Laut einem Medienbericht soll Präsident Trump erwägen, fast alle amerikanischen Soldaten abzuziehen. Doch es gibt gute Gründe, warum das vermutlich eher eine Drohung sein dürfte.
Wie schon in der ersten Amtszeit von Donald Trump steht möglicherweise erneut ein Abzug von in Deutschland stationierten US-Truppen zur Debatte. Der britische «Telegraph» berichtet, der neue Präsident erwäge angeblich, die Soldaten nach Ungarn zu verlegen. Es soll sich laut dem Bericht um 35 000 Militärangehörige handeln. Das wären nahezu alle noch in Deutschland verbliebenen Soldaten.
In seiner ersten Amtszeit hatte Trump den Abzug von 12 000 US-Soldaten aus Deutschland angekündigt. Dazu war es aber nicht gekommen. Nach der Übernahme der Präsidentschaft durch Joe Biden stockten die Amerikaner die Truppen in Europa sogar auf, allerdings nicht zuletzt in Polen, wo die USA einen Stützpunkt unterhalten, über den sie bisher die militärische Unterstützung der Ukraine abwickelten.
Ohnehin deutet vieles darauf hin, dass die Erwägung, die Truppen aus Deutschland abzuziehen und in Ungarn zu stationieren, eher eine leere Drohung sein dürfte. Das hat schon praktische Gründe. Die meisten US-Stützpunkte in der Bundesrepublik sind nicht eben so ersetzbar.
Der grösste Luftwaffenstandort ausserhalb der USA
Die US-Truppen in Deutschland verteilen sich auf elf Hauptstandorte, der Grossteil davon liegt in Rheinland-Pfalz. Dort gibt es den grössten amerikanischen Luftwaffenstandort ausserhalb der USA. Er befindet sich in Ramstein in der Nähe von Kaiserslautern. Über diese logistische Drehscheibe werden seit Jahrzehnten Soldaten und Material von Übersee eingeflogen, um sie von dort aus weiter auf Einsatzgebiete und Auslandsstützpunkte in aller Welt zu verteilen.
Ramstein ist eine eigene kleine Stadt. Dort arbeiten 9000 Menschen, die meisten von ihnen Soldaten. Auch wenn es sich um deutsches Territorium handelt, geniesst die Air Base wie eine ausländische Botschaft Immunität. Selbst deutsche Polizisten und Politiker benötigen eine Zustimmung des örtlichen Kommandeurs, um den Stützpunkt betreten zu können.
Auch für die Nato hat Ramstein eine grosse Bedeutung. Dort befindet sich das Kommando der Allianz zur Führung von Luftstreitkräften. Dazu zählt auch die Raketenabwehr der Nato.
In den Jahren des «Krieges gegen den Terror» spielte Ramstein eine herausragende Rolle für die US-Kampfeinsätze im Irak und in Afghanistan. Hunderttausende Truppen, Waffen, Ausrüstung und Versorgungsgüter wurden über diesen Stützpunkt in die Einsatzgebiete geschafft. Ausserdem fungiert Ramstein als Flugleitzentrale und Fernmelde-Relaisstation, um Drohnen etwa im Nahen Osten oder in anderen Regionen aus den USA zu steuern.
Verfahren gegen US-Drohneneinsätze
Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe läuft derzeit ein Verfahren gegen diese Praxis. Die Beschwerdeführer sind zwei Jemeniten, deren Verwandte 2012 bei einem amerikanischen Drohneneinsatz getötet wurden. Sie argumentieren, auch Deutschland trage dafür Verantwortung, weil der Datenstrom über Ramstein laufe. Ihre Klage wurde 2020 vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen. Es entschied, dass die Bundesregierung nicht genauer überprüfen muss, ob die Einsätze mit dem Völkerrecht im Einklang stehen. Daraufhin zogen die Jemeniten vor das Verfassungsgericht.
Der Stützpunkt in Ramstein ist in den vergangenen Jahren immer wieder ausgebaut und modernisiert worden. In der Umgebung leben Tausende amerikanische Soldaten und Zivilbeschäftigte mit ihren Familien. Ihre medizinische Versorgung findet seit Jahrzehnten ebenfalls in der Region Kaiserslautern statt.
