Linke Alpinisten haben eine Kletterroute des rechtspopulistischen Fast-Kanzlers Herbert Kickl zerstört und damit in Österreich eine Diskussion über Politik im Gebirge ausgelöst. Nun ermittelt der Staatsschutz.
Zunächst klingt es wie eine skurrile Geschichte, wie ein simpler Fall von Vandalismus. Auf den zweiten Blick geht es auch darum, wem die Berge in der Bundes- und Alpenrepublik Österreich gehören.
Vergangene Woche veröffentlichte eine anonyme, linksextreme Gruppe ein Communiqué. Darin schrieb sie, man habe die Kletterroute «Geheimer Schwob» in der steirischen Hochschwabgruppe entfernt: Will heissen, die Gruppe sägte die fest installierten Kletterhaken entlang der Route ab. Zu den Erstbegehern und Namensgebern dieser Route gehört Herbert Kickl, leidenschaftlicher Alpinist, Obmann der rechtspopulistischen FPÖ und österreichischer Fast-Kanzler.
Im Communiqué der mutmasslichen Saboteure steht: Die Rechten würden versuchen, die Berge zu vereinnahmen, um den «Nationalstaat Österreich zu romantisieren» und eine «vermeintliche Volksidentität» zu schaffen. Die Verfasser fügten dem Schreiben drei Fotos bei, die eine vermummte Person mit Klettergurt und Trennschleifer zeigen. Das Schreiben endet mit: «Antifa bleibt Handarbeit.»
«Flex-Anschlag» und «Gemeingefährdung»?
Die Aktion der Antifa hat wohl Konsequenzen: Die Alpinpolizei – so heisst in Österreich eine Einheit der Bundespolizei – hat die Schäden an der Route bereits inspiziert. Inzwischen ermitteln die steirische Polizei und der österreichische Staatsschutz. Der Boulevard schrieb von einem «Flex-Anschlag auf Kickl-Kletterroute». Doch die FPÖ wollte mehr.
Sie schrieb eine Belohnung von 1000 Euro für sachdienliche Hinweise an die Polizei aus. Weiter sprach die Partei von «unfassbarer linker Zerstörungswut». Wie nun durch die «Kleine Zeitung» bekannt wurde, verfasste die FPÖ zudem eine sogenannte Sachverhaltsdarstellung.
Darin machte sie die Ermittler darauf aufmerksam, dass durch die Sabotage nicht bloss ein «massiver Sachschaden» entstanden sei, sondern auch eine «erhebliche Gefahr für zahlreiche Bergsportler». Deshalb, so die FPÖ, sei möglicherweise der Straftatbestand der vorsätzlichen Gemeingefährdung erfüllt. Die Ermittler und die Justiz werden nun entscheiden, wie die Sabotage zu ahnden ist.
Komplexer ist aber ohnehin die gesellschaftliche Diskussion, die durch die Tat neu lanciert wurde: Wie schon mehrfach in den vergangenen Jahren diskutiert die Alpinismusszene in Österreich nun wieder, wie viel Politik es im Gebirge verträgt und was ein angemessener Umgang mit der Nazi-Vergangenheit des Landes ist.
Kletterrouten mit Nazi-Namen
Herbert Kickl ist seit 2021 Obmann der rechtspopulistischen FPÖ. Unter seiner Führung suchte die Partei immer klarer Anknüpfungspunkte zur rechtsextremen Szene. Als Politiker und auch Privatmann tat Kickl dasselbe.
Er griff, frei von jeder Sensibilität für die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs, Begriffe wie «Volkskanzler» und «Volksverrat» auf. Privat zeigt sich Kickl gerne als Liebhaber der österreichischen Bergwelt und postet Fotos, die ihn beim Klettern zeigen. So wie in der Politik schätzt Kickl auch in der Seilschaft am Berg zweifelhafte Gesellschaft. Zum Beispiel den niederösterreichischen Kletterer und Autor von Kletterführern Thomas Behm.
2010 löste Behm eine Kontroverse aus, die weit über die Kletterszene hinaus ausstrahlte. In Österreich und Deutschland ist es üblich, dass Erstbegeher den Namen einer neuen Route bestimmen. Damals wurden Routennamen wie «Riefenstahl» (nach der Propaganda-Regisseurin der Nationalsozialisten), «Swastikaar» oder «Ewiges Reich» durch mehrere Artikel in führenden österreichischen Medien einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Der renommierte Online-Katalog für Bergtouren bergsteigen.at schrieb diese Namen damals Thomas Behm zu.
Daraufhin veröffentlichte der Alpenverein Österreich ein Communiqué und stellte klar, dass man den Namensgeber aufgefordert habe, Namen mit Nazi-Bezug zu ändern. Behm distanzierte sich gegenüber den Medien vom Nationalsozialismus, doch wenige Jahre später veröffentlichte er laut der österreichischen Tageszeitung «Der Standard» neue Tourennamen wie «Greta Dummberg», «Negerbrot», «Sonnenrad». Das Sonnenrad, auch als Schwarze Sonne bekannt, ist in der Neonazi-Szene ein beliebtes Symbol. Es findet sich auch in der Wewelsburg, wo Heinrich Himmler, Reichsführer SS, das ideologische Zentrum der SS einrichtete.
Dieser Thomas Behm war 2020 mit Kickl an der Erstbegehung der nun entfernten Route in der Hochschwabgruppe beteiligt. Den Namen, den die Seilschaft um Kickl und Behm damals für die Route wählte, hat zwar keinen offensichtlichen Bezug zum rechtsextremen Jargon. Für die linksextremen Saboteure war die Erstbegehung trotzdem ein Affront.
Im Bekennerschreiben schrieben sie, der Hochschwab sei zu Zeiten des Nationalsozialismus ein «Ort des Widerstandes» und ein Rückzugsort für Partisanen gewesen. Umso mehr schockiere es, dass Kickl diesen Ort nun für seine Selbstinszenierung missbrauche. Tatsächlich operierte in den letzten Kriegsjahren eine kleine linke Partisanengruppe vom Hochschwabgebirge aus und versteckte sich dort vor den Nazis.
In der Diskussion um die Frage, wem die Alpen nun gehören, hat sich neben Rechten und Linken nun auch die Plattform bergsteigen.com eingebracht. In der Tourenbeschreibung zum «Geheimen Schwob» beklagt das Portal, dass nach Akteuren wie Thomas Behm nun auch andere ideologische Gruppen die Berge für ihre Botschaften missbrauchen würden.
Neben Linken und Rechten hat damit eine weitere Gruppe Ansprüche auf die österreichischen Alpen angemeldet: die Alpinisten ohne politische Agenda.