Donnerstag, Februar 13

Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats möchte das obligatorische Referendum über den EU-Vertrag verhindern. Doch das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen.

Eric Nussbaumer kann es mit der institutionellen Anbindung der Schweiz an die Europäische Union nicht schnell genug gehen. Der europhile Baselbieter SP-Nationalrat und Präsident der europäischen Bewegung Schweiz will das ausgehandelte Vertragspaket nur dem fakultativen Referendum mit Volksmehr unterstellen und nicht dem obligatorischen Referendum mit Volks- und Ständemehr.

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Er beantragte in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates (APK-N), dem Bundesrat einen Brief zu schreiben und ihm mitzuteilen, dass man kein obligatorisches Referendum wolle. Die APK-N ist Nussbaumers Antrag diese Woche mit 15 zu 10 Stimmen gefolgt. Dafür votierten die Linken, die Freisinnigen und fast alle Mitte-Vertreter, dagegen stimmten die Vertreter der SVP.

«Politische Eliten» und «Verfassungsfeinde»

Die Reaktion der unterlegenen SVP liess nicht auf sich warten: Die anderen Parteien wollten «ausdrücklich keine Volksabstimmung zum EU-Knebelvertrag», entrüstete sich die Volkspartei in einer Medienmitteilung. Diese Behauptung dürfte allerdings keinen Wahrheitstest bestehen: Auch unter den feurigsten Anhängern der institutionellen Anbindung hat es bisher noch niemand gewagt, zu fordern, das Volk solle beim EU-Abkommen rein gar nichts zu sagen haben. Am fakultativen Referendum führt kein Weg vorbei, das wissen auch die Befürworter.

Ebenso klar ist aber, dass das EU-Lager alles versuchen wird, um das obligatorische Referendum mit Ständemehr zu verhindern. Denn das Ständemehr könnte am Ende darüber entscheiden, ob die Schweiz die «Bilateralen III» bzw. den «EU-Unterwerfungsvertrag» abschliesst oder nicht. Dabei bleiben sich beide Seiten nichts schuldig. Während die SVP die «politischen Eliten» geisselt, denen das Volk lästig sei, teilt Nussbaumer auf X kräftig gegen die «Populisten» und «Verfassungsfeinde» aus, die der Meinung sind, der bedeutendste Staatsvertrag seit Jahrzehnten müsse Volk und Ständen vorgelegt werden.

Mit ihrem Vorstoss will die APK-N offenkundig dem Bundesrat den Weg weisen. Dieser hat sich zur Frage des Referendums noch nicht festgelegt, er dürfte dies in den nächsten Wochen tun. Dass sich die Landesregierung vom Brief der APK-N beeindrucken lässt, ist indes wenig wahrscheinlich. Zum einen sind die EU-affinen Aussenpolitiker nicht unbedingt repräsentativ für ihre Parteien, zum andern gibt es im Bundesrat starke Stimmen, die für das obligatorische Referendum mit Ständemehr eintreten.

Das zeigte sich letztes Jahr, als die Landesregierung ein Gutachten des Bundesamts für Justiz (BJ) kühl zur Kenntnis nahm. Das Amt war überraschenderweise zum Ergebnis gelangt, dass es keine rechtliche Grundlage gebe, um das EU-Vertragspaket freiwillig dem obligatorischen Referendum – dem sogenannten Referendum sui generis – zu unterstellen.

Dass dasselbe BJ ein paar Jahre zuvor noch zu einem anderen Schluss gekommen war, liess die Ausführungen der Bundesjuristen nicht unbedingt überzeugend erscheinen. Der Bundesrat machte denn auch deutlich, dass er sich nicht an das Gutachten gebunden fühle.

Nussbaumer und die APK-N berufen sich nun aber ausdrücklich auf das Bundesamt für Justiz. «Wir haben uns als erste Parlamentskommission eingehend mit dem BJ-Gutachten zum Staatsvertragsreferendum für das Vertragspaket auseinandergesetzt. Es ist richtig, unsere Erkenntnis nun dem Bundesrat mitzuteilen», so Nussbaumer.

Dass der Inhalt der verschiedenen EU-Abkommen noch gar nicht bekannt ist und man nicht weiss, wie tiefgreifend sie in die verfassungsrechtliche Ordnung eingreifen, stellt für ihn kein Problem dar: «Unsere Kommission beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Europapolitik und dem Vertragspaket.»

Staatspolitiker sind zuständig

Allerdings ist die Frage, in welcher Form das EU-Vertragspaket dereinst den Stimmberechtigten unterbreitet werden soll, keine aussenpolitische, sondern eine staatspolitische. Die Zuständigkeit liegt also in erster Linie bei den Staatspolitischen Kommissionen (SPK). Interessant ist hier vor allem die Haltung der ständerätlichen SPK, die ein besonders ausgeprägtes Gefühl für den Wert des Föderalismus und für die Rechte der kleinen Kantone haben müsste. Dort reagiert man denn auch trocken auf den Vorstoss der nationalrätlichen Aussenpolitiker. Er habe den Entscheid der APK-N «zur Kenntnis genommen», sagt Daniel Fässler, SPK-Präsident aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden.

Das Vorpreschen der APK-N ändert nichts daran, dass sich die Staatspolitiker als zuständig erachten und sich zum EU-Abkommen und zum Referendum äussern wollen. Die politische Ausgangslage ist dabei eine andere als in der APK-N. Namentlich bei den Ständeräten der Mitte-Partei gibt es einige, die sich klar für das obligatorische Referendum mit doppeltem Mehr aussprechen. So auch der SPK-Präsident Daniel Fässler: Er teile die Grundhaltung, dass die EU-Abkommen von überragender Bedeutung seien und deshalb nur eine Abstimmung mit Ständemehr infrage komme, sagt er.

Keine Abstimmung über das Referendum sui generis

Doch vielleicht meint es die APK-N gar nicht so, wie man denken könnte. Sie schreibt in ihrer Medienmitteilung, dass die «verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Unterstellung unter das obligatorische Referendum» nicht erfüllt seien. Das behauptet allerdings auch niemand: Die EU-Abkommen fallen klarerweise nicht unter das obligatorische Staatsvertragsreferendum, wie es die Bundesverfassung für den Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit (Bsp. Nato) oder für den Beitritt zu supranationalen Gemeinschaften (Bsp. EU) vorschreibt.

Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob das Parlament das EU-Vertragspaket von sich aus freiwillig dem obligatorischen Referendum unterstellen kann. Die Antwort darauf steht nicht in der Verfassung: Dieser Entscheid ist kein rechtlicher, sondern ein politischer und hängt von den Mehrheiten im Parlament ab. Ob es die APK-N für zulässig erachtet, dass das Parlament das EU-Abkommen – wie 1992 den EWR – dem Referendum sui generis unterstellt, ist offen. Darüber wurde in der Kommission zwar ausgiebig diskutiert, aber nicht abgestimmt.

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