Der Kanton Zürich erlebte am Donnerstag ein Glocken-Schisma. Da kam die Wahl von Papst Leo XIV. gerade recht.

Die Glocken haben am Dienstagabend den Frieden verkündet. Die Worte unserer Bundesräte, die vom Radio über das ganze abendliche Land getragen wurden, mahnen uns, am Werk des jungen Friedens mit dankbarem Eifer mitzubauen. Wir werden diese Worte in die neue Zeit des Heilens und Aufbauens mitnehmen:

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«Mitten in einem Europa, wessen Gestalt für uns noch im Dunkeln liegt, soll die Schweiz ein Beispiel dafür sein, dass auch ein kleines Land helfen und grossmütig sein kann.»

So klang es, als die Schweizer Filmwochenschau im Mai 1945 über die Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs berichtete. Die Aufnahmen zeigen jubelnde Menschen auf den Strassen, zu hören sind der Schweizerpsalm und die Marseillaise. Die weihevollen Worte von Bundespräsident Eduard von Steiger waren von Glockengeläut begleitet. Die Kirchenglocken läuteten damals im ganzen Land.

Als Corine Mauch die Kirchen bewegte

Und heute, zum 80. Jahrestag des Endes der Kampfhandlungen in Europa?

In der Stadt Zürich blieben die Glocken stumm. Vor zehn Jahren war das noch anders. Damals läuteten sie in der ganzen Stadt. Die Idee dazu hatte Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP).

Pünktlich um 16 Uhr 45 erinnerten die Gotteshäuser damals an den historischen Moment, als in den umliegenden Ländern nach über sechs Jahren Tod, Zerstörung und Vertreibung endlich die Waffen schwiegen. So auch die bekanntesten Kirchen der Altstadt: Fraumünster, St. Peter, Grossmünster und Wasserkirche, unter bedrohlich tief hängenden Wolken, wie ein Video von 2015 zeigt.

Zehn Jahre später hält sich die Zwinglistadt zurück. Kein Glockengeläut, keine Gedenkideen von hochrangigen Politikern, dafür Flaggen des Roten Kreuzes, die am Seebecken bei der Quaibrücke gehisst wurden. Es ist der internationale Tag der Hilfsorganisation, zu Ehren von Henri Dunant. Der Gründer des Roten Kreuzes wurde am 8. Mai 1828 in Genf geboren. Das Kriegsende indes wird still begangen. In der katholischen Kirche St. Peter und Paul in Aussersihl etwa gedachte man am Donnerstag im Rahmen des täglichen Gottesdienstes der Millionen Opfer des von Hitlerdeutschland entfachten Weltenbrands.

Innehalten hier, weitermachen da

Am rechten Seeufer hingegen wollten Kirchenvertreter ein deutlicheres Zeichen setzen für den (fragilen) Frieden in Europa. In Zollikon, Küsnacht, Erlenbach, Herrliberg und den weiteren Gemeinden des Bezirks Meilen läuteten die Kirchenglocken eine Viertelstunde lang, von 16 Uhr 45 bis 17 Uhr. Aus Dankbarkeit, dass die Schweiz weitgehend verschont geblieben sei. «Und in der Hoffnung auf einen gerechten Frieden in der Ukraine, im Nahen Osten und in anderen Konfliktregionen der Welt», wie zum Beispiel die reformierte Kirche Küsnacht auf ihrer Website schreibt.

Initiiert hatte die Aktion der Männedorfer Pfarrer Achim Kuhn. Seine Kollegen im Bezirk zogen mit, mehrere katholische Kirchgemeinden am rechten Ufer ebenfalls. Der Glockenklang solle zum Nachdenken anregen, sagte Kuhn gegenüber den Tamedia-Zeitungen.

Ein Glocken-Schisma tat sich auf: innehalten am rechten Ufer, weitermachen in der Stadt Zürich und in den übrigen Regionen des Kantons. Hat der Zweite Weltkrieg in der kollektiven Erinnerung an Bedeutung verloren?

Habemus papam!

Die reformierte Kirchgemeinde Zürich teilt auf Anfrage mit, dass flächendeckendes Glockenläuten von oben anzuordnen wäre – also von der Zürcher Landeskirche oder gar von der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. Der Sprecher der Landeskirche wiederum weist darauf hin, dass der Zürcher Kirchenrat keine Empfehlung ausgesprochen habe, die Glocken läuten zu lassen zum Gedenken an den 8. Mai 1945.

Womöglich wollte man es nicht übertreiben. In der Corona-Pandemie (2021) und aus Protest gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine (2022) hatte es bereits ähnliche Aktionen gegeben. Damals läuteten die Kirchenglocken im ganzen Land. Hinzu kommen praktische Überlegungen. Man hätte den Menschen rechtzeitig vermitteln müssen, warum die Kirchenglocken läuteten, heisst es aus reformierten Kreisen.

Was das angeht, konnte man am Donnerstagabend tatsächlich den Überblick verlieren. Um viertel vor fünf läuteten die Glocken der reformierten und vieler katholischer Kirchen im Bezirk Meilen. Später erklangen die Glocken in der Stadt Zürich und den übrigen Gemeinden des Kantons doch noch. Und zwar um 19 Uhr 23, als sich der frisch gewählte Papst Leo XIV. auf der Loggia des Petersdoms in Rom den Gläubigen präsentierte – und die katholischen Kirchen ihm zujubelten, wenn man so will. Die Schweizer Bistümer waren angewiesen worden, diesen Moment mit Glockengeläut und Gebeten zu begehen.

Was für ein Tag!

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