Samstag, Januar 11

Seit 50 Jahren führt der Dalton Highway Lastwagen und Pick-ups von Fairbanks nach Prudhoe Bay. Vor allem im Winter bei bis zu minus 50 Grad wird die Fahrt zum Abenteuer. Unterwegs im Geländewagen Ineos Grenadier.

Aus den Kanaldeckeln dampft es. Die Strassen von Anchorage sind spiegelglatt. Kein Wunder, in der Nacht waren es mehr als 20 Grad Minus – und jetzt regnet es plötzlich. Vorsichtig wie Seiltänzer gehen die wenigen Fussgänger über den Asphalt.

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Aber genau solch frostige Verhältnisse haben wir, zwei Schnee-affine Autotester, gesucht. Statt Staub und Moskitos im Sommer oder Schlamm und Regen im Herbst wollen wir knackige Kälte mit viel Eis und Schnee. Ein englischer Geländewagen soll uns beweisen, was moderne Offroader können – und uns zeigen, was Alaska und die Arktis im Winter zu bieten haben. Dazu schiessen Bilder von unberührter Wildnis und unendlichen Weiten in den Kopf.

Wir haben uns dabei gefragt, wie sich ein Auto über einen längeren Zeitraum bei extremer Kälte anfühlt, wie sich Motor, Kühlung, Getriebe, Lenkung, Reifen und die ganze Karosserie im Frostzustand verhalten. Zwar kennen wir Fahrten in den Ski-Urlaub, aber dort herrschen selten Extremtemperaturen von 30 oder mehr Grad unter Null wie in Alaska im Winter.

Unsere Tour führt etwa 1600 Kilometer von Anchorage über Fairbanks, mit Abstecher zu den Chena Hot Springs, über Coldfoot bis nach Deadhorse. Als Begleitung für die Tour haben wir uns einen lupenreinen Geländewagen organisiert, einen Ineos Grenadier, mit BMW-3,0-Liter-Sechszylinder-Benziner, 286 PS, 450 Nm Drehmoment – aber vor allem mit grobstolligen Allterrain-Reifen, LED-Lichtbalken, Winsch, Allradantrieb und Differenzialsperren.

Der Grenadier ist kein blankpoliertes Spielzeug, sondern ein echter Geländewagen fürs pure Funktionieren mit einer Prise Komfort. Und vor allem mit einer starken Heizung.

Wir starten in Anchorage, mit rund 290 000 Einwohnern die grösste Stadt Alaskas, mit einem Flughafen und passender Infrastruktur. Alaska liegt ähnlich wie Hawaii abseits der übrigen US-Staaten. Mit rund 1,1 Millionen Quadratkilometern macht seine Fläche rund 17 Prozent der USA aus und ist 35 Mal grösser als die Schweiz, 20 mal grösser als Deutschland und mehr als doppelt so gross wie der zweitgrösste Gliedstaat Texas.

Alaska bietet Natur pur: mehr als 3000 Flüsse und 3 Millionen Seen. 1867 kauften die USA das Gebiet dem russischen Kaiserreich für 7,2 Millionen Dollar ab, seit 1959 zählt es als 49. Bundesstaat der USA. Rund 730 000 Menschen leben in Alaska, die meisten in Städten wie Anchorage, Fairbanks, Juneau, College und Sitka.

Heisse Quellen und Kalter Krieg

Wir wollen möglichst viel Natur erleben und starten früh morgens. Von Anchorage geht es Richtung Norden auf den Highway 1, Autos und Lastwagen drängeln sich in die Spur, Schnee spritzt zu allen Seiten. Wir biegen auf den Highway 3 nach Westen und folgen der Strasse. Erst ab Trappers Creek wird es leerer. Ein paar Pick-up-Wagen mit grossen Schneepflügen und Lkw ziehen eine lange Gischt hinter sich hier. An Überholen ist gar nicht zu denken.

Eine Wanderung im Denali-Nationalpark fällt heute leider aus – im Winter ist der Park geschlossen. Schade, gilt er doch als einer der schönsten Parks der USA und beherbergt mit dem 6194 Meter hohen Mount Denali den höchsten Berg Nordamerikas.

Wir fahren über Fairbanks Richtung Chena, zu den dort vorkommenden heissen Quellen. Mineralhaltiges Wasser steigt mit 74 Grad Celsius aus der Erde und hüllt morgens die Anlage in dichten Nebel. Seit dem ersten Goldrausch 1905 dient die Quelle erst den Arbeitern, anschliessend den Bewohnern aus Fairbanks und heute Touristen zur Entspannung. Die Hot Pots dampfen, es riecht leicht faulig nach Schwefel. Vorsichtig tauchen wir den grossen Zeh ins heisse Wasser – und ziehen nach wenigen Sekunden den ganzen Körper nach. Herrlich heiss wärmt das Wasser unseren Körper. Was für eine Wohltat.

