Donnerstag, November 28

Er tendiere bei den US-Wahlen zu Donald Trump, sagte der SVP-Bundesrat letzte Woche an einem öffentlichen Auftritt. Nun relativiert er seine Aussage im Interview und verteidigt den Autobahnausbau. Einen Plan B zur Auflösung der Staus gebe es nicht.

Herr Rösti, Sie haben diese Woche bei einem Auftritt in einer Schule gesagt, dass Sie auf die Wahl von Donald Trump hoffen. Das hat viele schockiert. Verstehen Sie das?

So habe ich das nicht gesagt. Zudem war das eine Aussage, die ich als Albert Rösti im Austausch mit einem Schüler gemacht habe, nicht als Bundesrat. Weiter möchte ich das nicht kommentieren.

Weshalb nicht? Sie haben diese Aussage bei einem öffentlichen Auftritt gemacht.

Mir ist klar, dass ich den Bundesratshut bei einer öffentlichen Veranstaltung nicht einfach ablegen kann.

Warum haben Sie diese Aussage dann trotzdem gemacht?

Mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen.

Sprechen wir also über die Schweiz und den Autobahnausbau. Welche Beziehung haben Sie zum Auto?

Eine unverkrampfte. Ich bin in jungen Jahren mit meinen Eltern häufig «z’Berg» gefahren. Früher mussten wir den Weg auf die hintere Alp mit dem Pferd zurücklegen. Die Strasse brachte dann einen enormen Gewinn an Zeit und Freiheit. Heute sehe ich als Verkehrsminister, dass das Auto für viele unverzichtbar ist. Drei Viertel der Mobilität finden auf der Strasse statt. Ein Auspuff-Fan bin ich aber nicht.

Fahren Sie elektrisch?

Privat noch nicht, aber ich plane, nun ein E-Auto zu kaufen. Auch politisch stehe ich voll hinter der Elektrifizierung des Verkehrs, sie ist zwingend notwendig, wenn wir den Ausstieg aus den fossilen Energien erreichen wollen. Ein Verbot des Verbrenners, wie es die EU beschlossen hat, halte ich aber für falsch. Wir müssen auch für Wasserstoff und synthetische Treibstoffe offen sein.

Kritiker sagen, Sie unternähmen zu wenig, um der E-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen.

Innovative Technologien setzen sich von selbst durch. Wir mussten in der Telekomindustrie auch nie neue Handys fördern. Ich plädiere auch hier für Technologieoffenheit. Zudem wird die Elektromobilität bis jetzt stark bevorzugt, weil sie von der Mineralölsteuer befreit ist. Wer ein E-Auto fährt, zahlt nichts für die Nutzung der Strassen. Das muss sich mittelfristig ändern, aber dafür braucht es eine Reform, bei der das Volk das letzte Wort haben wird.

Ihr Parteikollege, der Automagnat Walter Frey, sagt, das Auto werde heute zum Feindbild erklärt. Finden Sie das auch?

Ich dachte, diese Zeit sei vorbei. Im Abstimmungskampf über den Autobahnausbau werde ich jedoch gerade eines Besseren belehrt. Für den Ausbau der Eisenbahn haben wir drei Pakete mit insgesamt 28 Milliarden Franken beschlossen. Jetzt aber werden die relativ kleinen Investitionen in die Strasse aus ideologischen Gründen vehement bekämpft. Das enttäuscht mich.

Was auffällt: In der Schweiz gibt es immer mehr Autos, trotzdem nimmt die Zustimmung für den Bau von Strassen ab.

Das ist tatsächlich so. In den 1960er Jahren sagte der SP-Bundesrat Hans-Peter Tschudi, eine Autobahn füge sich schön in die Landschaft ein. Heute wäre das undenkbar. Die Leute sehen, dass das Land knapp wird, dass jeder Quadratmeter dreimal genutzt werden müsste: für Landwirtschaft, Wohnen und Arbeiten. Aber es braucht auch die Strasse. Gerade die Autobahnen sind die Lebensadern dieses Landes, 70 Prozent des Güterverkehrs finden hier statt.

