Mittwoch, April 2

Antipersonenminen zählen zu den furchtbarsten Waffen. Doch einige Nachbarn Russlands sehen angesichts der Bedrohung aus Osten keine andere Wahl mehr, als mit Minen aufzurüsten.

Landminen sind eine grausame Waffe, sie verwunden alle, die auf sie treten. Bei ihrer Explosion können sie Füsse und Beine abreissen, ihre Splitter innere Organe verletzen.

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Minen können sowohl Soldaten als auch Zivilisten verletzen, vor allem, wenn ihre Lage nicht markiert oder der Krieg bereits vorbei ist. Deshalb hat sich die grosse Mehrheit der Staatenwelt einem völkerrechtlichen Verbot angeschlossen: Seit 1999 ist die Ottawa-Konvention in Kraft, in der sich 160 Länder dazu verpflichten, keine Antipersonenminen mehr einzusetzen.

Doch nun zeichnet sich ein Umdenken ab. Polen und die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, die alle vier an Russland grenzen, haben den Austritt aus dem Abkommen angekündigt. In einer gemeinsamen Mitteilung begründen die Länder den Entscheid Mitte März damit, dass sich die Sicherheitslage in der Region fundamental verschlechtert habe. Die Länder wollen sich gegen einen möglichen Angriff Russlands wappnen. Litauens Verteidigungsministerin Dovile Sakaliene sagte: «Wir müssen uns bis zu den Zähnen bewaffnen – und zwar schnell.»

Minen gegen Russland

Polen, das direkte Grenzen mit Russland und Weissrussland hat, betrachtet die Aufrüstung mit Landminen als Teil seines «Ostschilds», der das Land gegen Russland schützen soll. Das Land hat bereits Antipanzerminen, deren Einsatz in der Ottawa-Konvention nicht geregelt ist. Nun soll die Ostflanke des Landes zusätzlich mit Antipersonenminen abgesichert werden, die bisher verboten waren. Pawel Bejda, Staatssekretär im polnischen Verteidigungsministerium, gab bekannt, dass Polen bis zu einer Million dieser Minen beschaffen wolle.

Landminen – sowohl gegen Personen als auch gegen Panzer – können ein entscheidendes Mittel sein, um den Vormarsch einer Armee zu stoppen, weil sie die Durchquerung des verminten Gebiets aufwendig und verlustreich machen. Gerade für Länder, die wenige geografische Hindernisse wie Berge haben, kann das taktisch sinnvoll sein. Das könnte bei allen vier Ländern Teil der Überlegung sein, warum das Abkommen gekündigt wird.

Im Ukraine-Krieg werden bereits Antipersonenminen eingesetzt. Russland hat die Ottawa-Konvention gar nie unterschrieben. Die Ukraine scheint Antipersonenminen trotz dem Abkommen zu nutzen, das haben Nichtregierungsorganisationen dokumentiert.

Demonstration der Einigkeit

Ob die Minen tatsächlich in allen vier Ländern zum Einsatz kommen werden, ist noch unklar. Lettland und Estland haben sich zurückhaltender geäussert als Polen. Der Chef des lettischen Verteidigungskorps, Kaspars Pudans, sagte vor einigen Wochen, dass der Fokus Lettlands weiterhin auf Antipanzerminen und Artilleriegranaten liegen werde. Der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur sagte: «Wir haben derzeit keine Pläne, Antipersonenminen zu entwickeln, zu lagern oder einzusetzen.»

So ist der Entscheid der vier Staaten für den Moment in erster Linie wohl eine Demonstration der Einigkeit. «Wir senden eine klare Botschaft: Unsere Länder sind bereit zur Verteidigung unseres Territoriums und unserer Freiheit», schreiben die vier Staaten zusammen. Der lettische Verteidigungsminister Andris Spruds bezeichnete den Entscheid als wichtigen Schritt zu einer «gemeinsamen baltischen Verteidigungslinie».

Der Einsatz von Landminen war in vergangenen Konflikten oft wichtig. In Vietnam, Afghanistan oder Korea sind die Folgen bis heute spürbar: Manche Gebiete sind noch immer stark vermint. Wo die Minen liegen, ist oft unbekannt. Das macht es schwierig, sie zu entfernen, und sorgt immer wieder für zivile Opfer. 80 Prozent der Minenopfer weltweit sind Zivilistinnen und Zivilisten, überdurchschnittlich oft werden Kinder verletzt.

Möglich ist, dass die Konsequenzen eines erneuten Mineneinsatzes weniger gravierend sein werden als in vergangenen Konflikten. Eine sorgfältige Kartografierung des Minengebiets erleichtert es Staaten, die Gebiete nach dem Konflikt wieder zu sichern. Ausserdem werden laufend neue Antipersonenminen entwickelt, die sich teilweise nach einigen Jahren selber entschärfen.

Trotzdem ernteten Polen und die baltischen Staaten für ihren Entscheid zum Teil Kritik. Norwegens Aussenminister Espen Barth Eide sagte: «Abrüstungsübereinkommen sind in Zeiten von Konflikten besonders wichtig. Diese Waffen haben keinen Platz in der modernen Kriegsführung.»

Bis zum definitiven Austritt aus dem Abkommen müssen noch die Parlamente der vier Länder zustimmen. Weitere Länder könnten folgen – Finnland beispielsweise hat dies bereits angekündigt.

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