Die für die Verwaltung des AHV-Fonds zuständige Compenswiss weist für 2023 eine Anlagerendite von rund 5 Prozent aus. Im langfristigen Mittel holen die Pensionskassen mehr Rendite heraus als der AHV-Fonds. Der Hauptgrund: Sie können längerfristiger investieren.
In der AHV zahlen die Erwerbstätigen von heute die Rentner von heute – und die Erwerbstätigen von morgen finanzieren die Rentner von morgen. Im Jargon spricht man vom «Umlageverfahren». In der zweiten Säule der Altersvorsorge (Pensionskassen) spart man dagegen im Prinzip für sich selber: Das während der Erwerbstätigkeit angesparte Alterskapital finanziert nach der Pensionierung die Jahresrente des betroffenen Versicherten («Kapitaldeckungsverfahren»).
Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. In der AHV sind die versteckten Umverteilungen (vor allem von Jung zu Alt und von oben nach unten) weit stärker ausgeprägt. Die AHV ist auch anfälliger auf demografische Veränderungen. Eine weitere Kerndifferenz liegt im Ausmass der verwalteten Vermögen. Die Pensionskassen in der Schweiz verwalten zurzeit angesparte Vermögen ihrer Versicherten von über 1000 Milliarden Franken. Die Erträge aus diesen Anlagen sind nebst den Lohnabzügen eine wichtige Finanzierungsquelle für die Renten. Die AHV verfügt dagegen über ein Vermögen von zurzeit nur rund 50 Milliarden Franken; das Umlageverfahren zur Finanzierung der AHV-Renten erfordert keinen solch grossen Kapitalaufbau wie das Pensionskassensystem.
Fünf Prozent Rendite 2023
Doch selbst für die AHV spielen die Anlageerträge eine gewisse Rolle, können diese doch in einem durchschnittlichen Jahr Zusatzeinnahmen von 500 Millionen bis 1 Milliarde Franken bringen. Zum Vergleich: Die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 verbessert mittelfristig das Jahresergebnis der AHV um etwa 1 Milliarde Franken. Zuständig für die Verwaltung des AHV-Vermögens ist die Bundesorganisation Compenswiss. Sie verwaltet zusätzlich auch die Vermögen der IV und der EO, doch der Löwenanteil der verwalteten Vermögen entfällt auf den AHV-Ausgleichsfonds.
Compenswiss hat laut Angaben vom Dienstag mit den angelegten Wertpapieren 2023 eine Jahresrendite von rund 5 Prozent erreicht. Das ist ein weit besseres Ergebnis als im Vorjahr (Verlust von fast 13 Prozent). Die Finanzmärkte lieferten 2023 unter anderem mit Kursanstiegen vieler Aktien ein deutlich besseres Umfeld als im Vorjahr. Nicht berücksichtigt in dieser ausgewiesenen Rendite sind die rund 10 Milliarden Franken Guthaben der AHV bei der IV (verzinst in den letzten Jahren mit jährlich 0,5 Prozent) und die knapp 3 Milliarden Franken, die Compenswiss zur Sicherstellung der kurzfristigen Liquidität unter anderem auf Bankkonti, bei der Nationalbank und in kurzfristigen Geldmarktpapieren hält (1,5 Prozent Rendite 2023).
Deutliche Renditedifferenz
In den letzten zwölf Jahren (2012 bis 2023) hat Compenswiss mit seinen Wertpapieranlagen netto im Mittel eine Rendite von 2,8 Prozent pro Jahr erreicht. Ein möglicher Vergleichsmassstab zur Einordnung dieses Ergebnisses liefern die Anlagerenditen der Pensionskassen. Daten zum Branchendurchschnitt von 2014 bis 2022 hat die Oberaufsicht der beruflichen Vorsorge, für frühere Jahre liefern Umfragen von Swisscanto eine Annäherung, und für 2023 ist hier der Durchschnitt der Pensionskassenindizes von Credit Suisse und UBS als Vergleichswert genommen.
