Nicht nur Migranten, auch europäische Besucher und Einwohner geraten in den USA in die Mangel der Einwanderungsbehörden. Zwei Deutsche sassen in Abschiebehaft. Ein Franzose wurde womöglich wegen Trump-kritischer Inhalte auf seinem Telefon abgeschoben.
Auch Europäer können sich bei ihrer Einreise in die USA offenbar nicht mehr auf eine humane Behandlung verlassen. Darauf deutet eine Häufung von beunruhigenden Zwischenfällen hin. Ein Beispiel ist etwa Lucas Sielaff. Der Deutsche lebt in einer Fernbeziehung mit der Amerikanerin Lennon Tyler. Kürzlich besuchte er seine Verlobte als Tourist in Las Vegas. Doch im Februar wurde ein mehrtägiger Ausflug mit dem Auto nach Mexiko bei der Rückreise für die beiden zum Albtraum.
Tyler schilderte die Situation am amerikanischen Zoll der Nachrichtenagentur AP am Freitag. Ein Grenzbeamter habe ihren Verlobten in einem aggressiven Ton gefragt: «Wo gehen Sie hin? Wo leben Sie?» Sielaff soll darauf geantwortet haben: «Wir gehen nach Las Vegas.» Worauf die Zöllner gesagt hätten: «Wir haben Sie erwischt. Sie leben in Las Vegas. Das dürfen Sie nicht.»
Auch eine Green Card schützt nicht
Sielaff wurde für eine weitere Befragung abgeführt. Tyler durfte nicht mit ihm gehen, bat aber um einen Übersetzer für Sielaff. Doch stattdessen hätten sie die Beamten aus dem Auto gezogen und mit Handschellen an eine Bank gekettet. Nach einer ganzheitlichen Leibesvisitation verbrachte Sielaff zwei Nächte in einer Zelle am Grenzübergang und wurde dann in ein Haftzentrum in San Diego gebracht. Nach rund zwei Wochen durfte Sielaff mit einem Direktflug nach Deutschland ausreisen.
Es handelt sich dabei indes nicht um einen Einzelfall. Praktisch zur gleichen Zeit war auch die deutsche Tattoo-Künstlerin Jessica Brösche im gleichen Gefängnis in San Diego für sechs Wochen eingesperrt. Sie hatte Tattoo-Geräte im Gepäck, als sie mit ihrer Freundin am 25. Januar vom mexikanischen Tijuana aus nach San Diego zurückreisen wollte. Die Einwanderungsbehörden hatten deshalb offenbar den Verdacht, dass sie in den USA arbeitete, obwohl sie mit einer Esta-Genehmigung für Touristen einreiste. Brösche bezeichnete ihre Zeit in Gefangenschaft als «Horrorfilm». Acht Tage soll sie in Einzelhaft verbracht haben. Aus Verzweiflung habe sie an die Wände geschlagen, bis ihre Knöchel geblutet hätten, erzählte Brösche dem lokalen ABC-Sender. Das Gefängnis hingegen dementierte, dass die Deutsche in Einzelhaft gewesen sei.
Noch immer in Gefangenschaft befindet sich derweil ein dritter deutscher Staatsbürger. Fabian Schmidt kam mit seiner Mutter 2007 in die USA und verfügte über eine gültige Green Card. Trotzdem wurde der 34-jährige Elektroingenieur am 7. März bei der Einreise am Flughafen in Boston verhaftet. Die Beamten hätten ihn danach «brutal verhört», sagt seine Mutter. Laut ihr musste sich Schmidt unter anderem nackt ausziehen und wurde unter eine kalte Dusche gestellt. Gemäss seinem Anwalt wollten die Beamten seinen Mandanten dazu zwingen, seine Aufenthaltserlaubnis aufzugeben. «Es hat ihn derart mitgenommen, dass er in ein Spital gebracht werden musste.» Die Ärzte diagnostizierten eine Grippe und entliessen Schmidt nach einem Tag aus der Pflege.
