Donnerstag, Mai 15

Der am Ostermontag verstorbene Germanist und Schriftsteller wurde am Dienstag in seinem Heimatort beigesetzt. Im Gottesdienst las eine Enkelin einen Abschiedsbrief von Peter von Matt vor.

Den grössten Teil seines Lebens hat der am Ostermontag verstorbene Peter von Matt in Zürich verbracht. Dennoch war es sein Wunsch, in Stans beigesetzt zu werden, wo er aufgewachsen war. So hat er zuletzt noch einmal ein Bekenntnis zu seiner Herkunft abgelegt. Mochte er als Wissenschafter auch weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden sein, im Herzen ist er einer geblieben, der aus den Bergen kam.

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Schriftsteller, Kollegen von der Universität und Freunde aus der ganzen Schweiz waren in grosser Zahl gekommen, um mit der Familie Abschied zu nehmen von einem begnadeten Wissenschafter und einem einzigartigen Schriftsteller. Peter von Matt war eine seltene Doppelbegabung: Er las die Bücher wie ein Musiker die Partituren; und er schrieb, wie Bach komponierte: glasklar und hinreissend.

Die Liebe zum Wort

Es war mehr als Leidenschaft, wenn er las und schrieb. Es war, was er als Kind empfunden hatte, als er die Welt der Bücher entdeckte: Liebe. Darum rührte es ans Innerste, dass im Trauergottesdienst für die Lesung eine der schönsten Stellen aus dem ersten Brief von Paulus an die Korinther ausgewählt worden war: «Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig (. . .), sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.»

Wer je mit Peter von Matt zu tun hatte, sei es als Student, sei es als Schriftsteller, sei es als Leser, wird etwas von der unverbrüchlichen Zugewandtheit erfahren haben, von der Paulus spricht. Sie äusserte sich bei von Matt in der Liebe zum Wort und zur Sprache – und in dem unbedingten Glauben, dass die Literatur einen Möglichkeitsraum eröffnet.

An der Trauerfeier in der Pfarrkirche Stans, wo Peter von Matt 1937 getauft worden war, sprachen der Schriftsteller Franz Hohler und die beiden Germanisten Thomas Strässle und Philipp Theisohn. Doch bewegender Höhepunkt des Gottesdienstes war eine Art Abschiedsbrief, in dem der Verstorbene prägende Erfahrungen aus Kindheit und späteren Jahren in Erinnerung rief.

Er habe nie verstanden, heisst es in dem Text, den seine Enkelin vorlas, warum alle vom Glück der Kindheit redeten. Er sei jährlich stets nur bei zwei Gelegenheiten glücklich gewesen: Wenn sie sommers in die Berge gefahren seien und wenn an Weihnachten die Stubentüre geöffnet worden sei. Zu allen anderen Zeiten hätten Schule, Kirche und Vater ein geschlossenes System aus Verboten und Strafen gebildet. «Verboten war alles, was nicht ausdrücklich erlaubt wurde», schreibt von Matt, um dann hinzuzufügen: «Mein Schutz und Schirm war allein die Mutter.»

Erfolg mit schlechtem Gewissen

Vierzig Jahre später hatte er es noch immer mit einem allerdings subtileren Verbotssystem zu tun. 1980 sei er für eine Gastdozentur nach Stanford in Kalifornien eingeladen worden. Die Gelegenheit habe er genutzt, «ein Buch ganz nur so zu schreiben, wie ich es mir vorstellte, ohne Rücksicht auf die Zwänge der Wissenschaft». Diesem ersten folgten weitere und immer erfolgreichere Bücher. «Ich gebe zu», schreibt von Matt, «dass ich dabei oft ein schlechtes Gewissen hatte.» Er erinnerte auch daran, wie er als Emil Staigers Assistent im Zürcher Literaturstreit zwischen Hammer und Amboss geriet. Und er gestattete sich dann eine polemische Sottise gegen die Moralapostel des guten Gewissens, die damals wie heute viel Unheil anrichten.

Eine kleine Abordnung vom Unüberwindlichen Grossen Rat von Stans erwies mit ihren Standarten dem Verstorbenen die letzte Ehre. Es hätte Peter von Matt gefallen. Er, der einmal kurz das Priesterseminar besucht hatte, war selber Mitglied der seit 400 Jahren existierenden Bruderschaft.

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