Montag, November 25

Gemischte Studiendaten zu den Obesity-Kandidaten belasten diese Woche die Roche-Aktien. Der Pharmakonzern ist mit seiner Kommunikation in die Abhängigkeit seiner Pipeline mit Abnehmmitteln geraten.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Wenn Pharmaunternehmen in klinischen Phase-I-Studien an neuen Wirkstoffkandidaten tüfteln, tun sie dies in der Regel im stillen Kämmerlein. An wenigen Probanden wird getestet, ob das Mittel verträglich ist. Je nach auftretenden Nebenwirkungen wird die Dosierung geändert, oft verlängert sich dadurch die Studiendauer – alles ganz normal. In der Regel wird in solchen Fällen nicht einmal eine Mitteilung herausgegeben, und wenn, dann wird sie kaum beachtet.

Anders bei Roches Abnehmmittelkandidaten. Der Pharmariese, der in den vergangenen Jahren Mühe bekundete, hat im Dezember 2023 für 2,7 Mrd. $ die amerikanische Carmot Therapeutics übernommen – und sich mit dieser Grossakquisition drei Obesity-Kandidaten ins Haus geholt. Sie tragen die sperrigen Namen CT-388, CT-996 und CT-868 und befinden sich allesamt noch in frühen Entwicklungsstufen. Und dennoch: Die Scheinwerfer der Öffentlichkeit sind bereits auf sie gerichtet.

Roche: offensive Kommunikation bei Abnehmmitteln

Sicher: Die erhöhte Aufmerksamkeit liegt zu einem Teil im allgemeinen Hype um Abnehmmittel begründet, den Novo Nordisk und Eli Lilly mit ihren Fettwegspritzen losgetreten haben. Analysten prophezeien einen Markt, der von heute 6 Mrd. $ bis Ende des Jahrzehnts auf über 100 Mrd. wachsen soll. Teilweise reichen die Schätzungen gar bis 200 Mrd.

Doch es war auch im Sinne von Roche, dass der Kapitalmarkt mit den eingekauften Fettwegkandidaten endlich Argumente bekommen hat, in die stark abgestraften Anteile des Pharmakonzerns zu investieren. Eigentlich sind die Basler – anders als ihre Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins – für ihre zurückhaltende, unaufgeregte Kommunikation bekannt. Doch in diesem Fall haben sie die Aufmerksamkeit nicht nur wohlwollend hingenommen, sondern aktiv gefördert.

Von Beginn an war bei dem übernommenen Portfolio von Carmot Therapeutics seitens Roche von einem «Best-in-Class»-Potenzial die Rede – insbesondere beim Kandidaten für die Fettwegspritze (CT-388). Eine Kampfansage an die Platzhirsche Novo Nordisk und Eli Lilly. Zudem liess CEO Thomas Schinecker wiederholt mit der Aussage aufhorchen, dass die ersten GLP-1-Medikamente gegen Fettleibigkeit von Roche früher in den Handel kämen, als es der Markt erwarte, was etwa das Jahr 2028 implizieren würde. Zurückhaltung sieht anders aus.

Aktienkurs in den Fängen der Obesity-Pipeline

Durch die offensive Kommunikation wird der Aktienkurs von Roche in diesem Jahr zunehmend vom Fortschritt in der Obesity-Pipeline bestimmt. Das hat in den vergangenen Monaten den Kurs beflügelt. Seit dem Tief im Frühling haben sich die Titel bis Anfang September gut 35% nach oben gearbeitet.

Dass mit der steigenden Fantasie aber auch das Enttäuschungspotenzial gewachsen ist, zeigt sich diese Woche. Bei gleich zwei der drei Obesity-Kandidaten sorgten Neuigkeiten zur Phase I an der Börse für einen Rücksetzer. Seit Freitagabend haben die Aktien rund 6% verloren.

Sowohl bei der Fettwegspritze (CT-388) als auch bei der Abnehmpille (CT-996) offenbarten Sicherheitsdaten, dass das Nebenwirkungsprofil nicht so gut ist, wie Investoren vermutlich gehofft hatten. Zwar zeigten die im Sommer publizierten Daten bei den Probanden eine überdurchschnittlich hohe Wirksamkeit bei der Gewichtsreduktion. Wie sich herausstellt, sind die Nebenwirkungen stärker als bei vergleichbaren Wirkstoffen der Konkurrenz in dieser Entwicklungsphase – auch weil die von Roche eingesetzte Dosis entsprechend hoch war.

Gedämpfte Euphorie – Befürchtungen werden laut

Die Konsequenz: Roche muss aller Voraussicht nach in der nächsten Entwicklungsphase (im Rahmen eines Titrationsprogramms) länger an der Dosierung feilen als angenommen. Dadurch werden am Markt zwei Befürchtung laut:

Erstens könnte sich die Einführung der ersten Obesity-Medikamente von Roche nach hinten verschieben, was Marktanteile kosten könnte. Zweitens kommen angesichts der enttäuschenden Nebenwirkungsprofile Zweifel auf, ob Roches Medikamente in ihrer Wirksamkeit überhaupt wettbewerbsfähig sein werden, wenn die Dosierungen gesenkt werden müssen.

Wie eingangs geschrieben: Dass in frühen Entwicklungsphasen immer wieder Änderungen vorgenommen werden müssen, ist normal. Dass das Forschungsteam schrittweise die Dosis eines Medikaments durch Auf- oder Abdosierung zu regulieren versucht, bis das optimale Ergebnis erreicht wird, gehört zum gewöhnlichen Entwicklungsverlauf eines neuen Wirkstoffs. Normalerweise geschieht dies alles ohne grosses Aufsehen.

Dass dies bei Roche anders ist, haben die Basler ein Stück weit mitzuverantworten. Der Konzern hat zuletzt darauf hingewiesen, dass die Nachrichten trotz der frühen Entwicklungsphase kursrelevant seien und man daher dazu verpflichtet sei, an die Öffentlichkeit zu gehen. Das ist richtig. Roche muss sich jedoch die Frage stellen, ob es zielführend war, von Beginn an derart offensiv zu kommunizieren. Jetzt kommen die Basler aus dieser Nummer nicht mehr heraus, über jeden noch so kleinen Fortschritt (oder Rückschritt) wird berichtet werden müssen. Der Markt hat das Scheinwerferlicht angeknipst und wird es nicht wieder ausschalten.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Henning Hölder

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