Montag, Oktober 7

Zwei jugendliche Islamisten planten einen Anschlag auf die Wiener Konzerte des amerikanischen Superstars, es wurden Sprengstoff, Waffen und ein Blaulicht sichergestellt. Laut den Behörden wurde eine Tragödie verhindert, dennoch leidet der Ruf Österreichs.

Es ist ein Posting auf Instagram, kurz vor 22 Uhr am Mittwochabend, das Zehntausende von Taylor-Swift-Fans erschüttert. Der amerikanische Superstar werde alle drei in Wien geplanten Konzerte ihrer gigantischen Eras-Tour nicht abhalten, teilte der Veranstalter Barracuda Music mit. Er begründete dies mit der Gefahr eines Terroranschlags, die von den Behörden bestätigt worden sei.

Nur Stunden zuvor waren in Niederösterreich und Wien zwei Jugendliche festgenommen worden, die laut dem österreichischen Innenministerium einen Bezug zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS) haben. In der Wohnung des Hauptverdächtigen wurden demnach chemische Substanzen und «technische Vorrichtungen» sichergestellt. Bundeskanzler Karl Nehammer bezeichnete die Bedrohungslage am Mittwochabend als «sehr ernst».

Nach der Instruktion über die Gefahr durch die Regierung habe man sich für die Absage der Konzerte entschieden, teilte Barracuda Music mit, «zur Sicherheit aller». Die Konzerte hätten am Donnerstag, Freitag und Samstag im jeweils ausverkauften Ernst-Happel-Stadion stattgefunden. Insgesamt wurden rund 180 000 Tickets verkauft, und wie bei Veranstaltungen in anderen Städten üblich, wurden ausserhalb des Stadions Tausende weitere «Swifties» erwartet.

19-Jähriger hat IS die Treue geschworen

Die Absage hatte sich noch nicht abgezeichnet, als die Polizei am frühen Mittwochabend über die Terror-Ermittlungen informierte. Mit den beiden Festnahmen habe man die konkrete Gefahr minimiert, es bleibe eine abstrakte Bedrohungslage, hiess es. Deshalb würden die Sicherheitsvorkehrungen für Grossveranstaltungen und insbesondere die drei Konzerte erhöht. Die Fans sollten genug Zeit für Anreise und Kontrollen einplanen. Die Behörden betonten auch, der Veranstalter habe eigenmächtig über die Absage entschieden, man habe diese nicht empfohlen.

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, erklärte am Donnerstagmorgen im ORF-Radio erneut, nach den beiden Festnahmen vom Mittwoch bestehe nur noch eine abstrakte Gefährdung, wie sie schon seit dem vergangenen Oktober gelte. Damals wurde die Terrorwarnstufe wegen der «internationalen Gefährdungslage» vom Innenministerium von 3 auf 4 auf die zweithöchste Ebene erhöht. Hintergrund war vor allem das Hamas-Massaker in Israel zwei Wochen zuvor und der Gaza-Krieg. Diese Warnstufe wurde wegen der jüngsten Entwicklungen nicht erhöht. Innenminister Gerald Karner sprach in einer Pressekonferenz aber von einer nach wie vor ernsten Lage.

Man werte nun die aus den Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen gewonnenen Informationen aus, erklärte Ruf. Medienberichte, wonach weitere Tatverdächtige noch flüchtig seien, wies er zurück. Es werde aber intensiv im Umfeld der beiden Festgenommenen ermittelt, und ein dritter Jugendlicher wurde angehalten und einvernommen.

Als Hauptverdächtiger gilt ein 19-jähriger Österreicher, dessen Eltern Wurzeln in Nordmazedonien haben. Er wurde am Mittwochmorgen in Ternitz, rund 75 Kilometer südwestlich von Wien, verhaftet und ist mittlerweile vollumfänglich geständig. Er hatte sich laut Erkenntnissen der Polizei im Internet über Online-Foren islamistisch radikalisiert und im Juli einen Treueschwur auf den IS abgelegt. Er konsumierte entsprechende Medien und Propaganda, die er auch weiterleitete.

Vor zwei Wochen kündigte er dann seine Arbeitsstelle und erklärte dabei, er habe noch «Grosses» vor. Seither liefen konkrete Vorbereitungshandlungen für eine terroristische Tat, sagte Ruf in der Pressekonferenz. Demnach hatte der Verdächtige bereits Sprengstoff auf Basis von Wasserstoffperoxid hergestellt sowie sich über den Bau von Bomben informiert. Er habe auch sein Erscheinungsbild völlig geändert und der IS-Propaganda angepasst.

Laut eigenen Angaben wollte der Jugendliche bei einem der Swift-Konzerte den Anschlag entweder mit Sprengstoff oder mit Stichwaffen durchführen. Neben chemischen Substanzen und funktionsfähigem Sprengstoff konnten an seinem Wohnort auch Zünder, IS-Propagandamaterial, 21 000 Euro Falschgeld, Macheten, Messer und Schreckschuss-Munition sichergestellt werden. Ausserdem wurden ein funktionsfähiges Blaulicht und ein sogenanntes Folgetornhorn gefunden, wie es die Polizei verwendet. Die Behörden gehen davon aus, dass die Verdächtigen so zum Tatort gelangen wollten.