Sein Anwalt weiss allerdings noch immer nicht, was Schmidt genau vorgeworfen wird. Vor zehn Jahren beging der Vater einer achtjährigen Tochter in Kalifornien eine Ordnungswidrigkeit, als er Marihuana in seinem Auto mitführte. Gemäss seiner Mutter überwand Schmidt eine frühere Alkoholsucht und wurde vor zehn Jahren wegen «Fahrens unter Einfluss» gebüsst. Der amerikanische Grenzschutz bezeichnete die Vorwürfe an die Behörden derweil als «offensichtlich falsch», ohne genau zu erklären warum. «Wenn eine Person mit Bezug zu Drogendelikten gefunden wird und versucht, wieder in das Land einzureisen, werden die Beamten geeignete Massnahmen ergreifen.»
Ähnlich wie den drei Deutschen erging es in den vergangenen Wochen auch einer Britin und einer Kanadierin. Die Waliserin Rebecca Burke bereiste die USA als Rucksacktouristin. Sie verbrachte aber auch Zeit bei einer Gastfamilie und leistete Haushaltsarbeiten für ihre Unterkunft, wobei sie ihre Erlebnisse auf Instagram teilte. Als sie vom Gliedstaat Washington aus zu einer weiteren Gastfamilie nach Kanada reisen wollte, verlangten die kanadischen Behörden offenbar ein Arbeitsvisum und schickten Burke zurück. Am amerikanischen Grenzposten wurde die 28-Jährige verhaftet und bis zu ihrer Rückkehr in ihre Heimat für drei Wochen festgehalten. Gemäss ihrem Vater litt auch seine Tochter in Haft unter «entsetzlichen Bedingungen».
Frankreich sorgt sich um Meinungsfreiheit
Die kanadische Unternehmerin und ehemalige Schauspielerin Jasmine Mooney meinte ihrerseits zu ihrer zweiwöchigen Gefangenschaft: «Ich fühlte mich, als ob ich entführt worden sei.» Sie wollte am Grenzübergang in San Diego offene Fragen zu ihrem Antrag auf ein Arbeitsvisum klären. Nach langen Gesprächen mit den Beamten wurde sie plötzlich verhaftet. Sie verbrachte zwölf Tage in San Diego und in Arizona in Gefängnissen mit teilweise eiskalten Zellen. Von einem Wärter wollte sie zu Beginn wissen, wie lange sie festgehalten würde. «Ich kenne Ihren Fall nicht», antwortete dieser. «Es könnten Tage oder Wochen sein. Aber ich sage Ihnen jetzt: Sie müssen sich mental auf Monate vorbereiten.» Sie habe versucht, ruhig zu bleiben, während alle Fasern ihres Körpers in den Panikmodus geschaltet hätten, schrieb Mooney in einem Erfahrungsbericht für den «Guardian».
Ohne Haft kam ein französischer Wissenschafter davon. Trotzdem scheint sein Fall bemerkenswert. Er wollte kürzlich an einer Konferenz in Houston teilnehmen. Doch nach einer Durchsuchung seines Telefons und seines Computers wurde ihm die Einreise verweigert. Der Weltraumforscher musste zurück nach Europa fliegen. Gemäss französischen Diplomatenkreisen fanden die Grenzbeamten auf seinem Telefon private Nachrichten, in denen er Donald Trump und dessen Politik kritisierte. Angeblich wurde ihm gar mit Ermittlungen des FBI gedroht. Der Grund für die verweigerte Einreise sei die «persönliche Meinung» des Wissenschafters gewesen, sagte auch der französische Forschungsminister Philippe Baptiste.
Washington bezeichnete die französischen Vorwürfe am Freitag als «völlig falsch». Der Wissenschafter habe auf seinen elektronischen Geräten vertrauliche Informationen über das amerikanische Forschungslabor in Los Alamos gespeichert gehabt und damit gegen ein Geheimhaltungsabkommen verstossen, meinte eine Sprecherin des Ministeriums für Innere Sicherheit. Baptiste hielt in einem Interview am Freitag jedoch an seiner Version fest: «Wir sind besorgt.» Jedes Land könne seine Grenzen schützen, wie es wolle. Aber der Fall des Wissenschafters sei «ausserordentlich untypisch».
Das Auswärtige Amt in Berlin hat auf seiner Website derweil die Reisehinweise für Amerika angepasst. Dort heisst es nun: «Vorstrafen in den USA, falsche Angaben zum Aufenthaltszweck oder eine auch nur geringfügige Überschreitung der Aufenthaltsdauer bei Reisen können bei Ein- beziehungsweise Ausreise zu Festnahme, Abschiebehaft und Abschiebung führen.»