Eine Stunde entspannen wir, bevor es wieder Richtung Fairbanks geht und anschliessend in den Norden nach Coldfoot. Fairbanks mit seinen rund 30 000 Einwohnern ist die zweitgrösste Stadt in Alaska und lädt nur zum Einkaufen und Tanken ein. In der Kleinstadt, die Goldgräber 1901 gründeten, entstanden während des Zweiten Weltkriegs zwei Militärbasen, wodurch die Stadt schnell wuchs. Ein weiterer Schub kam ab 1975 mit dem Bau der Trans-Alaska-Öl-Pipeline. Wir tanken das Auto randvoll und füllen die Kaffeetassen auf.

Dann verlassen wir die Stadt und fahren über den Steese Highway, halten kurz am Alaska Freighter an, einem besonderen Lkw-Relikt aus Zeiten des Kalten Kriegs, und biegen auf den Dalton Highway ein.

Zügig schaltet die Achtgang-Automatik des Ineos durch die Gänge. Die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h reizen wir aber nicht aus, bleiben brav bei maximal 100 km/h – mehr als genug für die Fahrt auf dem spiegelglatten Dalton Highway.

Vom Ölfluss begleitet in die Arktis

1966 beschloss der Gouverneur von Alaska, Walter J. Hickel, einen neuen Transportweg von Fairbanks in die Prudhoe Bay bauen zu lassen. 1968 begannen die ersten Arbeiten der «Hickel Highway» genannten Strasse, aber sie versank im Frühjahr wieder im Schlamm. 1974 stampften Arbeiter in nur fünf Monaten eine neue Strasse auf den Boden, parallel zur Trans-Alaska-Pipeline, durch die seit Juni 1977 Öl fliesst. Seit 1979 trägt die Fernstrasse den Namen Dalton Highway, benannt nach dem Ingenieur James W. Dalton, der an der Erforschung der Erdölfelder in der Prudhoe Bay beteiligt war. Seit 1981 dürfen Privatpersonen die Strasse nutzen. Keine Fernstrasse der Welt liegt nördlicher. Und keine andere führt an den arktischen Ozean.

Am Anfang des Dalton Highway klärt ein Schild über die Gefahren auf: wenige Tankstellen, löchriges Mobilfunknetz, Vorsicht beim Halten und Lastwagen haben stets Vorfahrt. 666 Kilometer lang ist die Strasse, die an ein paar Häusern vorbeiführt. Sonst säumen nur schneebedeckte Bäume und Sträucher die zweispurige Strecke.

Kurz hinter Livengood überqueren wir den Yukon River. Mit 3190 Kilometern Länge ist der Yukon der viertlängste Fluss der USA. Er entspringt in den Rocky Mountains im Südwesten Kanadas, fliesst durch Alaska und mündet in die Beringsee. Die Sonne geht gerade auf und taucht die Winterlandschaft in ein rosafarbenes Licht. Arktischer Kitsch.

Am Strassenrand erheben sich mehrere Meter hohe Bäume voller Eis- und Schneekrusten und bilden einen krassen Kontrast zum blauen Himmel. Wir nähern uns langsam dem nördlichen Polarkreis. Die Temperatur sinkt wieder unter minus 30 Grad. Selbst mit dicken Stiefeln, Expeditionsjacke und Mütze wird einem nach ein paar Minuten frostig kalt. Also wieder ins warme Auto steigen, die Heizung aufdrehen und zum nächsten Stopp fahren. Trotz Dachzelt auf dem Auto trauen wir uns keine Übernachtung draussen in der Wildnis zu. Stattdessen fahren wir Coldfoot an.

Der Ortsname ist Programm

Wer hier länger als ein paar Minuten im Freien steht, bekommt tatsächlich kalte Füsse. Nachts kann es bis zu minus 60 Grad kalt werden. Es ist der nördlichste Truck-Stopp der Welt und wird meist nur von Lkw-Fahrer besucht, die auf dem Weg nach Deadhorse sind. Hier bekommen sie warmen Kaffee, Suppen, Burger oder Rührei und können sich mit anderen Truckern über die polare Route austauschen.

Ursprünglich wurde Coldfoot 1898 als Slate Creek von Goldsuchern gegründet, 1912 zog das Lager ein paar Meilen weiter Richtung Wiseman, wo neue Goldvorkommen entdeckt wurden. Anfang der 1970er Jahre erwachte das trostlose Nest zu neuem Leben, als erstmals in grossen Mengen Erdöl gefördert wurde. Als 1981 Hundeschlitten-Champion Dick Mackey einen alten Schulbus zum Imbisswagen umbaute und hier seine Burger verkaufte, hielten wieder mehr Trucker an und mit den Jahren entstand ein provisorisches Camp. Heute gibt es hier ein kleines Dorf mit Postamt, Werkstatt, Tankstelle, Hostel und einem Restaurant. Das Benzin kostet mit 7,40 Dollar pro Gallone doppelt so viel wie in Fairbanks.

