Die Werke von Torborg Nedreaas (1906–1987) gehören in Norwegen zum Kanon des politisch-literarischen Feminismus zwischen Klassen- und Geschlechterkampf. Ihr Roman «Nichts wächst im Mondschein» kommt langsam in Gang, entwickelt dann aber einen mächtigen Sog.
Die Lektüre dieses frühfeministischen Klassikers von 1947 könnte noch packender sein, wäre da nicht die sehr hölzern gezimmerte Rahmenhandlung: In einer norwegischen Hafenstadt erzählt ein Mann von seiner nächtlichen Begegnung mit einer Frau, die schnurstracks mit ihm nach Hause geht und dem Wildfremden ihre Lebensgeschichte erzählt. Sie redet wasserfallartig eine ganze Nacht und einen halben Tag lang, über ihr existenzielles Strampeln als Tochter einer Bergarbeiterfamilie, ihren Liebeskummer und in drastischen Details auch über ihre ungewollten Schwangerschaften. Danach verschwindet sie aus der Wohnung des überrumpelten Zuhörers und eigentlichen Erzählers, der sie jetzt schon «seit dreizehn Tagen» vergeblich sucht.
Elementarer Sog
Die Werke von Torborg Nedreaas (1906–1987) gehören in Norwegen zum Kanon des politisch-literarischen Feminismus zwischen Klassen- und Geschlechterkampf, besonders durch den Kultroman «Nichts wächst im Mondschein», der auch verfilmt und in viele Sprachen übersetzt wurde. Auf Deutsch erschien er erstmals 1972, bezeichnenderweise in der DDR, und nun gibt es ihn in einer Neuübersetzung von Gabriele Haefs, die mit effizienter Trockenheit die proletarische Frauennot überträgt, aber freilich die holzschnittartige Erzählsituation des Originals nicht verändern kann.
Das Roman-Vehikel kommt nur langsam in Gang mit seiner schematischen Erzählung in der Erzählung, und dass dabei sogar das Vorbild Boccaccio herbeizitiert wird, macht es nicht besser. Doch nach einer etwas mühsamen ersten Hälfte nimmt das Buch endlich Fahrt auf und erzeugt einen elementaren Sog aus den Widrigkeiten eines Frauenlebens zwischen Geld- und Liebesnot. Die jetzt 38-jährige namenlose Frau erzählt, wie sie mit Mühe jenem Bergarbeitermilieu entkam, wo die Männer an «Staublunge» und die Frauen «an Erschöpfung oder Krankheiten des Unterleibs» sterben.
Aber auch sie wird diesem Jammertal nie ganz entkommen, denn als junges Mädchen verliebt sie sich heillos in ihren Lehrer, einen kreuzbraven Mann, der schnell zum fiesen Spiesser wird, als er von ihrer Schwangerschaft erfährt. Er bezweifelt seine Vaterschaft, gibt ihr aber Geld für eine illegale Abtreibung, doch ihre erbitterte Liebe zu ihm lässt sich nicht so leicht wegmachen, das ist nicht so einfach wie «ein Ausschaben der Gebärmutter». Sie lässt nicht locker, umgarnt ihn erneut und wird wieder schwanger, bevor er sie endgültig verlässt und eine gute Bürgerstochter heiratet.
Rasende Angst
Die verzweifelte junge Frau begnügt sich vorübergehend mit einem tristen Handlungsreisenden, schliesst Freundschaft mit einem anderen Sonderling, dem alkoholkranken Kommunisten und Organisten des Ortes, «einem verbitterten Vorkämpfer für die Verdammten dieser Erde». Gelegentlich hat sie auch Kontakt zu ihrer Familie; ihr kleiner Bruder ist nun «ein freudloser Schwerarbeiter von vierzehn Jahren»; ihre Schwester ist mittlerweile auch «einen Fötus losgeworden». Von da an dreht sich ihr Leben vor allem um das Unglück in ihrem Bauch, in dem «ein kleiner Tyrann» sitzt.
Das letzte Viertel des Romans «Nichts wächst im Mondschein» hat es dann in sich. Da wird der Erzählrhythmus diktiert vom Rückblick der Frau auf ihre rasende Angst vor neuen Schwangerschaften und davor, den eigenen Körper übel zu traktieren. Also «mir Gewalt antun müssen. Oder mir das Leben nehmen.» Schliesslich geht sie dann auf ihre Art zu Werke, «die Mordwaffe, eine Stricknadel», mit der sie «die richtige Stelle» finden muss und, nach «mehr, mehr, mehr pressen, eine neue Stelle finden» soll, auch diesmal «sicher nicht die richtige». So geht es einige Seiten lang – und kein klappriger Erzählrahmen und kein klassenkämpferischer Schmus können mehr die Wucht und die Erschütterung dieser Geschichte ruinieren.
Vor fast achtzig Jahren musste der Roman besonders schockieren, aber auch heute noch gibt er zu denken über die Ungerechtigkeit der Biologie oder der Schöpfung, über die miese Verteilung gewisser Verantwortungen im Menschengeschlecht.
Torborg Nedreaas: Nichts wächst im Mondschein. Roman. Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs. Luchterhand-Verlag, München 2025. 304 S., Fr. 33.90.