Mittwoch, Oktober 2

Alinghi war in Barcelona bis dato das schwächste der vier weitergekommenen Teams. Und konnte deshalb einem weiteren Duell mit Ineos Britannia fast nicht ausweichen. Das Boot der Briten wurde zuletzt immer schneller.

«Wir werden gewinnen.» Das sagte der Alinghi-Chef Ernesto Bertarelli im Brustton der Überzeugung vor vier Monaten gegenüber dieser Zeitung. Der gleiche Satz war auch in den Lagern der anderen Challenger zu hören, die in Barcelona die Ausscheidungsregatta für den 37. America‘s Cup bestreiten, ebenso von den unterdessen ausgeschiedenen Franzosen.

Dieses Selbstverständnis ist im Cup systemrelevant. Als anno 1851 im Rennen rund um die Isle of Wight, welches für den Cup den Ursprung bildet, sich als erste nicht die britische Jacht der Ziellinie näherte, sondern der amerikanische Schoner «America», soll sich zwischen der Königin Victoria und einem Rennkommissär folgender Dialog abgespielt haben.

Königin: «Sind die Jachten in Sicht?»

Rennkommissär: «Nur die America, wenn es Eurer Majestät beliebt.»

Königin: «Welche ist die zweite?»

Rennkommissär: «Ah, Eure Majestät, es gibt keine zweite.»

Diese Aussage steht sinnbildlich dafür, dass im America’s Cup seit je nur der Sieg etwas zählt, den Zweitplatzierten interessiert sozusagen niemanden. Philippe Presti, der Coach von Luna Rossa, brachte es kürzlich auf den Punkt: «Du kannst in der Vendée Globe Letzter werden und eine tolle Geschichte erzählen. Aber wenn du hier Zweiter wirst, wird man dich mit Tomaten bewerfen.»

Das Verlieren im Cup hat Alinghi bis jetzt erst einmal erlebt, 2010, als die Schweizer durch einen Gerichtsentscheid zu einem Rennen gegen Oracle gezwungen wurden, das sie 0:2 verloren. Zuvor war Bertarelli das Kunststück gelungen, als Neuling den America‘s Cup zu gewinnen.

Ein Neustarter kann nicht damit rechnen, gleich am Anfang zu reüssieren

Auch jetzt in Barcelona sind seine Segler in der neuen Bootsklasse AC75 Newcomer. Doch die Chancen, dass Alinghi das Kunststück von 2003 in Auckland wiederholen kann, sind eher gering. In der ersten Ausscheidungsregatta haben die Schweizer auf dem Wasser nur zwei Rennen gewonnen; sie waren damit das schwächste der vier weitergekommenen Teams. So war es keine Überraschung, dass die Engländer als Sieger der Preliminary Regatta am Freitag Alinghi als Gegner für den Halbfinal der Herausforderer-Serie wählten.

Ein Vergleich mit Alinghis Erfolgsgeschichte wäre auch vermessen. Die Cup-Gewinne von 2003 und 2007 (in Valencia) stammen aus einer anderen Epoche. Die High-Tech-Boote, die heute im Flugmodus gesteuert werden, sind eine dermassen komplexe technische Angelegenheit, dass ein Neustarter nicht damit rechnen kann, gleich am Anfang zu reüssieren.

Diese Erkenntnis dürfte den Verantwortlichen von Alinghi und dem neuen Partner Red Bull schon seit längerer Zeit bewusst sein. Auch wenn das offiziell nicht bestätigt wird, verdichten sich die Anzeichen, dass Alinghi diese Challenge vor allem als Ausgangspunkt für eine weitere Teilnahme am America‘s Cup betrachtet. «Wir haben nun einen starken Kern, der eine gute Basis für die weitere Arbeit darstellt, auch für die fernere Zukunft», sagte der Co-General Manager Silvio Arrivabene.

Der nächste America’s Cup könnte bereits in zwei Jahren stattfinden. Das hat Grant Dalton, der CEO von Team New Zealand, durchblicken lassen. «Eine schnelle Wiederaufnahme der Rennen und eine gewisse Sicherheit werden als wichtig angesehen, damit die Teams Sponsoren und Personal halten und Erfahrung in der Bootsklasse sammeln können», sagte der Leader des vierfachen Cup-Siegers. Voraussetzung ist allerdings, dass Neuseeland den Cup erfolgreich verteidigt.

Vorregatten mit den AC75-Booten wären bereits im nächsten Januar möglich, so Dalton. Damit brachte der Neuseeländer das heimische Auckland als Austragungsort ins Spiel, doch er machte klar, dass ein kommerzielles Angebot vorliegen müsse. «Wenn sich ein Geschäft nicht rechnet, können wir es nicht machen.» Die Wahl Barcelonas als Cup-Stadt soll dem Team laut Presseberichten siebzig Millionen Euro eingebracht haben. In Neuseeland war eine solche Summe bis dato nicht aufzutreiben.

Die Briten vertrauen auf einen vierfachen Olympiasieger

New Zealand stellt auch in Barcelona das stärkste Team. Ausser Konkurrenz hat es acht seiner bisherigen zehn Rennen gewonnen. Während der Defender sich nun einen Monat lang auf die finale Regatta vorbereiten kann, müssen die vier Challenger jeweils in einer Best-of-Nine-Serie die beiden Teams erküren, die dann den Herausforderer der Kiwis unter sich ausmachen. Die Halbfinal-Paarung neben Grossbritannien – Schweiz lautet: Italien gegen die USA.

Alinghi werden gegen Ineos Britannia nur Aussenseiterchancen eingeräumt. Dem Genfer Arnaud Psarofaghis steht mit dem Skipper und Steuermann Ben Ainslie einer der besten Segler der Welt gegenüber. Dem vierfachen Olympia-Goldmedaillengewinner ist es nach einem eher schwachen Start gelungen, mit vier Siegen in der zweiten Round Robin die Vorserie zu gewinnen. Ainslie sagte: «Die Art und Weise, wie wir uns während der Round Robin verbessert haben, war sehr ermutigend.» Erstaunlich war die Zunahme der Bootsgeschwindigkeit, vor allem auf dem Vorwind-Kurs.

Vier Tage hatten die vier Herausforderer nun Zeit, Änderungen an gewissen Boots-Komponenten vorzunehmen: an den Foils, am Ruder und am Mast. Das Studium von Leistungsdaten der Gegner, das Durchexerzieren von Rennsituationen am Simulator sowie Testfahrten auf dem Wasser gehörten zum Programm der Teams.

Alinghis Bilanz gegen die Briten sieht schlecht aus: In drei Rennen (inklusive der Vorregatta) gab es drei Niederlagen. Zum Gegner meinte der Alinghi-Skipper Psarofaghis: «Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir von den Besten lernen – und ich denke, dass sie das beste Team sind, um uns auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten.» Auf die Frage, wen er denn ausgewählt hätte, wenn er gedurft hätte, antwortete er: «Ineos Britannia.»

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