Montag, September 30

Ein minderjähriger Tatverdächtiger wurde am Donnerstag im Bezirk Meilen verhaftet.

Seit je sorgen sich Eltern, wenn sie an die Gefahren des Schulwegs denken. Nebst jener des Verkehr schlummert in vielen auch eine diffuse Angst, dass das eigene Kind unterwegs von einem Unbekannten behelligt wird.

Der Brief, den die Schulen Erlenbach, Herrliberg und deren gemeinsame Sekundarschule am Donnerstag breit an alle «Eltern und Erziehungsberechtigten» verschickten, liess diese Angst real werden.

In dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, teilen die vier Schulleiter mit: Am Morgen sei man informiert worden, dass es am Mittwochabend in Erlenbach zu einem Vorfall gekommen sei, bei dem eine Sekundarschülerin «von einem fremden Mann angegriffen» worden sei.

Die Schülerin habe richtig reagiert, sie habe laut geschrien und sich gewehrt. Die Eltern hätten sofort die Polizei eingeschaltet.

Am späteren Mittwochabend habe die Polizei die betroffene Familie darüber informiert, dass ein weiteres Mädchen, im Primarschulalter, auf ähnliche Weise belästigt worden sei. Die Schule stehe im Austausch mit der Polizei. Hinweise solle man direkt der Polizei melden, heisst es abschliessend in dem Schreiben.

Die Meldung der Schule versetzte breite Kreise an der Goldküste in Unruhe, weit über die Gemeinden Herrliberg und Erlenbach hinaus, wie Eltern im Gespräch mit der NZZ erzählen.

Ein Vater sagt: «Unsere Tochter hörte vom Vorfall und wollte daraufhin nicht mehr alleine zur Schule gehen. Wir diskutierten, ob wir sie mit dem Auto chauffieren sollen oder ob dies eine ängstliche, kontraproduktive Massnahme ist.»

Wie oft in derlei gelagerten Fällen kommt die Kommunikation durch die Schule einem Balanceakt gleich, einerseits will sie informieren, andererseits nicht unnötig Angst verbreiten.

So schreiben die Erlenbacher und Herrliberger Schulleiter in ihrem Brief, besagte Meldung solle nicht bewirken, dass die Kinder nun mit Angst in der Gemeinde unterwegs seien. Sie solle vielmehr Sicherheit vermitteln und zeigen, wie das Kind sich in einer solchen Situation verhalten solle.

Die Schulleiter verweisen auf einen Leitfaden des Stadtzürcher Schulamts, der darlegt, was zu tun ist, wenn Kinder von Fremden angesprochen werden.

Über tausend Eltern wurden informiert

Für Erleichterung sorgte dann aber vor allem ein zweites Schreiben, das die Schulen am Freitagvormittag verschickten. Man sei von der Polizei informiert worden, dass eine tatverdächtige Person verhaftet worden sei.

Das wird vonseiten der Sicherheitskräfte auf Anfrage bestätigt: «Die Kantonspolizei hat am Donnerstag im Verlauf des Nachmittags im Bezirk Meilen einen minderjährigen Mann verhaftet, der tatverdächtig ist», sagt ein Polizeisprecher.

Aufgrund der Meldungen über die Vorfälle gehe man davon aus, so der Sprecher weiter, dass man «die Person» habe. Weitere Details zum Tatverdächtigen macht der Sprecher nicht, auch nicht zu dessen Nationalität. Der Fall liege nun bei der Jugendstaatsanwaltschaft.

Was genau vorgefallen ist, bleibt diffus. Dies sei Gegenstand der Ermittlungen, so die Polizei. Die im Schreiben verwendete Formulierung «Angriff» basiert laut dem Sprecher auf Schilderungen der Schule.

Die Polizei lobt die Schule für ihr Vorgehen. Es sei richtig gewesen, dass mit den Kindern über die Situation geredet worden sei.

Katharina Paul, Präsidentin der Sekundarschulkommission der beiden Gemeinden, sagt: «Wir sind erleichtert, dass in weniger als 24 Stunden bereits eine tatverdächtige Person verhaftet werden konnte.»

Die Betroffenheit sei gross. «Für uns alle stehen das Wohl, die Sicherheit und der Schutz der Kinder an erster Stelle», sagt Paul weiter. Der Vorfall habe sich ausserhalb der Schule und der Schulzeit ereignet.

Man habe «umgehend gehandelt». Um 10 Uhr 30 am Donnerstag seien über tausend Eltern aus den drei Schulen direkt über den Vorfall informiert worden, ebenso alle Verantwortlichen der Gemeinden Erlenbach und Herrliberg.

In Absprache mit der Kantonspolizei werden laut der Kommissionspräsidentin Paul die Eltern fortlaufend über den Stand der Ermittlungen informiert.

Sie könne die Eltern «vollständig verstehen», dass sie nach einer solchen Mitteilung zutiefst beunruhigt seien. Paul: «Ich war erstaunt, wie ruhig und gefasst Eltern und Kinder reagiert haben.»

Eltern würden bei einem solchen Vorfall oft individuelle Massnahmen ergreifen: «Manche begleiten ihre Kinder auf dem Schulweg, andere organisieren sich in Gruppen, um den Schulweg gemeinsam zu bestreiten.»

Von einem Vorfall wie diesem habe sie als Einwohnerin von Erlenbach und als Präsidentin der Sekundarschulkommission in den letzten zehn Jahren nicht gehört, sagt Paul.

Nein sagen, schreien, wegrennen

In seinem Leitfaden plädiert das Stadtzürcher Schulamt dafür, mit Kindern sachlich über mögliche Gefahren zu sprechen. Informierte und selbstbewusste Kinder seien besser vor Gefahren geschützt als ängstliche, unsichere Kinder.

Es gehe darum, Gefahren zu erkennen und für die eigenen Grenzen einzustehen. Nein zu sagen, müsse mit dem Nachwuchs geübt werden.

Das Kind solle im Strassenraum die Distanz zu Autos möglichst gross halten, so dass es durch das Autofenster nicht angefasst werden könne.

Bei Bitten fremder Leute, etwa der Frage nach dem Weg, dürfe ein Kind auch «unhöflich» sein und einfach weitergehen oder an Erwachsene verweisen.

Weiter erklärt der Leitfaden, an dem auch die Polizei mitgewirkt hat, die absolut wichtigsten Regeln. Etwa, dass ein Kind niemals zu fremden Leuten in den Wagen steigen dürfe und dass es von Unbekannten keine Geschenke annehmen solle.

In der Gemeinschaft anderer Kinder sei es sicherer. Zudem gelte es, den mit den Eltern vereinbarten Schulweg zu gehen.

Für die Kinderschutzexperten ist klar: Wenn sie sich bedroht fühlen, sollten Kinder auf sich aufmerksam machen. Indem sie direkt um Hilfe bitten, laut schreien oder schnell weggehen.

Auch sei es wichtig, auf das ungute Gefühl zu hören. Schliesslich sollten Kinder ihre Adresse nicht preisgeben oder die Tür öffnen, wenn sie allein zu Hause seien. Ungewöhnliches sollte sofort den Eltern oder Lehrpersonen gemeldet werden.

Umgekehrt müssten auch Erwachsene zwingend Missverständnisse vermeiden. Etwa sollten Kinder nie nach dem Weg oder dergleichen gefragt werden. Auch sollte man im Bereich von Schulen nicht in parkierten Autos sitzen.

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