Deshalb wollen Sie nun drauflosbauen?

Nein. Unsere Ausbauvorlage mit sechs Projekten beschränkt sich auf 45 von insgesamt 2200 Autobahnkilometern. Neue Spuren gibt es nur auf kurzen Teilabschnitten, die aber wesentlich sind für die Entlastung. Auch bauen wir nicht auf Vorrat, sondern wollen mit den sechs Projekten punktuell den Verkehrsfluss verbessern.

Das Projekt in der Westschweiz hat das Parlament nachträglich auf Anregung von Ihnen in die Vorlage integriert. Steht das nicht in völligem Widerspruch zur angespannten Finanzlage des Bundes?

Nein. Der Ausbau wird aus der Mineralölsteuer finanziert. Es fliessen keine Mittel aus der Bundeskasse. Von einer zusätzlichen Belastung kann also keine Rede sein. Wenn der Automobilist so viel Geld beisteuert über das Benzin, soll er möglichst ohne Stau auf den Strassen fahren können – auch in der Westschweiz.

Wird der Ausbau zu einem höheren Benzinpreis führen, weil das Geld im Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds ausgeht?

Nein. Unabhängig von diesem Ausbauschritt laufen bis 2033 viele andere Strassenprojekte. Kommt es dort zu Kostenüberschreitungen, kann der Bundesrat die Mineralölsteuer um 4 Rappen anheben. Die sechs Projekte aber, über die wir jetzt abstimmen, führen nicht zu einer Anhebung.

Mobilitätsexperten sagen, neue Strassen führten längerfristig zwangsläufig zu mehr Verkehr und Staus. Einverstanden?

Da gibt es verschiedene Meinungen. Ich kann Ihnen jedenfalls diverse Beispiele nennen, wo die Verkehrsentwicklung anders verlief.

Welche denn?

Als ich ein Kind war, sprachen meine Eltern stets vom Qualensee statt vom Walensee. Auf diesem Teilstück stand man oft stundenlang im Stau. Seit es dort eine Autobahn gibt, kommt es kaum noch zu Überlastungen. Auch stellen wir mit der dritten Röhre beim Gubrist nach einem Jahr eine massive Reduktion der Staus fest, nicht zuletzt in den Quartieren der umliegenden Ortschaften.

Könnte mit einer intelligenteren Nutzung der Autobahn – Stichwort Mobility-Pricing – nicht auf noch mehr Beton verzichtet werden?

Man spricht immer von der Intelligenz. Aber wenn man fragt, was genau gemeint ist, erhält man keine Antwort. In Wahrheit geht es wohl darum, eine Verhaltensänderung zu erzielen. Ich halte wenig davon. Im Vordergrund muss die Freiheit des Verkehrsteilnehmers stehen. Hinzu kommt: Ein echtes Mobility-Pricing würde bedeuten, dass alle mehr bezahlten, der Autofahrer ebenso wie der Zugspassagier. Das jedoch ist weder mehrheitsfähig noch sozialverträglich. Weshalb soll der Städter, der neben einer Tramstation aufwächst, bessergestellt werden als jemand vom Land, der auf das Auto oder den Zug angewiesen ist? Andere Ansätze zur Lenkung des Verkehrs sind zielführender.

Welche denn?

Wir versuchen, Überlastungen etwa mit einer dynamischen Anpassung der Tempolimite zu verhindern. Oft läuft der Verkehr bei Tempo 80 am effizientesten. Zudem lassen wir eine Nutzung der Pannenstreifen an Engpässen zu.

Was machen Sie, wenn das Volk den Autobahnausbau ablehnt?