Während sich die Fahrer in der Trucker-Kneipe aufwärmen, laufen ihre Trucks hell beleuchtet im Stand weiter, damit die Leitungen für Diesel, Brems- und Kühlflüssigkeit nicht einfrieren. Kellnerin Deanna nimmt die Bestellung auf und serviert innerhalb weniger Minuten Kaffee, Sandwich und Burger. «Im Winter ist nicht viel los, einfach zu kalt hier», sagt sie lachend und geht zügig in die andere Ecke des Raumes. Ein paar Trucker haben gerade an ihrem «Dalton Highway Trucker»-Tisch Platz genommen – und Stammkunden gehen vor. In dieser unwirtlichen Welt verdienen Lkw-Chauffeure bis zu 150 000 US-Dollar im Jahr.

Dies ist einer der Gründe, warum etwa Charlie den Trucker-Job schon seit 16 Jahren macht – ausschliesslich im Winter. «Die Strassen sind besser und es ist weniger los», sagt er. Für eine Tour von Fairbanks nach Deadhorse benötigt er zwischen 12 und 14 Stunden. Er fährt die Tour dreimal die Woche mit seinem dicken Peterbilt 589, meist alleine. Nur wenn das Wetter umschlägt und Wind oder Blizzard angekündigt werden, nimmt er einen zweiten Fahrer mit in seine Kabine. Die grösste Gefahr gehe aber nicht vom Wetter aus, sondern von den Touristen. «Die fahren zum Teil unberechenbar, da musst du höllisch aufpassen, vor allem abends», sagt er.

Viele von ihnen parkieren von Ende August bis April gerne auf der Strecke, um sich Polarlichter im Himmel anzuschauen, die bunt am Himmel tanzen. Ein paar Minuten betrachten auch wir bei Eiseskälte das farbenfrohe Spiel der Aurora borealis abseits der Strasse, sitzen danach noch lange im gewärmten Geländewagen und recken die Hälse nach oben, um noch mehr vom grün-violetten Spektakel mitzunehmen.

Doch wir müssen weiter, um auf dem Dalton Highway unser Ziel Deadhorse zu erreichen. Vor dem 1422 Meter hohen Atigun-Pass kriechen ein paar Trucks bergauf, wir können mit dem 286 PS starken Grenadier aber nicht überholen – zu eng ist die Strasse, zu viele Kurven verhindern eine Weitsicht und der Belag ist immer noch spiegelglatt. Also reihen wir uns weit hinter einem Brummi ein und saugen die Natur auf. Langsam verschwinden die letzten Bäume und die Polarwüste breitet sich aus. Durch die kurze Vegetationsperiode im Sommer, aber auch die eisige Kälte im Winter, können die Bäume auf dem Permafrostboden kaum wachsen.

Beim Blick auf die Temperaturanzeige des Ineos wird uns mulmig: minus 39 Grad Celsius. Jetzt bitte keinen Platten oder einen Defekt. Doch der Geländewagen fährt zuverlässig weiter, Reifen, Kühlung, Motor und Getriebe scheint die Temperatur nichts auszumachen. Wir blicken zufrieden auf ein Feld, auf dem eine Herde Moschusochsen durch die Tundra watet.

Das schwarze Gold lindert die Unbilden

Der Lkw-Verkehr nimmt kurz vor Deadhorse ein wenig zu, die Trucks pendeln zwischen vereinzelt aufgestellten Baracken und Lagerhallen. Der Ort gleicht einem grossen Ersatzteillager und einer Bohrinsel auf dem Festland. Es gibt ein paar Unterkünfte für die Arbeiter und einen General Store – tote Pferde aber fehlen zur Gänze.

Das Prudhoe-Bay-Ölfeld zählt seit 1968 zu den grössten Vorkommen der USA. Ursprünglich lag die Kapazität bei 25 Milliarden Barrel. Seit 1977 flossen mehr als 13 Milliarden Barrel durch die rund 1,22 Meter dicken Rohre der Pipeline – auf einer Länge von 1553 Kilometern. Vor ein paar Jahren wurde zudem in über 700 Metern Tiefe Methanhydrat entdeckt.

Bis hierhin hat uns der Ineos Grenadier zuverlässig begleitet. Trotz extremer Kälte in dieser unwirklichen Natur springt der Motor ohne zu Murren an, das Getriebe schaltet geschmeidig und selbst die Karosserie bleibt stumm und knarzt nicht. Die Allterrain-Reifen mit ihrem dicken Profil beissen sich nach wie vor hungrig in Schnee und Eis – keine Anzeichen von Müdigkeit oder Verschleiss. Lediglich ein kleiner Steinschlag in der Windschutzscheibe sowie der stumpfe und schmutzige Lack zeugen vom harten Einsatz der vergangenen Tage – in der nördlichsten Stadt der USA, tief in Alaska.

Rund 2000 Menschen arbeiten hier, meist in 12-Stunden-Schichten, um Öl für das energiehungrige Amerika zu fördern. Dann haben die Arbeiter eine Woche frei und fliegen zu ihren Familien und Freunden. So schön die winterliche Landschaft in Alaska auch ist, auch wir sind am Ende unserer arktischen Reise über die Ice Roads Nordamerikas.

Die Alaska-Fahrt wurde von Ineos Automotive unterstützt.

Exit mobile version