Mittwoch, Oktober 30

Der Schweizer Meister Genf/Servette kann am 20. Februar die Champions Hockey League gewinnen. Das klingt glamouröser, als es ist.

Genf/Servette hat am Dienstag bei Lukko Rauma trotz einem frühen Zweitorerückstand 3:2 gewonnen und erreicht als erstes Schweizer Team seit der Wiederbelebung der Champions Hockey League (CHL) in der Saison 2014/15 den Final.

Tanzende, enthemmte Massen rund um das Genfer Seebecken und ein Millionensegen für die Klubkasse, so wie das im Fussball der Fall wäre? Mitnichten. Bis und mit Halbfinal war der europäische Wettbewerb für Servette ein Zuschussgeschäft. Die Antrittsgage für die 24 Teams liegt bei 65 000 Euro, der Verlust für Servette aber betrug knapp 100 000 Franken. Das Hinspiel gegen Rauma wollten vor Wochenfrist 4371 Leute sehen. In der Meisterschaft liegt der Durchschnitt bei 2000 Zuschauern mehr, sogar an einem Dienstagabend gegen Kloten wurden 800 Eintritte mehr verkauft.

Das ist kein Schweizer Phänomen. Bei den Achtelfinal-Hinspielen erreichte keine einzige Partie eine Stadionauslastung von wenigstens 50 Prozent. Es wird Champions League gespielt, und keiner geht hin.

Europäische Kontinentalwettbewerbe im Eishockey haben traditionell einen schweren Stand. Mehrere Versuche versandeten aufgrund anhaltender finanzieller Probleme, darunter auch die mit viel Geld aus Russland alimentierte erste CHL-Version, die 2009 überraschend von den ZSC Lions gegen Metallurg Magnitogorsk gewonnen wurde. Zu einer zweiten Austragung kam es nicht.

CHL Final 2: ZSC Lions - Metallurg Magnitogorsk (ZSC WIN CHL)

Der Champions Hockey League fehlt die Akzeptanz beim breiten Publikum

Die 2014 gestartete zweite CHL-Variante ist sportlich ein Erfolgsprodukt, immerhin das. Die Spiele sind oft hochstehend, der Modus ist nach einer reichlich unübersichtlichen Anfangsphase – die Schweiz hatte bis zu fünf Startplätze – inzwischen bereinigt. Und die Teilnahme von Teams der russischen KHL, in den ersten Jahren ein ewiger Streitpunkt, ist seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine ohnehin kein Thema mehr.

Nicht geholfen hat der Akzeptanz beim breiten Publikum, dass die CHL in den acht bisherigen Jahren stets von Teams aus Schweden (sechsmal) oder Finnland (zweimal) gewonnen wurde. Und dass den Zuschauern auch nach all den Bemühungen der letzten Jahre Vergleiche mit ausländischen Teams nicht wirklich ein Bedürfnis sind.

Das ist nachvollziehbar – die grossen, bekannten Stars spielen in der NHL. Selbst Insider tun sich schwer damit, aus dem Stegreif einen Spieler von Rauma zu nennen. Einer der Torschützen am Dienstag war Brayden Burke, ein kanadischer No-Name, der im Vorjahr für den Swiss-League-Klub Visp nicht gut genug war.

Ein erfahrener Schweizer Eishockeyfunktionär mit CHL-Erfahrung sagt es so: «Für den Grossteil der Zuschauer ist die Qualität der Spiele sekundär. Sie kommen, weil sie Derbys sehen wollen, weil es ihnen um Tradition und Emotionen geht. Lieber sechsmal Bern gegen Langnau als einmal Helsinki sehen.»

Nicht förderlich war dem Ansehen der Champions Hockey League, dass das Preisgeld auf diese Saison hin um mehr als eine Million Euro gekürzt wurde, nachdem der bis 2028 gültige Vermarktungsvertrag mit Infront pandemiebedingt neu hatte verhandelt werden müssen. Für die Teilnehmer kann es unter diesen Umständen schwierig sein, kostendeckend zu wirtschaften. Sparta Prag etwa drohte kürzlich sogar damit, im Falle einer Qualifikation nicht anzutreten. In der Vergangenheit wurde über schwedische Teams gemunkelt, die ein Verpassen der CHL begrüssen würden.

Sicher ist: Nicht überall geniesst der Wettbewerb höchste Priorität. Die Rapperswil-Jona Lakers mussten im Viertelfinal-Rückspiel gegen Vitkovice aufgrund einer Länderspielabstellung auf ihren tschechischen Superstar Roman Cervenka verzichten. Der Zwist liess sich trotz etlichen diplomatischen Bemühungen tagelang nicht lösen.

Und es sagt auch etwas über die Bedeutung der Champions Hockey League aus, dass Lukko Rauma vergangene Woche weniger als 24 Stunden nach dem Spiel in Genf in Tampere antreten musste und dort knapp vier Stunden vor Spielbeginn landete.

Das europäische Geschäft ist für Genf/Servette die Chance, die Saison zu retten

Die Schwierigkeiten der CHL sollen den Erfolg von Genf/Servette nicht schmälern. In der National League liegt das Team nur auf Platz 8, nach dem Gewinn des ersten Meistertitels der Klubgeschichte fehlt es an der Leichtigkeit. Dem Trainer Jan Cadieux, das ist zu vernehmen, sei es in den letzten Wochen intern nicht immer gelungen, den Frust über die wechselhaften Darbietungen zu kaschieren.

Die sportliche Not war so gross, dass der Manager Marc Gautschi im Dezember den finnischen Nationaltorhüter Jussi Olkinuora verpflichtete. Noch nie in der Geschichte der National League hat ein Team für die Torhüter so viel Geld ausgegeben wie Servette für das Trio Olkinuora, Gauthier Descloux und Robert Mayer. Olkinuora, 2022 Olympiasieger und Weltmeister, hat die Equipe etwas stabilisieren können.

Im Final treffen die Genfer am 20. Februar auf Skelleftea. Der Sieger erhält 360 000 Euro – und für Servette könnte es die Chance sein, eine zwiespältige Saison zu retten.

Skelleftea ist eine leicht verschlafene Kleinstadt in der nordschwedischen Provinz und hat viele prägende Eishockeyexporte hervorgebracht, unter ihnen etliche Spieler, die den Klub als Sprungbrett für eine NHL-Karriere nutzten. John Slettvoll, eine Trainerikone, arbeitete dort, ehe er im HC Lugano in den 1980er Jahren eine Dynastie erschuf. Später wirkten Hans Wallson und Lars Johansson lange erfolgreich, ehe ihre Karriere bei den ZSC Lions einen Knick erlitt.

Der Vergleich findet in Genf statt. 7200 Zuschauer fasst die Les-Vernets-Halle. Es müsste möglich sein, das Stadion für dieses Happening mit dem Genfer Eventpublikum zu füllen. Auch wenn der Gegner nicht Lausanne oder Gottéron heisst.

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