Samstag, Dezember 21

Zwei Abstimmungsvorlagen wollen die Stellung der Vermieter etwas stärken. Doch die Mieter sind beim Urnengang zahlenmässig klar im Vorteil. Und sie haben auch den Bundesrat auf ihrer Seite.

Auf solche Pflichtübungen könnten Bundesräte gerne verzichten. Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat am Dienstag vor den Medien in Bern verkündet, dass der Bundesrat ein Ja zu den zwei Abstimmungsvorlagen vom November zum Mietrecht empfehle. Die Regierung hatte im Parlament gegen die zwei Vorlagen argumentiert, da diese unnötig seien. Doch sie drang damit bei der bürgerlichen Parlamentsmehrheit nicht durch. Der Bundesrat darf laut Gesetz keine vom Parlamentsbeschluss abweichende Abstimmungsempfehlung geben.

Im Prinzip geht es nur um zwei Mini-Reformen, doch beim Mietrecht gilt Ähnliches wie beim Arbeitsrecht: Selbst kleinste Lockerungen stossen auf grössten Widerstand. So wie die Gewerkschaften bei jedem Lockerungsvorschlag zum Arbeitsrecht routinemässig das Ende der Menschenwürde für Angestellte ausrufen, so steigen Mietervertreter bei jedem Vorschlag zur Stärkung der Eigentümerrechte sofort in den Schützengraben.

So hat ebenfalls am Dienstag das Referendumskomitee gegen die beiden Mietrechtsvorlagen vor den Medien mit markigen Schlagworten nicht gegeizt («Rauswurf-Vorlagen», «skandalös», «Angriff der Immobilien-Lobby»). Solche hochgeschraubte Rhetorik soll die Bürger erschrecken. Das funktioniert in der Regel ziemlich gut.

Zahlenverhältnis von 5:1

Die Zahlen sind klar auf der Seite der Mieter. Ende 2022 wohnten rund 61 Prozent aller Haushalte in Mietwohnungen und 36 Prozent in Eigentumswohnungen; der kleine Rest sind Sondersituationen wie etwa Dienstwohnungen. Und Steuerdaten aus drei Kantonen zu den natürlichen Personen lassen mutmassen, dass nur etwa 20 bis 30 Prozent der Wohneigentümer nebst dem selbstbewohnten Eigentum auch noch vermieteten Wohnraum haben. Bei den natürlichen Personen dürfte somit, ganz grob geschätzt, das zahlenmässige Verhältnis von Mietern zu Vermietern etwa bei 5:1 liegen. Jede Reduktion des Mieterschutzes hat es da schwer.

Gut die Hälfte der vermieteten Wohnungen gehören nicht Privatpersonen, sondern zum Beispiel Pensionskassen, Versicherungen, Immobiliengesellschaften, Wohnbaugenossenschaften oder dem Staat. Im Gesamtkontext verändern die zwei Abstimmungsvorlagen Kleinigkeiten; diese können indes für Betroffene im Einzelfall eine bedeutende Rolle spielen. Dabei geht es um Wohn- und Geschäftsliegenschaften. Eine der Vorlagen senkt in Fällen von Eigentümerwechsel die Hürde zur Kündigung des Mietvertrags durch den Käufer ein bisschen.

Nach geltendem Recht muss der Käufer im Prinzip bestehende Mietverträge übernehmen, doch bei dringendem Eigenbedarf für sich oder Nahestehende kann er das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestfrist von drei Monaten (Wohnraum) oder sechs Monaten (Geschäftsräume) kündigen. Zudem sind gewisse ordentliche Kündigungen bei dringlichem Eigenbedarf nicht anfechtbar. Und bei der Beurteilung von Mietergesuchen zur Erstreckung des Mietverhältnisses müssen die zuständigen Behörden in der Interessenabwägung den Eigenbedarf und dessen Dringlichkeit berücksichtigen.

«Bedeutend» und «aktuell»

Laut der Abstimmungsvorlage muss in den genannten Fällen der Eigenbedarf für die Geltendmachung nicht mehr «dringlich» sein, sondern nur noch «bedeutend» und «aktuell» – und dies bei «objektiver Beurteilung». Das soll die Hürden für die Geltendmachung des Eigenbedarfs zugunsten der Vermieter etwas senken. Ob es einen grossen Unterschied macht, ist nicht so klar. Auch das geltende Recht verlangt keine Notlage oder gar Zwangslage für die Geltendmachung des Eigenbedarfs. Es genüge, dass es dem Vermieter «aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht zumutbar ist, auf die Benutzung der Mietsache zu verzichten», heisst es in einem Gesetzeskommentar.

