Dienstag, April 29

Mit ihrer Kompass-Initiative wehren sich die Gründer der Partners Group gegen das Vertragswerk mit der EU. Für sie ist klar: «Die Schweiz ist dabei, einen Riesenfehler zu begehen.» Mitgründer Gantner über das Volksbegehren und Milliarden-Investitionen in die USA – trotz Trump.

Herr Gantner, Sie haben heute Dienstag an einer Medienkonferenz bekanntgemacht, unter welchen Bedingungen Sie die Kompass-Initiative zurückziehen würden. Dabei haben Sie noch keine 100 000 Unterschriften beisammen.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Das Ziel ist in Sichtweite. Innert sieben Monaten haben wir rund 80 000 Unterschriften gesammelt, bis im Sommer können wir die Kompass-Initiative einreichen. Damit sind wir verglichen mit anderen Initianten ausserordentlich schnell.

Es ist unüblich, dass ein Initiativkomitee den potenziellen Rückzug der Initiative ankündigt, bevor überhaupt die Unterschriften gesammelt sind. Hängt Ihr Timing allenfalls mit Trumps Zollpolitik zusammen? Der Aktienkurs der Partners Group ist um 1o Prozent gefallen.

Ob Sie es glauben oder nicht, mein Fokus gilt nie dem kurzfristigen Auf und Ab unseres Aktienkurses. Wir sind bei unserem Börsengang 2006 mit 63 Franken gestartet und stehen heute bei über 1000 Franken. Wir investieren langfristig in Unternehmen, wir spekulieren nicht an der Börse. Im Juni wird der Bundesrat das Vertragswerk mit der EU in die Vernehmlassung schicken. Wir wollen unseren Standpunkt rechtzeitig nochmals klarmachen.

Nämlich?

Ein Vertrag, mit dem sich die Schweiz zur dynamischen Rechtsübernahme verpflichten und sich einem supranationalen Gerichtshof unterstellen würde, braucht das doppelte Mehr. Bei einer Abstimmung nur mit Volksmehr werden wir an der Initiative festhalten. Sie verlangt, dass dann nochmals über das EU-Abkommen abgestimmt werden muss – mit Ständemehr.

Es geht Ihnen also primär um das Ständemehr, nicht um den Inhalt?

Natürlich geht es uns auch um den Inhalt. Das neue Vertragswerk ist zweifellos besser als das alte, aber es enthält immer noch Inakzeptables wie die dynamische Rechtsübernahme. Deshalb ist es essenziell, dass Volk und Stände abstimmen können.

Laut einem Gutachten aus dem Departement von Justizminister Beat Jans braucht der EU-Vertrag kein Ständemehr.

Rechtlich ist die Sache umstritten, es gibt namhafte Staatsrechtler, die das Ständemehr für dieses enorm wichtige Abkommen als unabdingbar erachten. Auch den EWR hat man wegen seiner überragenden Bedeutung dem doppelten Mehr unterstellt. Am Ende ist es keine juristische, sondern eine politische Frage.

Unter welchen Bedingungen würden Sie Ihre Initiative zurückziehen?

Wenn Bundesrat und Parlament das doppelte Mehr anordnen und wenn Volk und Stände Ja sagen zur institutionellen Anbindung an die EU, dann ziehen wir unsere Initiative zurück und akzeptieren den Entscheid.

Stehen Sie eigentlich selbst auf der Strasse, um zu sammeln?

Natürlich, ich mache das regelmässig, erst kürzlich war ich im Bahnhof Luzern, bei fürchterlichem Wetter. Leider bin ich nicht sehr erfolgreich. In zwei Stunden hatte ich etwa fünf Unterschriften gesammelt.

Das heisst, primär lassen Sie sammeln. Wie funktioniert das?

Wir haben in wenigen Monaten eine schlagkräftige Kampagnenorganisation mit fast 100 Lokalkomitees aufgebaut. Etwa 600 Personen sind mit Unterschriftenbögen auf der Strasse unterwegs. Wir sind inzwischen nicht nur initiativfähig, wir können später auch den Referendumskampf gegen das EU-Abkommen führen.

An der Medienkonferenz haben Sie betont, Sie wollten eine faktenbasierte Diskussion führen. Was ist denn an der gegenwärtigen Diskussion über die geplanten Verträge nicht faktenbasiert?

Ich höre immer bloss die üblichen Schlagworte wie «Stabilisierung des bilateralen Wegs». Schauen wir doch die Zahlen an: Der ökonomische Nutzen der Bilateralen ist gering. Die Bürger haben kaum profitiert, die Bruttolöhne sind trotz den Bilateralen praktisch nicht gestiegen. Deshalb fordere ich eine faktenbasierte Debatte.

Apropos faktenbasiert: Sie behaupten, dass acht von zehn Unternehmern gegen die institutionelle Anbindung seien. Wie kommen Sie auf diese Zahl?

Jetzt haben Sie mich erwischt. Eine genaue Untersuchung kann ich nicht vorlegen. Wir beziehen uns auf eine Vielzahl von Unternehmern, mit denen wir im Kontakt stehen.

Sie argumentieren sozusagen empirisch.

