Donnerstag, Mai 15

Am Personaldienstleister scheiden sich die Geister. Von The Market befragte Fondsmanager erklären, weshalb sie von dieser zyklischen Aktie die Finger lassen oder warum sie ausgerechnet jetzt, in einem unsicheren Umfeld, eine Wette darauf als reizvoll erachten.

Am Donnerstag vor einer Woche haben die leidgeprüften Aktionäre von Adecco etwas Hoffnung schöpfen dürfen: Laut Zwischenbericht sank zwar der Umsatz im ersten Quartal um 3%, und das relevante Betriebsergebnis auf Stufe Ebita (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Amortisation) ging um 16% zurück – doch die Zahlen waren besser als vom Markt erwartet.

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Das hat gereicht, um den Aktienkurs des weltweit zweitgrössten Personaldienstleisters gleichentags fast 12% steigen zu lassen. Ein Grund für den Sprung mag sein, dass Leerverkäufer, die auf fallende Kurse wetten, offene Positionen geschlossen haben: Die Adecco-Titel figurieren seit einiger Zeit unter den zehn am meisten leerverkauften Schweizer Aktien.

Die Short-Seller werden gute Geschäfte gemacht haben: Die Adecco-Aktien kennen, unter den für ein zyklisches Unternehmen typischen Kursschwankungen, vor allem eine Richtung – nach unten. Seit dem Höchst von 151.60 Fr. im April 2000 bis zum Tiefst von 19.67 Fr. im letzten April haben sie 87% verloren.

Dividendenregel ausser Kraft

In diesem Jahr hat Adecco zudem eine für die Aktionäre bedeutsame Regel ausser Kraft setzen müssen: Bis dahin hatte gegolten, dass die Dividende mindestens so hoch wie im Vorjahr ausfallen sollte. Nun gab es eine Kürzung um 60%: Im April sind noch 1 Fr. je Titel gezahlt worden, nach 2.50 Fr. im Vorjahr. In der angepassten Dividendenpolitik verzichtet Adecco darauf, einen Boden resp. eine Mindestklausel anzugeben.

Zu Monatsbeginn hat auch die ManpowerGroup, hinter der niederländischen Randstad und Adecco die Nummer drei in der Branche, eine drastische Kürzung der Ausschüttung angekündigt: Die halbjährliche Dividende wird von 1.54 auf 0.72 $ je Aktie mehr als halbiert – diese Massnahme des US-Konkurrenten setzte die Titel von Adecco nochmals unter Druck.

Daniel Lenz, Manager des Schroder (CH) Swiss Small & Mid Cap Fund, hat in den vergangenen zwanzig Jahren mehrfach einen Einstieg bei Adecco geprüft: «Doch das Unternehmen scheint es einfach nicht zu schaffen, Wert für die Aktionäre zu generieren.» Mindestens längerfristig nicht, auf kürzere Sicht könne der Aktienkurs während einer Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds stark nach oben ausschlagen.

Eine weitere Herausforderung

Selbst freundlich gesinnte Investoren zählen Adecco nicht zu den Qualitätsunternehmen. Denn das Geschäftsmodell ist schwierig und teils umstritten. Die Gruppe bietet vielfältige Personaldienstleistungen an, drei Viertel des Umsatzes macht sie aber mit der Vermittlung von Temporärstellen.

Zurzeit beschäftigt die Frage die Gemüter, inwieweit der Einsatz von künstlicher Intelligenz das Geschäft beeinträchtigen könnte. Adecco geht das Thema aktiv an. So hat sie im März mit dem US-Softwarekonzern Salesforce ein neues Unternehmen gegründet, das KI-gestützt Kunden bei ihrem Personaleinsatz sowie der Personalplanung und der -verwaltung assistieren soll.

Fondsmanager Lenz ist der Meinung, dass das Geschäft für die grossen Personaldienstleister mit KI und anderen Hilfsmitteln nicht einfacher wird. «Doch schon vor KI konnte sich Adecco in ihrem Markt keinen Wettbewerbsvorteil erarbeiten.» Das hänge auch damit zusammen, dass die Industrie sehr fragmentiert sei. Immer wieder ist zu vernehmen, dass die Eintrittsbarrieren für Mitbewerber tief lägen.