Laut den Befürwortern der Gesetzesrevision ist diese Unzumutbarkeit in der Praxis oft schwer nachzuweisen. Laut den Gegnern würde die Revision Missbräuche durch Vermieter erleichtern. Missbräuche gibt es jetzt schon auf beiden Seiten: Mieter können trotz effektivem Eigenbedarf des Vermieters eine Kündigung um Jahre hinausschieben, und Vermieter benutzen den Eigenbedarf als Vorwand, um einen Mieter hinauszuwerfen und nachher die Wohnung teurer zu vermieten. Welche Falltypen häufiger vorkommen, ist unklar; beide Typen scheinen aber keine Massenphänomene zu sein.

8000 Konflikte zu Kündigungen

Hinweise auf die Häufigkeit von Mietstreitigkeiten liefern die halbjährlichen Statistiken des Bundesamtes für Wohnungswesen zu den Schlichtungsverfahren. 2023 erledigten die Schlichtungsbehörden in der Schweiz total knapp 36 000 Miet- und Pachtfälle. Rund 8000 davon entfielen auf Konflikte zu Kündigungen und Erstreckungen des Mietverhältnisses. In über drei Vierteln dieser Fälle brachte das Schlichtungsverfahren eine Einigung. Und nur ein kleiner Teil dieser Schlichtungsfälle dürfte das Thema Eigenbedarf des Vermieters betroffen haben; Statistiken dazu liegen aber nicht vor.

Ähnliches gilt für die zweite Mietrechtsvorlage, über die das Volk im November befindet. Dabei geht es um die Rahmenbedingungen für die Untervermietung. Der Mieter kann nach geltendem Recht Wohn- und Geschäftsräume ganz oder teilweise untervermieten. Der Vermieter kann die Untervermietung verbieten, wenn der Mieter die verlangten Angaben zur Untervermietung verweigert, die Bedingungen der Untervermietung im Vergleich zum Hauptmietvertrag missbräuchlich sind oder dem Vermieter durch die Untervermietung wesentliche Nachteile entstehen.

Die Abstimmungsvorlage ändert daran nur wenig. Künftig braucht es für die Untervermietung eine schriftliche statt eine formlose Zustimmung des Vermieters mit handschriftlicher oder elektronischer Signatur. Zudem kann der Vermieter die Untervermietung verweigern, wenn die Dauer der Untervermietung zwei Jahre übersteigt. Die Aufzählung der möglichen Verweigerungsgründe ist überdies nicht mehr abschliessend, sondern mit dem Wort «insbesondere» ergänzt. Und die Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters ist künftig ausdrücklich als ausserordentlicher Kündigungsgrund genannt (schon jetzt riskieren Mieter mit solchem Verhalten eine ordentliche oder gar ausserordentliche Kündigung).

Flexibilität contra Rechtssicherheit

Die Befürworter wollen mit den Änderungen Missbräuche in Form von Dauervermietungen zu Preisen weit über der Hauptmiete erschweren. Die Einfügung des Worts «insbesondere» bei den Verweigerungsgründen soll zudem Flexibilität für allfällige künftige Veränderungen schaffen. Konkrete weitere Tatbestände haben die Befürworter nach eigenen Angaben nicht im Kopf. Der Preis der etwas höheren Flexibilität ist die etwas grössere Rechtsunsicherheit. Die Gegner befürchten generell eine Erschwerung der Untermiete.

Missbräuche mit Untervermietung gibt es, doch es dürfte kaum ein Massenphänomen sein. Im Zeitalter von Vermietungsplattformen à la Airbnb ist das Missbrauchspotenzial jedoch grösser geworden. Aber schon nach geltendem Recht können Vermieter die gewerbsmässige Untervermietung und generell die Untervermietung zu weit über der Hauptmiete liegenden Preisen verweigern. Dies gilt laut Gesetzeskommentaren auch für eine Untervermietung an eine Vielzahl unterschiedlicher Kunden – denn kurzfristige Gäste behandeln Wohnungen tendenziell weniger sorgfältig als langfristige Bewohner.

Beide vorgeschlagenen Gesetzesänderungen müssten inhaltlich keinen grossen Anlass für emotionale Höhenflüge hüben oder drüben liefern. Weltanschauliche Tendenzen und die eigene Lage mögen am Ende bei vielen Bürgern den Ausschlag geben: Ist man eher pro Eigentümerschutz oder pro Mieterschutz? Die Vorlagen können aber auch herhalten als politischer Testfall für bedeutendere Vorstösse für mehr Vermieterrechte, die noch im Parlament stecken. Dabei geht es um Erleichterungen beim Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit von Mietzinsen und um eine Einschränkung der Anfechtbarkeit von Anfangsmietzinsen.

Exit mobile version