Mittlerweile haben wir rund 3800 Mitglieder, die meisten von ihnen sind besorgte Unternehmer. In unserem breiten Netzwerk sagt jeweils höchstens einer von fünfen, er sei für das Vertragswerk. Gerade auch Unternehmer aus der EU raten uns von der institutionellen Anbindung ab.

Beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sind wahrscheinlich neun von zehn dafür.

Natürlich liefern wir uns hier ein Schattenboxen mit Economiesuisse. Sie sagt, sie vertrete die Wirtschaft. Und wir sagen: nein, mit Sicherheit nicht die ganze Wirtschaft. Ich glaube, unsere Aussage ist heute klar evident.

Ohne Abkommen dürfte die Schweiz den präferenziellen Marktzugang zur EU verlieren. Die Partners Group ist weltweit tätig, Ihnen mag das egal sein. Doch was sagen Sie einem Schweizer KMU, das auf den Export in die EU angewiesen ist?

Der präferenzielle Marktzugang wird völlig überhöht. Die Unternehmen können dadurch pro Jahr gesamthaft etwa 300 Millionen Franken einsparen, das sind lediglich 0,04 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Die Schweiz kann sehr gut ohne präferenziellen Marktzugang leben und weiterhin in die EU exportieren, wie jedes andere Nicht-EU-Land auch.

Ohne die bilateralen Beziehungen und ohne das institutionelle Abkommen werden die bestehenden Abkommen erodieren.

Was würde denn genau erodieren? Beim Luftverkehr ist die EU genauso interessiert wie die Schweiz daran, dass es einheitliche Regeln gibt. Beim Landverkehr ist nicht anzunehmen, dass Brüssel darauf verzichten möchte, 40-Tonnen-Lastwagen durch die Schweiz zu schicken. Soll etwa die Personenfreizügigkeit erodieren? Die Schweiz kann auch ohne Abkommen mit der EU so viele Ausländer ins Land holen, wie sie will – solange wir gute Löhne zahlen können, werden die Leute kommen.

Was wäre der Vorteil?

Und wir könnten die Zuwanderung besser steuern, möglicherweise mit einem Marktmechanismus. Wir arbeiten bei Kompass an Lösungen. Es ist Unsinn, zu behaupten, dass es ohne die Personenfreizügigkeit nicht möglich sei, Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren. Wir unterstützen die Personenfreizügigkeit im Grundsatz. Wie sie administrativ gehandhabt wird, ist aber eine innenpolitische Entscheidung – siehe Inländervorrang.

Die Schweiz würde auch bei der Zulassung ihrer Industrieprodukte benachteiligt, Stichwort technische Handelshemmnisse.

Die Firmen müssen heute im EU-Raum zertifizieren lassen, das stimmt. In der Praxis ist das allerdings kein wirkliches Problem, da wir die EU-Normen ja anerkennen. Die grossen Unternehmen sind ohnehin schon alle in der EU präsent, und die KMU kann man unterstützen.

Wie?

Indem die Branchenverbände mit der Unterstützung des Bundes die Infrastruktur für die EU-Zertifizierung gewährleisten. Und wiederum: Das ist nicht das matchentscheidende Kriterium für den Exporterfolg. Das zeigen Länder wie Südkorea, China oder die USA. Es ist grotesk, wenn sich die Schweiz für diesen kleinen wirtschaftlichen Vorteil an die EU anbinden und mit der dynamischen Rechtsübernahme eine beispiellose Bürokratie importieren müsste.

Es handelt sich ja lediglich um ein paar wenige Binnenmarktabkommen. Die Schweiz müsste nicht jede Regulierung der EU übernehmen.

Die Richtung ist klar: Die EU will, dass alle künftigen Verträge mit der Schweiz dynamisch ausgestaltet werden – auch in Bereichen, die nicht wirklich binnenmarktrelevant wären, wie etwa beim neuen Lebensmittelvertrag. Auch beim neuen Gesundheitsabkommen erwartet Brüssel, dass wir vieles autonom nachvollziehen. Der mehr oder weniger blinde autonome Nachvollzug seit Jahren ist höchst problematisch. Dazu liegen ja bereits Vertragsentwürfe vor. Wir werden uns schleichend der EU anpassen – einem Gebilde, das jeden Tag einen neuen Rechtsakt erlässt. Man muss nur nach Deutschland oder Frankreich schauen, um zu sehen, was in zehn, zwanzig Jahren auf uns zukäme.

Ihre Gegner nennen Sie Oligarchen und sagen, es gehe Ihnen nur ums Geld. Geht es Ihnen ums Geld?

Um welches Geld denn? Wir sind international tätig, auch in der EU. Ich will nicht wehleidig sein, aber diese persönlichen Anwürfe sind schon sehr befremdlich. Die Gegenseite hat offenkundig weder stichhaltige Argumente noch Fakten und versucht, uns unredliche Absichten zu unterschieben. Sehr schade und undemokratisch.

Aus welchen Gründen haben Sie die Initiative denn lanciert?

