ist und derzeit die grösste Unternehmenssparte Elektrifizierung leitet. Bis Ende Jahr wird Rosengren seinen Nachfolger begleiten, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.

Mit Blick auf diese Konstellation gibt es weder Anlass, noch Gründe, weshalb ABB den von Rosengren eingeschlagenen Erfolgsweg verlassen wird.

Krisenfester geworden

Wie viel besser ABB geworden ist, zeigen die Zahlen im ersten Quartal 2024. Obwohl die Sparte Robotics weiterhin in der Krise steckt, der Spin-off-Kandidat E-Mobility Verluste schreibt und das kurzzyklische Geschäft noch nicht richtig angezogen hat, erwirtschaftet der Industriekonzern rekordhohe Gewinnmargen.

Im Berichtszeitraum verbesserte sich die Ebita-Marge um 160 Basispunkte auf 17,9%. Das lag über Budget und auch klar über den Erwartungen der Analysten, die lediglich mit einer geringfügigen Verbesserung gerechnet hatten. Dies zeige, dass bei ABB noch immer Steigerungspotenzial vorhanden sei, sagte Rosengren.

Ein kurzer Blick zurück unterstreicht den Fortschritt: Im Startquartal 2022 lag die Marge bei 14,3%, ein Jahr später bei 16,3%.

Weiterhin Potenzial erblicken auch die Investoren. Das Quartalsergebnis, das besser ausgefallen war als erwartet, hievte den Aktienkurs am Donnerstag um rund 6% in die Höhe. Seit Anfang Jahr haben die ABB-Valoren den Gesamtmarkt deutlich hinter sich gelassen.

Lichtblick im Robotergeschäft

Der in der Berichtsperiode um 5% gefallene Auftragseingang von 8,97 (9,45) Mrd. $ signalisiert keine Nachfrageschwäche, sondern hängt mit der hohen Vergleichsbasis vom Vorjahr zusammen. Der Auftragsbestand werde im Laufe des Jahres zunehmen, sagte Rosengren.

In China wurden im Startquartal 18% weniger Aufträge verbucht. Das ist ein heftiger Rückgang, der das ABB-Management aber nicht beunruhigt. Ein Grossteil davon hängt mit der Krise im Robotergeschäft zusammen. Die kleinste Sparte verzeichnete erneut weniger Aufträge (–30%) und auch der Umsatz (–7%) ging zurück.

Laut Rosengren sei indes eine Belebung spürbar. Erstmals seit langem sei wieder Wachstum in Sicht, sagte der ABB-Chef, der nicht dafür bekannt ist, zu viel zu versprechen. Es habe sich bestätigt, dass das Schlussquartal 2023 der Tiefpunkt gewesen sei.

Das margenstarke Quartalsergebnis ist auch deshalb bemerkenswert, weil wegen des schleppenden kurzzyklischen Geschäfts der Umsatz stagnierte. Weiterhin rund läuft das längerfristig ausgelegte Projekt- und Systemgeschäft.

So kann ABB auch die Verluste im E-Mobility-Bereich «gut verkraften, wir sind stark», meinte Rosengren. Wegen auslaufenden Subventionen schrieb der Bereich im ersten Quartal 45 Mio. $ Verlust; auch im Gesamtjahr werde es roten Zahlen geben. Damit wird sich der geplante Spin-off und die anschliessende Kotierung weiter in die Zukunft verschieben.

Offenbar ist in der Gruppe nach wie vor Verbesserungspotenzial vorhanden, das nun ausgeschöpft wird. Die um 270 Basispunkte auf 37,3% verbesserte Bruttomarge zeugt davon. Operative Verbesserungen, weniger Lager und eine striktere Debitorenkontrolle hätten dies ermöglicht, heisst es.

Genug Mittel für couragierte Taten

Am beeindruckendsten ist jedoch, wie gut ABB geworden ist, selbst erarbeitete Mittel zu generieren. Der freie Cashflow stieg auf 551 (162) Mio. $. Weil dies kein einmaliger Ausreisser sei, wird nun für das Gesamtjahr mindestens ein Wert in Höhe des (rekordhohen) Vorjahres von 3,7 Mrd. $ in Aussicht gestellt.

Die Mittel dürften nicht lange brachliegen. Derzeit gebe es eine «gute Pipeline mit Übernahmezielen», wobei einige auch grösserer Natur seien. Dank der guten Cashflow-Generierung und einer geringen Verschuldungsquote von 0,4 (Nettoschulden im Verhältnis zum Ebitda) wäre ABB zum Agieren bereit.

Dass dies nicht zulasten der Ausschüttung gehen wird, belegt das neue Aktienrückkaufprogramm, das Anfang Monat gestartet wurde. Wie im Vorjahr sollen bis zu 1 Mrd. $ an Titeln zurückgekauft werden.

Börse ist Verbesserung nicht verborgen geblieben

An der Börse findet die deutlich bessere Verfassung von ABB in einer steigenden Bewertung Niederschlag. Das derzeitige vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von fast 21 ist so lange gerechtfertigt wie die Margen weiter steigen. Die Chancen dafür sind intakt. Für das laufende Jahr wird nun eine Ebita-Marge von 18% versprochen. Bisher lautete die Vorgabe, den Vorjahreswert (16,3%) leicht zu übertreffen.

Für das laufende Quartal ist ein Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich sowie eine leicht über dem Niveau des ersten Quartals liegende Marge budgetiert. Der erst im vergangenen Herbst nach oben angepasste Margenkorridor von 16 bis 19% scheint also locker erreichbar zu sein.

Strategischer Verhandlungsspielraum

Ich gehe indes nicht davon aus, dass es mit den ABB-Aktien im gleichen Tempo wie bisher nach oben gehen wird. Ungeachtet der internen Verbesserungen operiert das Unternehmen weiterhin in stark zyklischen Gebieten. Konjunktureinbrüchen kann es sich nicht entziehen.

Was mich als Aktionär jedoch zuversichtlich stimmt, ist, dass sich das Unternehmen in einer so guten Verfassung befindet wie schon lange nicht mehr. Die nächste Schwächephase wird es besser meistern und den finanziellen Handlungsspielraum haben, um akquisitorische Opportunitäten zu nutzen.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Giorgio Müller

Exit mobile version