Samstag, Oktober 5

Linke Kritiker der Pensionskassenreform wollen die berufliche Vorsorge an die Wand drücken und dafür die AHV massiv ausbauen. Doch ohne Pensionskassen sähe die Altersvorsorge für die Jungen weit düsterer aus.

Der politische Streit zur Pensionskassenreform ist voll von Nebelpetarden. Zu diesen gehört auch die gängige linke Kritik an den Verwaltungskosten in der beruflichen Vorsorge. Laut einem Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle von 2023 betrugen die gesamten Verwaltungskosten der Pensionskassen für 2020 rund 6,8 Milliarden Franken. Ein Viertel davon betraf die Verwaltung im engeren Sinn, wie etwa die Verarbeitung von Mutationen von Versicherten. Der Hauptbrocken mit 5,1 Milliarden Franken betraf die Vermögensverwaltungskosten, zum Beispiel für Fondsgebühren.

Die geschätzten Verwaltungskosten der AHV einschliesslich Kostenbeiträgen von Arbeitgebern und Kosten der Gemeindezweigstellen beliefen sich im gleichen Jahr «nur» auf etwa 550 Millionen Franken. Selbst bei Annahme einer Dunkelziffer läge man noch weit unterhalb der Kosten der Pensionskassen.

So gehört der Verweis auf die Verwaltungskosten der Pensionskassen seit langem zum Standard von linker Kritik an der beruflichen Vorsorge. Das politisch bewährte Prinzip dabei: Will man eine Reform bekämpfen, sagt man am besten, diese nütze nur dem (unbeliebten) «Finanzsektor». So tönt es auch jetzt wieder.

Höhere Nettorenditen

Die gesamten Verwaltungskosten der Pensionskassen machten 2020 etwa 0,6 Prozent der verwalteten Vermögen aus; die Vermögensverwaltungskosten beliefen sich auf 0,46 Prozent. Die Finanzkontrolle nahm keine Wertung zur Kostenhöhe vor. Für einen durchschnittlichen Privatanleger wären Vermögensverwaltungskosten von 0,46 Prozent eher wenig. Die AHV weist dagegen Vermögensverwaltungskosten von nur knapp 0,2 Prozent aus. Gemäss Branchenkennern sind passive Anlagen (Indexprodukte) zu jährlichen Kosten von etwa 0,2 bis 0,3 Prozent gut möglich.

Entscheidend sind aber die Nettorenditen nach Abzug der Vermögensverwaltungskosten. Und hier schneiden die Pensionskassen besser ab als die AHV. Für die Periode 2012 bis 2023 wies die AHV netto eine durchschnittliche Anlagerendite von 2,8 Prozent pro Jahr aus, bei den Pensionskassen waren es im Mittel etwa 4 Prozent.

Hauptgrund für die Differenz: Die Pensionskassen halten einen grösseren Teil ihres Vermögens in relativ risikoträchtigen Anlagen wie Aktien und Immobilien. Solche Anlagen können im Wert stark schwanken, doch im langfristigen Mittel ist die Renditeerwartung höher als etwa bei Anleihen. Die AHV hatte in der Vergangenheit vor allem wegen politischer Unsicherheiten über die Finanzierung der Rentenverpflichtungen oft einen kürzeren Anlagehorizont als die Pensionskassen und hielt deshalb einen höheren Teil ihres Vermögens in weniger rentablen Vehikeln.

Worum es wirklich geht

Bei den Pensionskassen gäbe es wohl noch Verbesserungspotenzial. Aber die linke Kritik an den Verwaltungskosten ist nur vorgeschoben. Im Kern geht es um einen grundsätzlichen politischen Konflikt in der Altersvorsorge. In der zweiten Säule spart man im Prinzip via Lohnbeiträge für sich selber; aus dem angesparten Vorsorgekapital errechnet sich bei der Pensionierung die Jahresrente. Der Jargon spricht von «Kapitaldeckungsverfahren».