Aus tiefer Überzeugung. Die Schweiz ist daran, einen Riesenfehler zu begehen. Ich habe den Verdacht, dass viele Parlamentarier gar nicht wissen, worum es geht, dass sie die 1500 Seiten Verträge und Gesetzesänderungen gar nicht lesen werden.

Sie haben sie gelesen?

Nein, noch nicht. Die 1500 Seiten sind erst einem sehr kleinen Kreis zugänglich. Wir gehören nicht dazu. Ich werde sie aber lesen, so wie ich damals die 34 Seiten über das Rahmenabkommen gelesen habe. Marcel Erni, der alles liest, hat sie Urs Wietlisbach und mir zum Lesen gegeben. Wir waren alle derselben Meinung: Die Schweiz gäbe ohne Not ihre Standortvorteile auf und würde die EU-Bürokratie importieren, deren Gesetze sie übernähme. Viele KMU machen sich noch keine Gedanken darüber, was mit der dynamischen Rechtsübernahme und der ganzen EU-Bürokratie auf sie zukäme. Das wollen wir zeigen.

Was ist Ihr Plan B, wenn das Vertragswerk nicht zustande kommt? Die bisherigen bilateralen Verträge würden zerfallen, und die EU würde die Schweiz weiter piesacken.

Ich kann die EU sogar verstehen. Seit Jahrzehnten muss sie sich mit der Schweiz herumschlagen. Doch es gab schon schwierigere Zeiten, und wir sind auch damals unseren eigenen Weg gegangen. Wir haben ein Freihandelsabkommen mit der EU, es gibt die WTO, eine Basis für die Zusammenarbeit gibt es also. Wollen wir uns wirklich an Europa anhängen, den schwächsten globalen Handelsblock?

Das ist kein Plan B, das ist einfach ein Nein.

Vielleicht sollten wir uns einmal anschauen, wovon wir genau reden. Die Verträge sollen den präferenziellen Marktzugang sichern. Die Schweiz hat ihre Exporte in die EU seit 1993 verfünffacht, China hat sie um den Faktor 47 gesteigert, Südkorea hat sie verachtfacht, die USA haben sie ebenfalls verfünffacht – das alles ohne präferenziellen Marktzugang.

Das heisst?

Wie wäre es, wenn die Schweiz ebenfalls auf den präferenziellen Marktzugang verzichtete und in verschiedenen Bereichen ein solidarischer Partner wäre?

Sprich: Sie zahlt halt.

Wir zahlen ja bereits mit den heutigen Abkommen sehr viel Geld für Forschungszusammenarbeit oder Kohäsion. Das soll ja nun noch viel mehr werden! Die Zahlungen übersteigen bei weitem den Nutzen von 300 Million Franken pro Jahr.

Wie schnell vermeintlich stabile Wirtschaftsbeziehungen zerfallen können, zeigt das Beispiel USA. Wäre da eine engere Zusammenarbeit mit der verlässlichen EU nicht der sicherste Weg?

Im Gegenteil! Der Bundesrat macht im USA-Dossier einen hervorragenden Job. Er hat erkannt, wie er mit der Regierung Trump verhandeln muss. Ein Land kann nicht allein auf Diplomatie setzen, sondern muss auch wirtschaftlich etwas bieten. Das Milliardenpaket mit Investitionen ist der richtige Weg, ich bin optimistisch. Aber das gelingt der Schweiz eben nur, weil sie ein eigenständiges Land ist und sich zwischen den Blöcken flexibel bewegen kann. Die EU ist noch nicht einmal am Verhandeln.

Schon 10 Prozent Importzölle treffen die Wirtschaft hart, auch die Partners Group?

Der Schweizerfranken ist die grössere Herausforderung. Wir – beziehungsweise unsere Firmen – investieren jedes Jahr in den USA, und zwar Milliardenbeträge. Daran halten wir fest.

Die Zollpolitik der Regierung Trump trifft Sie nicht?

Ein zehnprozentiger Basiszoll ist ein verkraftbares Problem. Deswegen funktioniert die Globalisierung immer noch. Für die Schweiz, die keine Industriezölle erhebt, ist es unfair. Aber viele Länder haben sich gegenüber den Amerikanern tatsächlich nicht fair verhalten. Deutschland zum Beispiel erhebt auf amerikanische Autos 10 Prozent. Man kann von Trump halten, was man will: Er ist nicht dumm, und er weiss genau, was er macht. Statt Steuern zu erhöhen, erhöht er die Zölle, mittelfristig erhöht er damit die Kaufkraft.

Die Partners Group verwaltet ein Vermögen von 152 Milliarden Dollar. Die Schwächung der Leitwährung Dollar beschäftigt Sie aber schon, oder?

Ich halte es mit dem Autor Stephen R. Covey, der sagt: «Stay within your circle of influence.» Ich kann nicht beeinflussen, wie der Markt den Dollar oder den Franken bewertet oder unsere Aktie. Aber ich kann beeinflussen, wie viel Rendite wir für unsere Pensionskassenkunden erzielen, und ich kann mithelfen, den Standort Schweiz zu bewahren. Mit etwas, was ich nicht beeinflussen kann, halte ich mich nicht auf.

Exit mobile version