Es gibt keinen Plan B für die Auflösung der Staus. Die Situation würde sich verschärfen. Allenfalls könnte man einzelne Projekte wie den Fäsenstaubtunnel in Schaffhausen trotzdem weiterverfolgen, falls die Abstimmungsanalyse ergibt, dass sie unbestritten sind. Klar ist aber: Wenn zur Sanierung dieses Tunnels in zehn Jahren die Strecke geschlossen werden muss, wird es in Schaffhausen ein Verkehrschaos geben. Das Gleiche gilt in Basel für den Rheintunnel, wenn die Osttangente saniert werden muss.

Ihre Partei sagt, den Autobahnausbau brauche es wegen der «masslosen Zuwanderung». Stimmt das?

Dass der Ausbau wesentlich durch das Bevölkerungswachstum getrieben ist, liegt auf der Hand. Heute sind wir neun Millionen Menschen, als die Autobahnen konzipiert wurden, waren es sechs. Dazu kommt, dass es uns wirtschaftlich besser geht. Der Wohlstand hat zugenommen und mit ihm die Ansprüche. Das Mobilitätsbedürfnis wächst, es gibt Familien mit zwei Autos, Freizeit- und Güterverkehr nehmen zu. Das darf auch so sein. Es ist ein Glück, dass es uns gut geht.

Die Verkehrsleistung auf Nationalstrassen ist stärker gewachsen als die Bevölkerung. Ist die Debatte um die Zuwanderung nur vorgeschoben?

Dass unser Strassennetz zunehmend unter Druck steht, liegt ebenso am Wachstum der Bevölkerung wie an der Zunahme des Wohlstands. Daraus folgt, dass die Zuwanderung sogar doppelt bedeutend ist: Die Zahl der Menschen nimmt zu – und all diese Menschen haben dieselben erhöhten Ansprüche an Infrastruktur und Wohlstand.

Sie tragen aber auch zum Wohlstand bei . . .

. . . teilweise. Das Bruttoinlandprodukt pro Einwohner steigt ja nicht unbedingt.

Doch, laut Bundesdaten steigt es.

Es kommt darauf an, welches Jahr man anschaut. Aber unabhängig von den genauen Gründen stehen wir in der Pflicht: Es ist unsere Verantwortung – gerade auch gegenüber künftigen Generationen –, dass wir die notwendigen Infrastrukturen schaffen, mit denen unser Land weiterhin erfolgreich funktionieren kann. Der Verkehr ist da, ob wir wollen oder nicht.

Das liegt auch daran, dass der Verkehr vielfach subventioniert wird. Ist Mobilität zu billig?

Wenn wir diese Diskussion führen wollen, müssen wir bei der Schiene beginnen, sicher nicht bei der Strasse. Bei der Bahn bezahlen die Nutzer mit den Billettpreisen weniger als die Hälfte selbst, die Nationalstrassen hingegen werden vollumfänglich über den Benzinpreis finanziert.

Sie vergessen die externen Kosten, die bei der Strasse laut Berechnungen aus Ihrem Departement höher sind als angenommen.

Dabei fallen vor allem die Kosten des CO2-Ausstosses in Betracht. Wir wollen aber für eine Technologie der Zukunft ausbauen, diese wird elektrisch und ohne CO2-Ausstoss sein. Das ist deshalb sicher kein Grund für Preiserhöhungen. Gegen höhere Abgaben für Autofahrer würde ich mich deshalb wehren. Natürlich hat der Wohlstand zugenommen, trotzdem gibt es viele Leute mit normalen Löhnen wie etwa Handwerker oder Pflegefachleute. Bei ihnen bleibt Ende Monat weniger Geld übrig.

Das Bevölkerungswachstum und der zunehmende Wohlstand sind Stressfaktoren für alle Infrastrukturen der Schweiz. Wo sehen Sie die grössten Probleme?

Beim Strom. Wenn wir die Strassen nicht ausbauen können, haben wir mehr Staus und wirtschaftliche Schäden – das ist schlecht, aber nicht zu vergleichen mit der dramatischen Lage, die uns droht, wenn wir zu wenig Strom haben.

