Samstag, September 28

Um eine Bleivergiftung zu vermeiden, sollte man nicht allzu oft aus antiken Karaffen und Gläsern trinken – und kein Keramikgeschirr im Ausland kaufen.

Leserfrage: Kann man sich mit dem Blei aus antiken Kristallgläsern vergiften?

Wer eine Schussladung Blei in den Bauch bekommt, stirbt womöglich an inneren Verletzungen. Blei ist aber nicht nur als Geschoss tödlich, sondern auch in winzigen Mengen. Denn das Schwermetall reichert sich im Körper an und ist gesundheitsschädlich, wenn es über längere Zeit mit der Luft oder der Nahrung aufgenommen wird. Zahlreiche Menschen sind in der Vergangenheit an solchen Bleivergiftungen erkrankt.

Wohl & Sein antwortet

In der Rubrik «Wohl & Sein antwortet» greifen wir Fragen aus der Leserschaft rund um Gesundheit und Ernährung auf. Schreiben Sie uns an wohlundsein@nzz.ch.

Deshalb sind heute viele bleihaltige Stoffe verboten, etwa Benzin oder Anstrichfarben mit Bleizusätzen. Auch Kristallglas wird mittlerweile bleifrei hergestellt. In antiken Bleikristallgefässen – kurz: Kristallglas – ist das Schwermetall aber noch enthalten. Bei Kontakt mit sauren Flüssigkeiten wie Wein oder Essig löst es sich und gelangt in den menschlichen Körper.

Kristallkaraffen sind ungeeignet

Bewahrt man seinen Portwein in einer antiken Karaffe aus Kristallglas auf und trinkt regelmässig davon, schadet man womöglich seiner Gesundheit. Dieses Fazit kann man aus einer Studie ziehen, die 1991 in der Fachzeitschrift «Lancet» publiziert wurde. Zwei Forscher zeigten damals, dass der Bleigehalt von Portwein nach vier Monaten in einer antiken Kristallkaraffe von 0,09 Milligramm pro Liter auf bis zu 5,3 Milligramm pro Liter anstieg – je nach Karaffe schwankten die Werte beträchtlich. Verschiedene Spirituosen, die mehrere Jahre darin aufbewahrt wurden, enthielten noch weitaus höhere Werte. Aber sind diese Mengen wirklich problematisch?

Nimmt ein Erwachsener 5 Gramm einer löslichen Bleiverbindung ein, kann dies gefährliche Krämpfe und Hirnschäden auslösen, die tödlich enden. Die Menge ist wohlbemerkt tausendmal höher als das, was in dem höchstbelasteten Portwein gefunden wurde.

Aber auch geringere Mengen – ab etwa einem Milligramm täglich – können mit der Zeit eine chronische Bleivergiftung verursachen. Die Symptome reichen von Persönlichkeitsveränderungen, Müdigkeit und Reizbarkeit über Blutarmut und Herz-Kreislauf-Probleme bis zu Störungen der Hirnentwicklung und verminderter Intelligenz. Wer also täglich ein gut gefülltes Weinglas von besagter Karaffe trinkt, könnte sich damit wirklich schaden. Deshalb eignen sich antike Kristallgefässe nicht für eine längere Aufbewahrung.

Aber wie sieht es aus, wenn man ebensolche Trinkgläser verwendet? Wie die «Lancet»-Studie zeigte, lösen sich Bleiverbindungen bei Kontakt mit Säuren auch nach kurzer Zeit. So verdoppelte sich der Bleigehalt von Weisswein nach einer Stunde von 33 auf durchschnittlich 68 Mikrogramm pro Liter. Allerdings müsste man täglich viele Liter Wein oder Coca-Cola aus solchen Gläsern trinken, um damit auf schädliche Bleiwerte im Körper zu kommen.

Doch selbst wenn man darauf verzichtet, bleifrei bleibt der Körper nicht: Die meisten Lebensmittel enthalten Spuren von Blei, die aus der Umwelt aufgenommen werden. Die gesetzlichen Grenzwerte werden so gesetzt, dass Erwachsene und Kinder bei einem normalen Konsum keine chronischen Vergiftungen erleiden. So liegen die tolerierbaren Höchstwerte für Trinkwasser bei 10 Mikrogramm pro Liter, für Wein, von dem man in der Regel weniger trinkt, sind sie 10-mal so hoch.

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Warnung vor Keramik

Die Wahrscheinlichkeit einer Bleiexposition aus Kristallgläsern wird laut einem Fact-Sheet des Bundesamts für Gesundheit (BAG) als gering eingeschätzt. Eine grössere Gefahr stellen zum Beispiel alte Farbanstriche, bleihaltige Künstlerfarben, Wildfleisch sowie Tabakrauch dar. Zudem warnt das BAG vor Keramikgeschirr, das im Ausland gekauft wurde. Gewisse Glasuren, die nicht für Geschirr verwendet werden sollten, enthalten höhere Mengen Blei. In der Schweiz und in Deutschland sind die Hersteller und der Fachhandel dafür verantwortlich, dass ihre Waren keine Gefährdung für die Gesundheit darstellen. Es werden auch Stichproben durchgeführt.

In der Schweiz sind die Bleiwerte im Blut der Bevölkerung seit vielen Jahren rückläufig, was etwa den Verboten von Benzin und Farben, die Blei enthalten, zugeschrieben wird. Dennoch wird der Schwellenwert für eine chronische Bleivergiftung von einzelnen Personen überschritten.

Um das eigene Risiko zu reduzieren, empfiehlt das BAG unter anderem, Keramikgeschirr unbekannter Herkunft nicht für Lebensmittel zu verwenden sowie belastete Farbanstriche von Fachleuten renovieren zu lassen. Viele Häuser, die vor dem Jahr 2006 gebaut wurden, sind davon betroffen.

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