Mittwoch, Oktober 2

Nach Bayer plant auch Syngenta weitreichende Sparmassnahmen. Im Vergleich mit Konkurrenten ist der Agrochemiekonzern mit seiner Restrukturierung spät dran.

Für den Arbeitsmarkt in Basel ist es der zweite grosse Rückschlag im laufenden Jahr. Ende August war aufgrund von Recherchen der NZZ bekanntgeworden, dass der deutsche Pharma- und Chemiekonzern Bayer rund 150 Stellen in seiner Basler Zentrale zu streichen plant. Nun zeigt sich, dass ungefähr gleich viele Arbeitsplätze auch am Hauptsitz von Syngenta, einem weiteren bedeutenden Chemieunternehmen, verlorengehen dürften. In diesem Fall bekamen die Tamedia-Zeitungen als Erste von den Abbauplänen mit.

Eile bei Entlassungen

Wie Alexandra Brand, Mitglied der Konzernleitung von Syngenta, gegenüber der NZZ ausführt, wird am 23. September wegen der geplanten Massenentlassung das gesetzlich vorgeschriebene Konsultationsverfahren mit Arbeitnehmervertretern starten. Syngenta verfolge das Ziel, die Restrukturierung mit grosser Transparenz und möglichst schnell zu vollziehen. Die Kündigungen sollen bis Ende November ausgesprochen werden.

Syngenta und Bayer sind im Geschäft mit Agrochemikalien und Saatgut direkte Konkurrenten. Während Bayer bis anhin – auf Vollzeitbasis gerechnet – in Basel rund 1000 Mitarbeitende beschäftigte, arbeiten am Syngenta-Hauptsitz noch 1100 Personen.

Führungskräfte und Mitarbeitende von Syngenta sind aufgefordert, in sämtlichen Bereichen der Zentrale die Kerntätigkeiten zu definieren. Welche Funktionen wegfallen könnten, wollte Brand nicht kommentieren.

Bauern verzichten auf den Einsatz von Fungiziden

Auslöser für das Sparprogramm ist laut Brand das schwierige Marktumfeld in der weltweiten Landwirtschaft. Wegen der stark gefallenen Getreidepreise seien Landwirte gezwungen, den Gürtel enger zu schnallen. «Viele landwirtschaftliche Betriebe im In- und Ausland erleiden derzeit Verluste», ergänzt die Managerin, die innerhalb der Konzernleitung unter anderem für die Pflege der Beziehungen zur Öffentlichkeit (Corporate Affairs) verantwortlich zeichnet.

Syngenta spürt die Krise auf den Agrarmärkten vor allem im Geschäft mit Pflanzenschutzprodukten. So verzichten Bauern aus Kostengründen verstärkt darauf, Mittel zur Bekämpfung von Pilzen (Fungizide) einzusetzen.

Dem Konzern macht zudem zu schaffen, dass im Pflanzenschutz Anbieter von günstigen Nachahmerprodukten den Markt überschwemmen. Offenbar wurden in den vergangenen Jahren vor allem in China und in Indien erhebliche zusätzliche Produktionskapazitäten aufgebaut.

Die Hersteller reagierten damit auf die starke Nachfrage, die noch vorletztes Jahr im Geschäft mit Agrochemikalien bestanden hatte. Viele Händler von Pflanzenschutzprodukten und Bauern vergrösserten damals ihre Lagerbestände, nachdem sie zuvor durch Lieferengpässe im Zuge der Corona-Pandemie aufgeschreckt worden waren.

Margeneinbruch

Die mittlerweile stark gesunkene Nachfrage bringt es mit sich, dass sich der Lagerabbau in die Länge zieht. Die meisten Agrochemikalien sind zudem lange haltbar. Wegen all dieser Faktoren hat sich der Preiskampf in der Branche verschärft. Bei Syngenta brach das Betriebsergebnis auf Stufe Ebitda in der ersten Hälfte dieses Jahres um 36 Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar ein. Die Ebitda-Marge fiel dadurch von 18,3 auf 14,5 Prozent. Der Konzern, der sich seit 2017 in chinesischem Staatsbesitz befindet, schnitt damit deutlich schwächer ab als seine drei Hauptkonkurrenten Bayer, Corteva und BASF.

Vertreter von Syngenta räumen hinter vorgehaltener Hand ein, dass man mit den Sparmassnahmen länger zugewartet habe als die Mitbewerber. Der amerikanische Konzern Corteva hatte zum Beispiel bereits vor zwei Jahren angekündigt, die weltweite Belegschaft um 5 Prozent zu reduzieren.

Nun werden Sparmöglichkeiten auch bei Syngenta rund um den Globus ausgelotet und Massnahmen zur Steigerung der Produktivität sowie zur Verbesserung des Cashflows umgesetzt. «Es ist klar, dass in einer angespannten Marktlage wie der jetzigen nicht nur die Konzernzentrale an der Effizienz arbeiten muss», sagt Brand.

Zum geplanten IPO hätte Abbau schlecht gepasst

Wie viele der zurzeit noch 60 000 Mitarbeitenden weltweit mit der Kündigung rechnen müssen, will das Unternehmen nicht beziffern. Dass Syngenta bis anhin keine Eile bei der Anpassung des Personalbestands hatte, lässt sich aber wohl am einfachsten mit den Börsenplänen erklären, die das Unternehmen bis vor wenigen Monaten verfolgt hatte. Ende März wurden diese ohne Angabe von Gründen sistiert.

Die Ankündigung von Massenentlassungen hätte sich schlecht mit einem Initial Public Offering (IPO) vertragen. Das wäre dem Unternehmen als ein Zeichen von Schwäche ausgelegt worden, mögliche Investoren wären auf Distanz gegangen.

Selbstkritische Stimmen aus dem Umfeld des Konzerns sagen, Syngenta habe bis zum vergangenen Jahr lieber Volumen maximiert, um in Sachen Wachstum vorteilhafter abzuschneiden. Die damit verbundenen Umsätze stammten offenbar vor allem aus China und betrafen Geschäfte mit sehr niedrigen Margen.

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