Der in der Hauptstadt am Nachmittag festgenommene 17-Jährige habe in diesen Plänen auch eine Rolle gespielt. Er ist Österreicher mit türkischem und kroatischem Hintergrund. Er befand ich beim Zugriff in der Nähe des Happel-Stadions und war seit einigen Tagen bei einem Facility-Unternehmen angestellt, das bei den Konzerten im Einsatz gewesen wäre. Auch der 17-Jährige hatte bei der Festnahme umfangreiche islamistische Propaganda bei sich. Er war bereits staatspolizeilich bekannt.

«Hipster-Islamisten» radikalisieren Jugendliche auf Tiktok

Die Hinweise auf eine Terrorgefahr kamen unter anderem von ausländischen Nachrichtendiensten, wie Bundeskanzler Karl Nehammer auf X schrieb. In Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz DSN und der Polizei sei die Bedrohung frühzeitig erkannt worden und habe eine Tragödie verhindert werden können. Laut amerikanischen Medien kam der entscheidende Tipp von einem amerikanischen Geheimdienst. Innenminister Karner wies darauf hin, dass man auf solche Informationen angewiesen sei, weil man in Österreich nicht dieselben Möglichkeiten habe. So dürfen Messenger-Dienst nicht überwacht werden.

Trotz der erfolgreich verhinderten Tat bleiben viele Fragezeichen. In den sozialen Netzwerken wird darauf hingewiesen, dass Taylor Swift derzeit in Städten weltweit vor Zehntausenden von Menschen auftrete, in Paris die Olympischen Spiele bisher ohne Probleme stattfänden und Deutschland in den vergangenen Wochen die Fussball-Europameisterschaft sicher durchgeführt habe. Ausgerechnet im als sicher und besonders lebenswert geltenden Wien müsse eine solche Grossveranstaltung abgesagt werden, kritisiert etwa die rechtspopulistische FPÖ.

Wie gross die Gefahr für die Konzerte tatsächlich war, kann derzeit kaum beurteilt werden. Ruf zeigte sich am Donnerstagmorgen zuversichtlich, dass man die Veranstaltungen hätte schützen können – wobei hundertprozentige Sicherheit nie garantiert sei. In Wien verunsichert derzeit eine Welle von Gewalt teilweise sehr junger Migranten die Bevölkerung, jüngst eskalierte zudem ein Bandenkrieg zwischen Syrern und Tschetschenen. Solches ist aber in anderen europäischen Grossstädten ebenso zu beobachten.

Auch die Terrorgefahr ist laut Innenminister Karner in ganz Europa seit dem Herbst erhöht. Konzerte seien dabei oft ein bevorzugtes Ziel von islamistischen Attentätern. Karner erinnerte an das Massaker im Bataclan in Paris, dasjenige auf ein Konzert von Ariana Grande in Manchester oder erst im März dasjenige in der Crocus City Hall in Moskau.

Österreich blieb bisher vor grossen Anschlägen verschont. Im November 2020 hatte ein Islamist in der Wiener Innenstadt aber vier Personen erschossen. Der Täter war wie der jetzige Hauptverdächtige in Österreich geboren worden und hatte nordmazedonische Wurzeln. Auch er hatte sich vorwiegend im Internet selbst radikalisiert und galt als Einzeltäter.

Wie Ruf weist auch der Terrorismus-Experte Peter Neumann darauf hin, dass islamistische Anschläge und Anschlagspläne zuletzt in ganz Europa dramatisch zugenommen hätten. Seit Oktober 2023 hätten sich in Westeuropa sechs Attentate und 21 Fälle von jihadistisch motivierten Anschlagsplanungen ereignet, schreibt er auf seinem Substack-Kanal. Dabei seien zwei Drittel der Tatverdächtigen Teenager. Es bestehe ein starker Zusammenhang mit der Nutzung des Internets und insbesondere der Plattform Tiktok.

Videos, die Israel-Hass und Terrorpropaganda verbreiten, beeinflussen etwa auch an Wiener Schulen die Jugendlichen massiv, wie Lehrer berichten. Äusserlich modern erscheinende «Hipster-Salafisten» hätten mit ihrer zeitgemässen Bildsprache eine grosse Attraktivität für junge Menschen, stellte erst im Juli Österreichs Dokumentationsstelle Politischer Islam fest.

Auch das geschieht indes nicht nur in Wien. Dass sich die Veranstalter zur Absage der Swift-Konzerte veranlasst sahen, dürfte mit den Verhaftungen so kurz vor dem ersten geplanten Auftritt der Sängerin am Donnerstag zu tun haben. Die Unsicherheit und das damit verbundene Risiko war ihnen aus nachvollziehbaren Gründen zu gross – auch wenn die unmittelbare Gefahr laut den Behörden gebannt ist. Für den Ruf Österreichs und Wiens ist das ein weltweit wahrgenommenes Desaster.

Laut Barracuda Music werden die Tickets innerhalb der nächsten zehn Werktage rückvergütet. Für die zu Zehntausenden nach Wien gereisten «Swifties» ist die Absage dennoch ein Drama. Wie bei anderen europäischen Konzerten der Eras-Tour kamen sie teilweise aus den USA, Asien, und der ORF interviewte sogar einen Fan aus Australien. Die Kosten für Anreise und Hotel dürften dabei nur in seltenen Fällen erstattet werden.

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