Eine Zukunft mit künstlicher Intelligenz

BWM Value Investing ist mit ihren Classic-Fonds investiert in Adecco und den punkto Börsenwert nur ein Zehntel so grossen US-Mitbewerber Kelly Services. Partner und Portfoliomanager Georg von Wyss sagt, er höre immer wieder, dass die Personalvermittlung keine Zukunft habe. Doch es gebe einen Bedarf für das Angebot, Jobsuchende und Jobanbieter zusammenzubringen, und KI werde es nicht überflüssig machen.

Er sieht in der künstlichen Intelligenz einfach eine weitere technologische Entwicklung und eine zusätzliche Herausforderung, ähnlich derjenigen, wie sie Adecco etwa bei der Einführung des PC zu meistern hatte. Der Einsatz von KI biete den Personalvermittlern eine Möglichkeit, ihre Effizienz zu erhöhen.

Harter Wettbewerb im Stammgeschäft

Zustimmen kann von Wyss der Aussage, dass die Eintrittsbarrieren in diesem Markt tief sind, mindestens im lokalen Geschäft mit kleineren und mittleren Kunden (KMU). Wer die internationalen Grosskonzerne bedienen wolle, müsse aber eine gewisse Grösse mitbringen. In diesem Segment gebe es Hürden für Mitbewerber.

Das Problem ist: Alle grossen Personalvermittler buhlen um das Geschäft mit den Grosskonzernen. Der Wettbewerb ist sehr intensiv und der Margendruck enorm hoch, vorab in der Vermittlung von Temporärstellen. So erklärt es sich, dass die grossen Anbieter einst im wichtigen Markt Frankreich versuchten, Informationen über die Preisgestaltung bei Grosskunden auszutauschen. Adecco wurde dafür 2009 mit einer Busse von 34 Mio. € belegt.

Adecco hat immer wieder versucht, die Abhängigkeit vom knallharten Geschäft mit den Grosskunden zu verringern. Laut von Wyss von BWM teilt sie «periodisch» mit, im lokalen Geschäft mit den KMU, das höhere Margen erlaubt, expandieren zu wollen.

Drückende Schuldenlast nach Übernahme

Auch wurde versucht, mit Übernahmen das Dienstleistungsangebot auszubauen und die Margen zu verbessern, mit zweifelhaften Ergebnissen. Wie Fondsmanager Lenz von Schroders festhält, hat Adecco «teuer akquiriert, aber damit auch keinen Wert für die Aktionäre geschaffen».

Beispielhaft dafür steht die 2022 vollzogene Übernahme des Beraters Akka Technologies im Wert von 2 Mrd. €. In Kombination mit der Adecco-eigenen Sparte Modis entstand daraus die Einheit Akkodis, die führend in der Technologie- und der Digital-Engineering-Beratung ist.

Die Integrationsarbeiten waren schwierig und kostspielig. Vor allem hat sich Adecco mit dem teuren Zukauf eine drückende Schuldenlast aufgebürdet: Ende 2024 betrugen die Nettoschulden 2,48 Mrd. € oder das 2,8-Fache des bereinigten Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation). Lenz beurteilt die Bilanzqualität als «unterdurchschnittlich», ins Auge sticht ihm neben den Schulden der hohe Goodwill, der den für Übernahmen bezahlten Aufpreis wiedergibt.

Die Schuldenlast ist, neben der rückläufigen Gewinnentwicklung, der Grund für die Kürzung der Ausschüttung. Sogar Aktionäre haben sich dafür eingesetzt: BWM habe in der Rolle als Investor einen Brief an Adecco geschickt mit der Aufforderung, die Dividende zu kürzen, sagt von Wyss.

Die Schuldenlage bereitet ihm gewisse Sorgen. Bei einer normalen Konjunkturentwicklung sei sie bewältigbar. «Doch wenn die Welt in eine wirtschaftliche Abschwungphase hineinläuft, könnte es für Adecco problematisch werden.»

