Donnerstag, Februar 13

Neben Linken und Kantonsvertretern lehnt nun auch der Gewerbeverband die Reform der Wohneigentumsbesteuerung ab. Der kommende Urnengang wird eine sehr hohe Hürde.

Die Besteuerung des Eigenmietwerts in der Schweiz ist nur schwer wegzubringen. Manche Betroffene empfinden diese Besteuerung von «fiktivem Einkommen» als Ärgernis, und seit Jahrzehnten sind Vorschläge zur Abschaffung auf der politischen Agenda. Doch bisher war keine Reform mehrheitsfähig.

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Dies hat vor allem zwei Gründe. Zum einen ist das geltende System besser als sein Ruf. Die Besteuerung des Eigenmietwerts entspricht im Prinzip in Kombination mit Abzügen für Liegenschaftsunterhalt und Schuldzinsen dem Gebot der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit; dies ermöglicht die steuerliche Gleichbehandlung von finanziell ähnlich situierten Wohneigentümern und Mietern sowie von fremd- und selbstfinanzierten Wohneigentümern.

Technisch ist der Eigenmietwert kein fiktives Einkommen, sondern ein Naturaleinkommen. Unter Steuerrechtlern und Ökonomen hat die Besteuerung des Eigenmietwerts erheblichen Sukkurs, wie viele Fachberichte aus dem In- und Ausland zeigen. Doch die Sache lässt sich kaum in 30 Sekunden vor einer TV-Kamera erklären. Ein Systemwechsel hat deshalb im Prinzip politische Chancen, doch ein zweiter Faktor stand dem bisher im Weg: Die Reformer wollten zwar den Eigenmietwert abschaffen, aber nicht konsequent auf alle damit verbundenen Steuerabzüge verzichten.

Im Zangengriff

Immerhin hat das Parlament im jüngsten Anlauf vergangenen Dezember nach über siebenjährigem Ringen eine Reform verabschiedet. Dabei wird die Besteuerung des Eigenmietwerts auf Erst- und Zweitliegenschaft abgeschafft, und der Steuerabzug für Liegenschaftenunterhalt fällt weg. Der allgemeine Schuldzinsabzug wird deutlich gesenkt, doch wer erstmals eine selbstbewohnte Liegenschaft erwirbt, kann neu zehn Jahre lang einen beschränkten Schuldzinsabzug geltend machen. Zudem will die Parlament zur Besänftigung der Tourismuskantone die Bundesverfassung ergänzen – mit einer Kompetenz für die Kantone zur Erhebung einer Sondersteuer auf Zweitwohnungen.

Wegen dieser geplanten Verfassungsänderung kommt es zwingend zu einer Volksabstimmung – voraussichtlich im September. Die Verfassungsänderung ist verknüpft mit dem Systemwechsel auf Gesetzesstufe. Wer die Verfassungsänderung ablehnt, spricht sich damit faktisch gegen den gesamten Systemwechsel aus. Ein Referendum gegen die Gesetzesänderung ist deshalb nicht in Sicht.

Auch diese Reformvorlage dürfte es sehr schwer haben. Sie steckt in einem Zangengriff von links und von rechts. Die Linke hat im Parlament die Vorlage grossenteils abgelehnt, weil die Reform beim derzeitigen Zinsniveau deutliche Einbussen für den Fiskus bringt – die Kehrseite von der Entlastung für Wohneigentümer. Der Vorstand des Mieterverbands lehnt die Reform ebenfalls grossmehrheitlich ab.

Die Vorlage dürfte laut Bundesschätzung bei durchschnittlichen Hypothekarzinsen von 2,8 bis 2,9 Prozent etwa aufkommensneutral sein. Je tiefer das Zinsniveau liegt, desto eher profitieren die Wohneigentümer von der Reform zulasten des Fiskus, weil die Reduktion des Schuldzinsabzugs dann weniger ins Gewicht fällt. Beim derzeitigen Zinsniveau von durchschnittlich etwa 1,6 Prozent würden die Wohneigentümer mit ungefähr 1,5 Milliarden Franken pro Jahr entlastet; davon gingen etwa 300 bis 350 Millionen zulasten der Bundeskasse und der Rest zulasten der Kantone und Gemeinden.