Welchen Anteil hat die Zuwanderung hier?

Sie trägt zu den drohenden Engpässen bei, aber der stärkere Treiber ist die Dekarbonisierung. Wir müssen in den nächsten Jahren von den fossilen Energien wegkommen. Schon nur die Elektrifizierung des Verkehrs bewirkt einen zusätzlichen Strombedarf, der dem Anderthalbfachen des Kernkraftwerks Gösgen entspricht. Das sind gewaltige Dimensionen. Wir müssen die Produktion und die Netze massiv ausbauen. Und hier kommt wieder die Zuwanderung ins Spiel: Je mehr Menschen hier leben, desto knapper und härter umkämpft sind die verfügbaren Flächen.

Es wird langsam eng im Land . . .

. . . ja, tatsächlich. Das soll aber nicht heissen, dass keine Lösungen möglich sind. Technisch und finanziell können wir das meistern. Man muss sich aber bewusst sein, dass es in der Schweiz zunehmend schwieriger wird, auf alle Bedürfnisse und Anliegen Rücksicht zu nehmen. Leider habe ich nicht den Eindruck, dass diese Botschaft überall angekommen ist. Der Widerstand gegen Kraftwerkprojekte ist immer noch gross, die Blockadehaltung scheint sogar trotz den klaren Volksentscheiden weiter zugenommen zu haben.

Sind wir in der Lage, die Infrastrukturen für eine 10-Millionen-Schweiz aufzubauen?

Grundsätzlich sicher. Wir haben gar keine andere Wahl. Wenn die Menschen hier sind, sind sie hier. Aber darum geht es heute nicht. Heute bauen wir nicht für eine 10-Millionen-Schweiz, sondern für die Menschen, die bereits hier sind. Es ist wichtig, für sie die notwendige Infrastruktur bereitzustellen.

Man kann die Zuwanderung bremsen, wie es Ihre Partei fordert. Ist das auch Ihre Position?

Das ist eine übergeordnete Diskussion, die wir im Bundesrat führen. Öffentlich kann ich dazu nur so viel sagen: Für mich steht fest, dass es Grenzen des Wachstums gibt. Wo sie sind, hängt davon ab, welche Vorstellungen von der Schweiz man hat.

Um die Stromversorgung zu verbessern, will der Bundesrat mit der EU als Teil des geplanten Vertragspakets ein Stromabkommen schliessen. Wie weit sind Sie hier?

Die Verhandlungen beim Energiedossier laufen gut, aber es gibt noch Knackpunkte, die wir lösen müssen. Das Stromabkommen ist wichtig für die Schweiz. In normalen Lagen würde es den Import erleichtern und die Netzstabilität verbessern. Wenn aber der Strom bei uns und in den Nachbarländern knapp wird, reicht es nicht. Deshalb brauchen wir unbedingt den Ausbau der Produktion im Inland.

Vor Ihrer Wahl in den Bundesrat haben Sie sich klar gegen das geplante Vertragspaket geäussert. Wie können Sie heute glaubwürdig die Verhandlungen über das Stromdossier führen, einen wichtigen Teil dieses Pakets?

Ich sehe die Vorteile, die das Stromabkommen der Schweiz bringen würde. Eine Beurteilung zum gesamten Paket werde ich, wie die anderen Bundesratskolleginnen und -kollegen, vornehmen, sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind.

Ihr Vorgänger Ueli Maurer hat einmal gesagt, wenn der Bundesrat ein solches Paket beschliesse, trete er sofort zurück, damit er es offen bekämpfen könne. Ist bald mit Ihrem Rücktritt zu rechnen?

Natürlich nicht. Ich werde für mich eine Analyse machen, mich im Bundesrat einbringen und danach den Entscheid des Gremiums kollegial mittragen – im Wissen darum, dass am Ende wohl das Volk abschliessend entscheiden wird.

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