Die Militärklinik Landstuhl war schon früher das grösste Hospital der US-Streitkräfte ausserhalb der USA. Nun aber entsteht im nahe gelegenen Weilerbach eine neue, noch grössere Klinik. Laut Angaben der Bundesregierung beteiligt sich Deutschland mit mehr als 100 Millionen Euro an dem Neubau. Das Hospital soll künftig nicht nur die 50 000 in der Bundesrepublik stationierten US-Militärangehörigen und ihre Angehörigen versorgen, sondern auch die rund 200 000 Soldaten in Einsätzen und an anderen Standorten in Europa, im Nahen Osten und in Afrika.
Essenzielle Bedeutung für die Sicherheit der USA
Im Sommer 2020 hatte Trump eine massive Reduzierung der in Deutschland stationierten Truppen angekündigt. Er begründete das damit, dass Deutschland nicht genug für seine Verteidigung zahle. Der frühere Oberbefehlshaber der US-Landstreitkräfte in Europa, Ben Hodges, kritisierte die Pläne damals scharf. Er sprach von einem «kolossalen Fehler». Die Entscheidung illustriere, dass Trump nicht verstanden habe, wie essenziell die in Deutschland stationierten US-Truppen für die Sicherheit Amerikas seien.
Es sind allerdings nicht nur die Air Base und das Militärhospital in der Region Kaiserslautern, die für die US-Truppen in Deutschland von Bedeutung sind. In Stuttgart etwa befinden sich zwei Kommandos, über die seit langem amerikanische Einsätze geführt werden. Das European Command ist für alle US-Militäroperationen in Europa sowie in Teilen des Nahen Ostens und Asiens zuständig. Das Africa Command koordiniert die amerikanischen Operationen auf dem afrikanischen Kontinent.
Zudem befindet sich in Wiesbaden das Hauptquartier des US-Heeres für Europa und Afrika, ausserdem das Kommando der zweiten von weltweit insgesamt fünf geplanten Multi-Domain Task Forces. Dieser Verband soll auch über bodengestützte konventionelle Mittelstreckenwaffen verfügen, die nach einer Vereinbarung zwischen dem Ex-Präsidenten Joe Biden und dem Noch-Kanzler Olaf Scholz ab dem kommenden Jahr in Deutschland stationiert werden sollen. Mit diesen Waffen sollen gegnerische Hochwertziele, etwa Flug- und Raketenabwehrstellungen, Radarsysteme und Kommandopunkte, ausgeschaltet werden können.
Die Stützpunkte in Stuttgart und Wiesbaden wurden in den vergangenen Jahren aufwendig modernisiert. Kommandozentralen, abhörsichere Gebäude, Kommunikationsanlagen, Wohngebäude und Freizeitmöglichkeiten, das alles lässt sich nicht eben so nach Ungarn verlagern, sondern müsste dort neu aufgebaut werden. Das kostet viel Geld und dauert lange. Die Strukturen des US-Militärs in Deutschland sind in Jahrzehnten enger Kooperation auf einem Niveau angekommen, das trotz allen politischen Meinungsverschiedenheiten der vergangenen Jahre einen amerikanischen Totalabzug stets verhinderte.
Vor vierzig Jahren waren es noch 250 000 Soldaten
Allerdings hatten die USA in Deutschland früher weit mehr Soldaten stationiert. 1985, gut fünf Jahre vor dem Mauerfall, waren es noch gut eine Viertelmillion Militärangehörige. Bis Dezember 2018 sank ihre Zahl auf 35 000. Die letzte aktuelle Angabe über die Grösse des Truppenkontingents in Deutschland stammt aus dem Juli 2023. Nach Angaben des Bundestags lag sie damals bei 38 000.
Laut dem Bericht des britischen «Telegraph» beabsichtigt Trump, 35 000 Soldaten abzuziehen. Demnach blieben 3000 Soldaten übrig. Die Frage wäre, welche Konsequenzen das hätte. Räumen die US-Streitkräfte dann ihren grössten Militärflugplatz und ihr grösstes Hospital ausserhalb der Vereinigten Staaten? Verlassen sie mit Grafenwöhr in Bayern einen ihrer modernsten und grössten Übungsplätze? Ziehen sie dann ihre Kampfflugzeuge aus Spangdahlem und ihre Helikopter aus Ansbach ab?
Bis anhin existieren lediglich vage Andeutungen. Eine konkrete Ankündigung stehe zwar nicht unmittelbar bevor, so zitiert der «Telegraph» eine Quelle im amerikanischen Sicherheitsapparat. Aber das US-Militär erwäge stets die Verlegung von Truppen in der ganzen Welt, «um aktuellen Bedrohungen unserer Interessen am besten begegnen zu können».