Nein des Gewerbes

Aus gegenteiligen Gründen geht der Gewerbeverband in die Opposition. Er sprach sich in der jüngsten Ausgabe der verbandseigenen Zeitung «klar» gegen die Reform aus. Diese «schafft mehr Probleme, als sie löst». Der Verband kritisiert die Streichung der Steuerabzüge für den Liegenschaftsunterhalt und (auf Bundesebene) auch für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen. Das Gewerbe befürchtet Umsatzeinbussen, wenn Unterhaltskosten für Liegenschaften steuerlich nicht mehr abzugsfähig sind. Den vorgesehenen Schuldzinsabzug für Ersterwerber bezeichnet der Verband zudem als «viel zu bescheiden». Die geplante Verfassungskompetenz für die Kantone zu einer Zweitwohnungssteuer sehen die Gewerbevertreter ebenfalls kritisch.

Der Gewerbeverband will zwar den Eigenmietwert abschaffen, aber die damit zusammenhängenden Steuerabzüge möglichst beibehalten. Eine solche Vorlage hätte es indes an der Urne angesichts der weit höheren Einbussen für den Fiskus wohl noch deutlich schwerer als die vom Parlament beschlossene Reform.

Auch von den Kantonen ist Widerstand zu erwarten. Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) hat sich dem Vernehmen nach Ende Januar mit klarer Mehrheit gegen die Reform ausgesprochen. Die Finanzdirektoren hatten in früheren Stellungnahmen das geltende System der Eigenmietwertbesteuerung als «ökonomisch und steuersystematisch gerechtfertigt» bezeichnet. Eine zentrale Rolle spielen Befürchtungen über Einnahmeneinbussen. Die vorgesehene Möglichkeit für die Kantone, eine Sondersteuer für Zweitwohnungen einzuführen, besänftigt die Finanzdirektoren nicht. Sie befürchten vielmehr technische und juristische Umsetzungsprobleme.

Da die FDK nicht generell für «die Kantone» sprechen kann, will sie bei der Konferenz der Kantonsregierungen das Plazet für die Nein-Parole einholen. Für die Parolenfassung der Kantonsregierungen braucht es eine Mehrheit von mindestens 18 der 26 Kantone. Besonders heftig ist die Kritik bei den Tourismuskantonen. Sie wollten die Eigenmietwertbesteuerung mindestens auf den Zweitwohnungen erhalten.

Der Sack und der Esel

Es erscheint kurios, dass die Kantone eine Verfassungsnorm ablehnen, die ihnen eine neue Kompetenz gibt und nichts Neues vorschreibt. Doch für die Kantone wird im kommenden Abstimmungskampf gelten, was für alle Gegner der Reform gilt: Sie schlagen den Sack (die an die Urne kommende Verfassungsänderung), aber sie meinen den Esel (die Gesetzesänderung mit dem Systemwechsel).

Im Parlament stand zur Diskussion, die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung auf selbstbenutzte Erstwohnungen zu beschränken. Das hätte vor allem die Tourismuskantone besänftigt, doch neue Probleme gebracht. Laut Kritikern dieser Variante, zu denen auch der Bundesrat gehörte, wäre die unterschiedliche Behandlung von Erst- und Zweitliegenschaften administrativ aufwendig, verfassungsrechtlich fragwürdig und eine Einladung für Steueroptimierer. So fiel diese Variante durch.

Auf der Befürworterseite im kommenden Abstimmungskampf stehen vor allem der Hauseigentümerverband und Teile der bürgerlichen Parteien. Die Hauptattraktion der Reform ist aus Sicht der Befürworter die Abschaffung der ungeliebten Eigenmietwertbesteuerung. Zudem senkt die Vorlage wegen der Einschränkung des Schuldzinsabzugs die Verschuldungsanreize. Das verspricht eine Erhöhung der Finanzstabilität. Die Bürgerlichen sind aber wegen der Kritik aus Gewerbekreisen nicht geschlossen, und die Hauseigentümer sind gegenüber den Mietern zahlenmässig im Nachteil. Auf die Befürworter wartet ein schwieriger Abstimmungskampf.

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