Führung zu wenig streng?

Angesichts der Entwicklung bleibt die Frage nach der Qualität der Unternehmensführung. Im Geschäft von Adecco ist es schwierig, sich als Manager Lorbeeren zu holen. Von Analysten und Investoren geschätzt wurde früher das Duo mit CEO Patrick De Maeseneire und Finanzchef Dominik de Daniel. Doch ihr Bemühen, die Margen zu verbessern, ging zulasten des Wachstums. Bei ihrem Abgang im Sommer 2015 war Konkurrent Randstad umsatzmässig schon um einiges nähergerückt.

Seit Juli 2022 agiert Denis Machuel als CEO. Unter ihm hat Adecco wieder Marktanteile gewonnen, liegt beim Umsatz aber noch etwas hinter Randstad zurück.

Der Franzose mache vieles richtig, urteilt von Wyss. Das Topmanagement gehe aber wohl nicht mehr mit der Strenge vor wie das Duo De Maeseneire und de Daniel. So habe man im Markt Frankreich, wo zuletzt 18% des Umsatzes anfielen und die Kosten zu hoch waren, zu lange zugeschaut, bevor man eingegriffen habe. Erst Ende 2024 wurde dort das Management ausgewechselt.

Mehr Konsequenz wünscht sich von Wyss auch im Umgang mit einer anderen erfolglosen Übernahme: 2018 wurde das auf digitale Schulung spezialisierte Jungunternehmen General Assembly für 413 Mio. $ erworben. Es bildet bei Adecco einen Teil der Einheit LHH, passt aus Sicht des BWM-Portfoliomanagers aber nicht ins Gefüge: Gemäss seinen Analysen liessen sich Kosten von etwa 40 Mio. Fr. einsparen, würde General Assembly geschlossen. Nach seinen Informationen gibt es dagegen aber Widerstand in Adeccos Verwaltungsrat.

Eine Frage der Bewertung

Eine Unternehmensanalyse ergibt ein durchzogenes Ergebnis: Das Geschäftsmodell von Adecco ist herausforderungsreich, den grossen Personaldienstleistern mangelt es an Wachstum, und der Margendruck bleibt hoch. Warum also sollte sich eine Investition in diese Aktien lohnen können?

Für Anton Zahner, Vermögensverwalter bei Artis Partner, ist es «eine reine Bewertungsfrage». Der Value-Investor zählt Adecco ebenfalls nicht zur Kategorie der ausgewiesenen Qualitätsunternehmen. In Relation zur Börsenbewertung ergebe sich für die Anleger aber ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis: Die Aktien würden gemessen an der Konsensgewinnschätzung für 2025 zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis um 11 gehandelt, sagt Zahner. Aus seiner Sicht ist das «sehr günstig», zumal man in Rechnung stellen müsse, dass das Gewinnniveau konjunkturell bedingt noch tief sei.

Auch von Wyss von BWM hält die Adecco-Aktien für «grundsätzlich zu billig». Sie würden unter der wirtschaftlichen Unsicherheit leiden. Genau in solchen Momenten könne für Investoren, die wie er antizyklisch denken und handeln, ein Einstieg reizvoll sein.

Lenz von Schroders sieht nach wie vor von einem Investment in Adecco ab.

The Market ist etwas zwiegespalten: Aufgrund des Geschäftsmodells und der Schuldenlast wurde zu Vorsicht geraten. Doch das Argument der günstigen Bewertung stimmt. Das zeigt letztlich sogar die Dividendenrendite: Trotz der starken Dividendenkürzung beträgt sie infolge des gedrückten Kursniveaus immer noch ansehnliche 4,1%. Gestützt wird die Ansicht, die Aktien seien günstig zu haben, vom Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis, das auf dem inflationsadjustierten Durchschnittsgewinn der vergangenen zehn Jahre basiert: Es liegt gemäss dem Datenanbieter Bloomberg bei rund 10 und damit nahe den historischen Tiefs.

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