Dienstag, Februar 4

In der Märzsession entscheidet sich, ob die Schweiz die Individualbesteuerung einführen wird. Die Pro-Allianz aus FDP und Linken hat einen hauchdünnen Vorsprung auf das Nein-Lager aus Mitte und SVP.

Nun geht es plötzlich schnell: Der Ständerat wird voraussichtlich im März darüber entscheiden, ob die Ehepaarbesteuerung neu geregelt und die Schweiz die Individualbesteuerung einführen wird. Der Nationalrat hat im letzten Herbst vorgespurt. Eine im Parlament seltene Allianz aus FDP, Grünliberalen, SP und Grünen setzte sich mit 98 zu 93 Stimmen gegen die Mitte und die SVP durch und sprach sich dafür aus, dass Verheiratete künftig einzeln veranlagt werden – wie Ledige oder Verwitwete.

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Vom Wechsel zur Individualbesteuerung würden in erster Linie Doppelverdienerehepaare profitieren: Sie müssen heute wegen der gemeinsamen Veranlagung und der steilen Progression im Bund zum Teil erheblich mehr Steuern zahlen als gleich gestellte Konkubinatspaare – das nennt sich Heiratsstrafe.

Doch die Sache ist noch nicht gelaufen, der politische Widerstand gegen die Reform ist gross. Die Mitte, die SVP, die kantonalen Finanzdirektoren und weitere Kreise sind gegen die Individualbesteuerung. Sie sehen die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft, halten die gemeinsame Besteuerung für das Vernünftigste und wollen die Heiratsstrafe für Doppelverdiener auf andere Weise abschaffen – etwa durch ein Splittingmodell oder durch eine alternative Steuerberechnung.

Zwei praktisch gleich grosse Lager

Im Ständerat wird es in der Märzsession zu einer eigentlichen Kraftprobe zwischen den Befürwortern und den Gegnern kommen. Das Lager der «Traditionalisten» ist in der kleinen Kammer praktisch gleich gross wie jenes der «Progressiven». Mitte und SVP vereinigen 22 Stimmen auf sich, während FDP und Linke auf 24 Stimmen kommen – wobei der Freisinnige Andrea Caroni als Ratspräsident nicht stimmt und allenfalls bei einem Patt den Stichentscheid gibt. Ob die Individualbesteuerung eine Mehrheit erhält, kann am Ende von einer einzigen Stimme, von einem einzigen Abwesenden abhängen.

Die knappen Mehrheitsverhältnisse zeigen sich auch in der ständerätlichen Wirtschaftskommission: Sie ist mit 7 zu 6 Stimmen auf die Gesetzesvorlage eingetreten. Dass die Allianz aus FDP und Linken hält, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Steuerentlastung von Doppelverdienerehepaaren zählt nicht zu den Kernanliegen von SP und Grünen. Es dürfte für die linken Parteien nicht einfach sein, die Einnahmenausfälle von rund einer Milliarde Franken jährlich vor der eigenen Wählerschaft zu rechtfertigen.

Die Wirtschaftskommission unterstützt die Beschlüsse des Nationalrats, grosse Differenzen gibt es nicht. In einem Punkt allerdings will sie nachbessern: bei den Einverdienerehepaaren. Eines der zugkräftigsten Argumente gegen die Individualbesteuerung lautet, dass die Reform «eine massive Ungleichbehandlung zwischen Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren» schaffe. Tatsächlich müssten traditionell lebende Paare nach der nationalrätlichen Version je nachdem künftig erheblich mehr direkte Bundessteuern zahlen als Doppelverdienerehepaare mit demselben Einkommen. Diese unterschiedliche Behandlung von Familienformen bietet eine grosse Angriffsfläche und könnte die ganze Vorlage zum Absturz bringen. Um dies zu verhindern und den Einverdienerhaushalten entgegenzukommen, möchte sich die Ständeratskommission bei den Kinderabzügen grosszügiger zeigen.

Die Mitte konkurrenziert die FDP

Sagt der Ständerat Ja zur Individualbesteuerung, könnte die Vorlage bis im Sommer zwischen den Räten bereinigt sein und anschliessend in Kraft treten. Das wäre nicht zuletzt ein grosser Erfolg für die FDP, genauer: für die freisinnigen Frauen. Sie haben mit einer 2022 eingereichten Volksinitiative zusätzlich Druck auf den Bundesrat gemacht, einen Gegenvorschlag für die Einführung der Individualbesteuerung auszuarbeiten. Man kann davon ausgehen, dass die FDP-Frauen ihre Volksinitiative zurückziehen werden, wenn der Gegenvorschlag in Kraft tritt.

Der Erfolg der FDP wäre gleichzeitig eine bittere Niederlage für die Mitte-Partei. Auch sie hat eine Volksinitiative zur Beseitigung der Heiratsstrafe eingereicht, als Gegenprojekt zur FDP-Initiative. Die Mitte will die gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren in der Verfassung festschreiben und damit die Individualbesteuerung verhindern. Doch die Partei reichte ihr Begehren erst im Frühling 2024 ein, anderthalb Jahre nach der FDP. Die Initiative ist derzeit beim Bundesrat hängig, die Botschaft zuhanden des Parlaments soll bis im Frühling vorliegen. Ob es der Mitte gelingt, die FDP bei der Ehepaarbesteuerung noch «abzufangen», wird sich im März im Ständerat zeigen.

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