Dieses Verfahren schmeckt den Linksparteien nicht, denn es sieht im Prinzip im Unterschied zur AHV keine versteckten Quersubventionierungen von Jung zu Alt und von oben nach unten vor. Solche Quersubventionierungen gibt es zwar auch bei den Pensionskassen, weil die Linke die mathematisch überfällige Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes für die Berechnung der Jahresrenten bisher erfolgreich blockiert hat.

Doch in der AHV sind versteckte Umverteilungen systembedingt und damit leichter zu bewerkstelligen als in der zweiten Säule. In der AHV zahlen die heutigen Erwerbstätigen mit ihren Lohnbeiträgen die heutigen Renten. Der Jargon spricht von «Umlageverfahren», das Motto ist «die Zukunft kümmert uns nicht».

AHV anfällig auf Demografie

Das AHV-System funktioniert gut, solange die Rentenzahlungen nicht schneller wachsen als die Lohnsumme der Beitragszahler. Doch die AHV ist weit stärker als die zweite Säule anfällig auf demografische Schwankungen. Man nehme einmal an, in Periode 1 gebe es 1000 Erwerbstätige und einen Rentner. Diese eine Rente lässt sich locker durch Beiträge der Erwerbstätigen finanzieren.

Doch man nehme weiter an, dass in Periode 2 die 1000 Erwerbstätigen in Rente sind, diese aber fast keine Kinder haben, so dass nun ein einzelner Erwerbstätiger die 1000 Renten finanzieren müsste. Und die 1000 Rentner sagen dem einsamen Erwerbstätigen Folgendes: «Du musst unsere Renten finanzieren, denn so funktioniert nun mal das Umlageverfahren der AHV. Wir haben ja schliesslich auch die Renten unserer Vorgängergeneration finanziert.»

Dieses Illustrationsbeispiel ist natürlich viel zu extrem, doch es trifft die aktuelle Tendenz. Die Lebenserwartung steigt laufend, das ordentliche Pensionierungsalter hingegen nicht. Die Geburtenraten sind seit den späten 1960er Jahren deutlich gesunken, und mit der Pensionierung der zahlenmässig starken Jahrgänge in den kommenden fünfzehn Jahren dürfte sich das Bild noch wesentlich verschlechtern.

Die hohe Einwanderung im Rahmen der Personenfreizügigkeit Schweiz-EU hat in den letzten 15 Jahren den Anpassungsdruck der AHV gelindert, aber nicht voll weggewischt. Und wie lange das Volk das derzeitige Einwanderungsniveau noch akzeptieren wird, steht in den Sternen.

Mehr Steuern für die AHV

Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenbezügern hat sich zahlenmässig schon stark verschlechtert. Seit 2001 ist die Erwerbstätigkeit gerechnet in Vollzeitstellen um 28 Prozent gewachsen, während die Zahl der AHV-Altersrentner um etwa 65 Prozent zulegte. Und die Reallöhne sind in den letzten Jahrzehnten deutlich weniger gestiegen als in der Boomphase der Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Politik reagierte mit zusätzlichen AHV-Subventionen. Seit 1999 fliessen Mehrwertsteuergelder direkt in die AHV, ab 2000 flossen auch Gelder der Spielbankenabgabe ins Sozialwerk, 2007 erhielt die AHV 7 Milliarden Franken aus Goldverkäufen der Nationalbank, 2020 stiegen die Lohnabzüge, der direkte Bundesbeitrag und der Mehrwertsteueranteil für die AHV, und auf 2024 stieg die Mehrwertsteuer erneut.

Das wird wohl so weitergehen, selbst ohne Berücksichtigung der Finanzierung für die neue 13. AHV-Monatsrente. Jede Erhöhung von Lohnabzügen oder Steuern für die AHV geht schwergewichtig zulasten der Jüngeren: Sie müssen diese Zuschläge noch viel länger bezahlen als die Älteren.

