Sonntag, April 27

Die Schweiz muss sich wegen der Abschreibung von AT1-Anleihen bei der Rettung der Credit Suisse in den USA vor Gericht verantworten. Sie beruft sich auf ihre Immunität als Nationalstaat und will das Verfahren in die Schweiz holen.

Die Schweiz hat die Übernahme der Credit Suisse noch lange nicht verdaut. Während die UBS planmässig mit der Integration ihrer gescheiterten Rivalin voranschreitet, beschäftigen die Kollateralschäden der Bankenrettung immer noch die Gerichte.

Im Sommer etwa hatten enttäuschte Gläubiger der Credit Suisse in den USA eine Klage eingereicht, die sich direkt gegen die Schweiz als Nationalstaat richtet. Konkret geht es um die umstrittene Abschreibung der sogenannten AT1-Anleihen in der Höhe von 16 Milliarden Franken, die die Schweiz bei der Notübernahme der CS durch die UBS im März 2o23 verfügt hatte. Die Klage gegen die Schweiz ist nicht die einzige Beschwerde. Mit ihrer Verfügung hatte die schweizerische Finanzmarktaufsicht (Finma) eine wahre Flut an Klagen ausgelöst.

Nun hat die amerikanische Kanzlei Wachtell, Lipton, Rosen & Katz, welche die Schweiz in der Sache vertritt, diese Woche bei einem Bezirksgericht in New York einen Antrag auf Abweisung der Beschwerde eingereicht. Das geht aus Gerichtsdokumenten hervor, die der NZZ vorliegen. Ihr wichtigstes Argument: Die Beschwerde gegen die Eidgenossenschaft sei gar nicht zulässig. Denn Staaten geniessen in anderen Ländern grundsätzlich Immunität vor juristischer Verfolgung.

Wie eine «private Investmentbank» verhalten

Die Kläger, vertreten von der Anwaltskanzlei Quinn Emanuel, hatten sich dagegen auf ein Gesetz berufen, das Klagen in den USA gegen andere Staaten unter bestimmten Voraussetzungen zulässt. Beispielsweise dann, wenn diese eine kommerzielle Tätigkeit ausüben. Im Falle der CS werfen sie den Schweizer Behörden unter anderem vor, sie hätten die Übernahme der Bank durch die UBS orchestriert und sich damit wie eine «private Investmentbank» verhalten.

Die Beschwerde eingebracht hatten acht Gesellschaften, die in AT1-Anleihen der Credit Suisse investiert waren. Sieben davon sind laut den Gerichtsdokumenten ausserhalb der USA domiziliert, eine davon in Grossbritannien. Eine weitere ist aus dem Bundesstaat Delaware. Insgesamt fordern sie von der Schweizerischen Eidgenossenschaft eine Entschädigung in der Höhe von 82,3 Millionen Dollar.

Interessant ist das Verfahren in den USA, weil es sich nicht wie viele andere gegen die Finma richtet, sondern direkt auf die Schweizerische Eidgenossenschaft zielt. Laut den Gerichtsdokumenten wehren sich die Anwälte der Schweiz gegen den Vorwurf, dass es sich bei der CS-Rettung um eine «kommerzielle Aktivität» gehandelt habe. Die Schweiz habe sich eben gerade nicht wie eine Investmentbank verhalten. Ihr Ziel sei gewesen, die Bank zu stabilisieren und eine grossflächige Störung an den Finanzmärkten zu verhindern.

Dazu habe der Bundesrat in «Ausübung seiner verfassungsmässigen Autorität» die Nationalbank angewiesen, die CS mit Liquidität zu versorgen, und die Befugnis der Finma bestätigt, den AT1-Abschreiber bei der Bank zu veranlassen.

Weiter argumentiert die Schweiz, dass das Gericht in New York gar nicht der richtige Ort sei, um die Beschwerde zu verhandeln. Die Schweiz sei ein «mehr als adäquates alternatives Forum» dafür. Zumal es sich um Anleihen eines Schweizer Unternehmens handle und die Investoren mit einer Ausnahme keine amerikanischen Gesellschaften seien.

Unter den Klägern wächst der Unmut

Doch in der Schweiz geht es mit den AT1-Beschwerden nicht vorwärts. Der grösste Teil liegt vor dem Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen und richtet sich gegen die Finma. Zurzeit sind 320 Verfahren von rund 3000 Beschwerdeführern hängig.

Unter ihnen wächst der Unmut. Viele Kläger haben nach wie vor die Antworten der Finma und der UBS auf ihre Beschwerden nicht erhalten. Dass derart viele Parteien involviert sind, macht die Koordination der Verfahren für das Gericht zeitaufwendig und schwierig. Quinn Emanuel vertritt auch in der Schweiz zahlreiche Gläubiger, die Anleihen im Gegenwert von rund 4,5 Milliarden Dollar verloren haben.

Geld mit AT1-Anleihen verloren haben vor allem institutionelle Anleger und vermögende Privatinvestoren aus dem In- und Ausland. Bekannt ist etwa, dass in der Schweiz die Pensionskasse der Migros solche Wertpapiere gehalten hat. Entwickelt wurden die AT1-Anleihen nach der Finanzkrise. Gerät eine Bank in die Krise, werden sie unter bestimmten Bedingungen abgeschrieben oder in Eigenkapital umgewandelt.

Aufschluss erhoffen sich die Beschwerdeführer vom Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Mit einer Veröffentlichung des Berichts wird bis Ende Jahr gerechnet. In diesem dürfte der umstrittene Entscheid zur Abschreibung der Anleihen ebenfalls thematisiert werden. Dieser wurde kritisiert, da damit die bestehende Gläubigerhierarchie radikal umgedreht wurde. Wer in Anleihen investiert hatte, verlor alles, Aktionäre wurden dagegen verschont.

Der erste Termin in New York mit dem Richter ist für Anfang Februar angesetzt. Bis dahin werden sich wahrscheinlich noch weitere Kläger der Beschwerde anschliessen. Im Gespräch sei unter anderem ein grosser internationaler Investor, heisst es von Personen, die mit der Sache vertraut sind. Eine erste Entscheidung zum AT1-Abschreiber lässt noch länger auf sich warten.

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