Montag, Oktober 7

Ein 39-jähriger Italiener wurde verurteilt, seinen Onkel getötet und verbrannt zu haben. Als die Polizei ihn nach dem Urteil ins Gefängnis bringen will, fehlt vom Verurteilten jede Spur. Erst am Donnerstag nimmt die zehntägige Flucht am Gardasee ein Ende.

Als die italienische Polizei den Mörder nach seiner Verurteilung abholen will, ist niemand zu Hause. Abgeholt werden sollte ein 39-jähriger Italiener. Er wurde verurteilt, weil er seinen Onkel ermordet und in einem Ofen verbrannt hatte. Erst zehn Tage später, am Donnerstag, konnte er festgenommen werden.

Mit der Verhaftung findet der spektakuläre Fall um den sogenannten Schmelzofen-Mörder in Italien ein vorläufiges Ende. Dabei ging es auch um die Frage: Warum blieb der Mann so lange frei?

Der Fall beginnt am 8. Oktober 2015. Arbeiter der Giesserei Bozzoli in Marcheno, einer Gemeinde in der Provinz Brescia, bemerken am Abend eine ungewöhnliche Rauchwolke über dem Schornstein. Vermutet wird später, dass zu jener Zeit im Schmelzofen die Leiche des 52-jährigen Geschäftsinhabers verbrannt wurde. Wenige Minuten zuvor hatte er sich noch mit seiner Frau zum Abendessen verabredet. Dazu aufgetaucht ist er jedoch nie. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.

Der Tat verdächtigt wurde der Neffe des Firmeninhabers. Er soll seinen Onkel kurz zuvor getötet und anschliessend in den glühend heissen Schmelzofen geschoben haben.

Angeklagter legt immer wieder Berufung ein

Bis zuletzt bestritt der Neffe die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden. Er habe seinen Onkel geliebt, beteuerte er vor Gericht. Für die Anklage erschwerend kam hinzu, dass es keine Leiche gibt. Auch im Ofen konnten keine Überreste sichergestellt werden – bei den enormen Temperaturen nicht erstaunlich.

Trotzdem kamen drei Gerichte übereinstimmend zu dem Urteil, dass der Neffe der Mörder gewesen sein müsse. Er habe seinem Onkel gegenüber «hartnäckigen und unbändigen Hass» gehegt, weil dieser aus seiner Sicht hinter dem Rücken der restlichen Familie Geld gescheffelt habe. In seinem Handy hatte er dessen Nummer unter «Arschloch» gespeichert.

Mehrfach legte der Neffe Berufung ein. Am 1. Juli 2024 erklärte ihn dann der Kassationsgerichtshof in Rom, das höchste Gericht Italiens, für schuldig.

Nach dem Urteil fehlt vom Verurteilten jede Spur

Als die Polizei ihn nach dem Urteil des Kassationsgerichtshofs am 1. Juli in seinem Haus am Gardasee abholen wollte, war der 39-Jährige weg. Auch seine Lebensgefährtin und sein Sohn waren nicht auffindbar. Obwohl der Mann von den unteren Instanzen wiederholt zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt worden war, sass er bislang keinen einzigen Tag in Haft.

Seine Flucht sorgte in Italien für Kritik an den Behörden. Wieso sass der Verurteilte nicht schon zuvor im Gefängnis? Die Staatsanwaltschaft von Brescia und später die Generalstaatsanwaltschaft hatten von einer Haft abgesehen. Sie waren der Meinung, dass keine Fluchtgefahr bestehe.

«Im Nachhinein fragt man sich, ob man wirklich richtig gehandelt hat», sagte der Staatsanwalt Pier Luigi Maria Dell’Osso zur Zeitung «Corriere della Sera». Aber der Verurteilte sei «immer ansprechbar und erreichbar» gewesen. Tatsächlich erschien er zu allen Terminen vorschriftsgemäss – nur bei der Urteilsverkündung der letzten Instanz war er abwesend.

Erst wurde vermutet, dass er die Verkündung des Urteils zu Hause mit der Familie abwarte. Doch er hatte die Flucht ergriffen. Ein internationaler Haftbefehl wurde erlassen. Über seinen Aufenthaltsort gab es wilde Spekulationen. Das Auto der Familie, ein Maserati, soll schon am 23. Juni in Richtung Frankreich unterwegs gewesen sein. Aus Spanien kam später die Meldung, dass sich ein Paar mit den entsprechenden Papieren bis zum 30. Juni in Marbella eingemietet gehabt habe.

Die Lebensgefährtin und der Sohn tauchten am 5. Juli wieder auf. Sie kamen mit dem Zug aus Frankreich nach Italien zurück. Die Frau behauptete, sie stehe unter Schock und leide unter Gedächtnisverlust.

Der flüchtige Verurteilte wurde am Donnerstagabend in seinem Haus am Gardasee festgenommen. Er hatte sich in einer Kommode im Schlafzimmer versteckt. In seinem Portemonnaie seien 50 000 Euro gefunden worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Das Haus sei verwanzt und überwacht worden, weshalb man die Rückkehr bemerkt habe.

Die Umstände der Festnahme deuten laut Staatsanwaltschaft nicht darauf hin, dass er die Absicht hatte, sich zu stellen. Nach wie vor beteuert er seine Unschuld. Die Nacht von Donnerstag auf Freitag war die erste, die er im Gefängnis verbrachte.

Mit Agenturmaterial.

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