Die zweite Säule ist dagegen im Vergleich zur AHV stärker den Schwankungen der Kapitalmärkte ausgesetzt. So betrug der Kapitalstock der AHV Ende 2023 «nur» etwa 40 Milliarden Franken (ohne Darlehen an die IV), während die Pensionskassen total rund 1100 Milliarden Franken verwalteten. Der höhere Vermögensverwaltungsaufwand ist der Preis des Kapitaldeckungsverfahrens. Die Dividende daraus: Die Kapitalerträge tragen im Mittel 30 bis 40 Prozent zur Finanzierung der Pensionskassenrenten bei.

Es gibt Teuerungsausgleich

Oft vergleichen Fachleute die Zunahme der Lohnsumme in der AHV (im Jargon: «biologische Rendite») mit den Kapitalerträgen der Pensionskassen. Bei diesem Renditevergleich haben beide Säulen seit 1948, dem Startjahr der AHV, im Mittel etwa gleich abgeschnitten. Doch betrachtet man nur die letzten zwanzig bis dreissig Jahre, sieht das Bild für die Pensionskassen wegen der demografischen Veränderungen zulasten der AHV deutlich besser aus. Eine solche Tendenz ist wohl auch für die kommenden Jahrzehnte zu erwarten.

Dieser Renditevergleich ist auch eine Antwort auf die so gängige wie irreführende Behauptung, wonach die AHV einen Teuerungsausgleich zahle, die berufliche Vorsorge dagegen nicht. In der Berechnung der Pensionskassenrenten stecken Annahmen über Lebenserwartung und nominale Anlagerenditen. In den Renditeerwartungen ist die Inflation indirekt bereits enthalten.

Von oben nach unten

Nebst der Quersubventionierung zwischen den Generationen hat die AHV einen zweiten grossen Umverteilungskanal: von oben nach unten. Dafür sorgt zum einen die Teilfinanzierung via Steuern. Überdies bringen derzeit AHV-Beiträge auf Lohnteilen über (grob geschätzt) etwa 100 000 Franken den Betroffenen keine zusätzliche Rente; diese Beiträge subventionieren die Renten der Bezüger von tieferen Jahreseinkommen. Bei Letzteren dürften total im Mittel etwa 45 Prozent der Renten verdeckte Subventionen sein.

Wegen dieser versteckten Umverteilung ist die Linke in jeder Lebenslage für einen Ausbau der AHV – und gegen das System der zweiten Säule. Die Umverteilung von oben nach unten bedient die linke Ideologie, und die Umverteilung von Jung zu Alt ermöglicht politische Mehrheiten. Man kann solche Quersubventionierungen wollen, doch ehrlicher wäre die Offenlegung. Für die offene Umverteilung von oben nach unten gibt es die Steuerprogression und Direktzahlungen für Bedürftige. Und wer eine Umverteilung von Jung zu Alt will, sollte ehrlicherweise eine offizielle Jahrgangssteuer fordern. Doch solche Massnahmen wären weit weniger populär als die versteckten Quersubventionierungen.

Was heisst all dies unter dem Strich für den Vergleich AHV/Pensionskassen? Erstens: Eine Kombination beider Systeme ermöglicht wegen der unterschiedlichen Exponierung gegenüber Demografie und Kapitalmärkten eine gewisse Ausbalancierung. Zweitens: Beim Renditevergleich sehen derzeit die Pensionskassen in mehrfacher Hinsicht deutlich besser aus als die AHV. Drittens: Im internationalen Vergleich ist die Schweiz dank dem relativ grossen Gewicht ihres Pensionskassensystems besser bedient als viele andere Länder – dies gilt vor allem aus Sicht der Jüngeren. Und viertens: Wer die Umverteilung von Jung zu Alt und von oben nach unten maximieren will, ohne dies zugeben zu müssen, ist mit der AHV am besten bedient.

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