Auf dieser Datenbasis ergibt sich für die letzten zwölf Jahre eine Durchschnittsrendite der Pensionskassen von 4,5 Prozent pro Jahr. In den meisten Jahren haben die Pensionskassen etwas besser abgeschnitten als die AHV. Mit der Zeit läppern sich diese Unterschiede zusammen: Mit den AHV-Anlagerenditen wurden aus 100 Franken Anfang 2012 bis Ende 2023 knapp 140 Franken, mit den Pensionskassen-Renditen dagegen gut 170 Franken. Dieser Vergleich ist noch relativ gnädig mit der AHV, weil deren Vermögensteil für die kurzfristige Liquiditätshaltung im Unterschied zu den Pensionskassen hier nicht berücksichtigt ist.
Was zählt, ist der Horizont
Die Haupterklärung der Renditedifferenz: Die Pensionskassen halten dank längerfristiger Optik einen grösseren Anteil ihres Vermögens in relativ risikoträchtigen Anlagekategorien wie Aktien, aktienähnlichen Vehikeln und Immobilien. Solche Anlagen können kurzfristig stark schwanken, versprechen aber langfristig höhere Erträge. Die Pensionskassen hielten Ende 2022 im Mittel über 60 Prozent ihrer Anlagen in relativ risikoträchtigen Kategorien, bei den Anlagen von Compenswiss für AHV und Co. waren es nur etwa 40 Prozent. Im Gegenzug lag der Anteil an Anleihen bei der AHV deutlich höher als bei den Pensionskassen.
Wer langfristig anlegen kann, darf im Mittel mit höheren Renditen rechnen. Ein kurzfristiger Anlagehorizont bringt höhere Liquidität, kostet aber Rendite. «Die meisten Pensionskassen rechnen mit einem Anlagehorizont von etwa zehn Jahren», sagt Lukas Riesen von der Zürcher Finanzberatungsfirma PPCmetrics: «Das erachte ich als vernünftige Marke.»
Muss die AHV vor allem wegen ihres Umlageverfahrens mit einem deutlich kürzeren Anlagehorizont investieren? Laut Riesen müsste das Umlageverfahren für sich alleine keine solche Wirkung haben. In einer Hinsicht kann die AHV sogar eine längerfristige Perspektive einnehmen als die Pensionskassen: Die AHV kann erwarten, noch lange zu existieren (sozusagen für die Ewigkeit). Die Pensionskassen müssen mindestens bei Arbeitgebern aus der Privatwirtschaft damit rechnen, dass das betreffende Unternehmen pleitegeht oder wegen Fusionen oder Übernahmen eine Teilliquidation mit rasch erhöhtem Liquiditätsbedarf nötig wird.
Die Kosten der Unsicherheit
Zentral für die AHV-Anlagepolitik sind die Finanzperspektiven, wie Compenswiss-Direktor Eric Breval im Gespräch andeutet. Zurzeit habe man erstmals seit langem einen Anlagehorizont von zehn Jahren, weil laut den aktuellen Finanzperspektiven der Vermögensstand des AHV-Fonds 2035 etwa gleich hoch sein dürfte wie heute (Anstieg in den ersten Jahren, Rückgang danach). In der Vergangenheit lag der Anlagehorizont laut Breval im Mittel dagegen eher bei drei bis fünf Jahren – dies vor allem wegen der politischen Unsicherheiten über die Finanzierung von Rentenverpflichtungen.
Ein Volks-Ja zur Gewerkschaftsinitiative für höhere AHV-Renten brächte gemäss dem Compenswiss-Direktor wieder eine deutliche Zunahme des Liquiditätsbedarfs, weil die Zusatzkosten für die AHV von netto etwa 4 Milliarden Franken pro Jahr zurzeit nicht finanziert wären. Die Dauer des politischen Prozesses zur Finanzierung der Zusatzkosten wäre laut Breval sehr unsicher. Dies hätte die Anlagepolitik zu berücksichtigen – zum Preis tieferer Renditeerwartungen.