Sonntag, November 24

Wer nur auf ein Fortbewegungsmittel im Strassenverkehr setzt, könnte bald abgehängt werden. Selbst für eingefleischte Autofahrer lohnt sich die Wahl weiterer Fahrzeuge. Das geht auch nachhaltig.

Multimodal ist das Fremdwort der Stunde. Wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, wird der Fachbegriff immer wieder genannt. Gemeint ist, dass es für das Zurücklegen einer Strecke von A nach B nicht nur ein Verkehrsmittel geben muss, sondern mehrere nacheinander.

Wir könnten uns beispielsweise zu Hause aufs Velo schwingen und zur Bushaltestelle fahren. Dort das Fahrrad parkieren und im Bus zum Bahnhof weiterfahren, wo wir in den Zug steigen. Am Zielbahnhof angekommen könnte man dann ein Auto eines Carsharing-Anbieters wie Mobility oder Ubeeqo mieten, um selbst ans abgelegenste Ziel zu gelangen. Für den allerletzten Kilometer ist sogar ein E-Trottinett eine Variante, wenn denn eines verfügbar ist.

Das ist multimodale Mobilität – und die gibt es schon heute – sogar emissionsfrei mit Elektrobus, -bahn und -Auto. Am nachhaltigsten wäre es, die Wegstrecke zu Fuss zurückzulegen, nur leider fehlt dazu oft die Zeit oder die Gesundheit lässt dies nicht zu. Für multimodal nachhaltiges Fortkommen muss der moderne Mensch allerdings bereit sein, umzusteigen – am besten mehrfach.

Eine weitere Möglichkeit der Multimodalität wäre es, wenn zu Hause die Wahl der Verkehrsmittel durch ein elektrisches Motorrad oder einen E-Roller erweitert würde. BMW hat als einer von mehreren Herstellern darin eine Marktchance erkannt. Der vor fast 25 Jahren lancierte C1 war ein ungewöhnlicher Roller mit Überrollkäfig, den man ohne Helm, aber mit zweifachem Sitzgurt fahren konnte. Er war witzig, aber klobig – und floppte. Selbst eine 2021 lancierte Version mit Elektroantrieb brachte keinen nennenswerten Erfolg.

Doch der Hersteller glaubt weiterhin an die Idee des batterieelektrischen Rollers für die Stadt. Spass sollen solche Gefährte machen, und dabei auch praktisch sein – wenn das Wetter stimmt. Der neue Vorschlag von BMW heisst CE 02 und ist kleiner, handlicher als der erfolglose Vorgänger. Er ist batterieelektrisch angetrieben und weniger klobig gestaltet, eher wie ein klassisches Naked Bike – ohne Verschalung.

So fällt der Blick auf unterschiedliche Komponenten des elektrischen Antriebs, die sich an den Flanken des CE 02 zeigen, darunter das rundliche Motorgehäuse und der bullige Stossdämpfer der Einarmschwinge fürs Hinterrad. Auffällig ist einerseits das Fehlen einer Auspuffanlage – daran wird man sich bei elektrischen Motorrädern und Scootern gewöhnen – und andererseits der mit zwei filigranen Schienen verkleidete Riemenantrieb am Hinterrad.

Die in Aluminium gegossenen 14 Zoll grossen Scheibenräder sind mit eng anliegenden Schutzblechen versehen und wirken dadurch fast wie freistehend. Die Teleskopgabel am Vorderrad ist in der Highline-Ausstattung goldfarben eloxiert und soll damit an edle Motorräder höherer Klassen erinnern. Der Hintergrund: BMW möchte den CE 02 weder als E-Roller noch als E-Motorrad positionieren. Die Marketing-Abteilung hat für den Flitzer das Wort «E-Parkourer» kreiert, der als robustes und aufs Notwendigste reduziertes Gefährt in urbanen Ballungsräumen zum Einsatz kommen soll.

Mit dem Smartphone per App vernetzt

Das Cockpit des CE 02 ist spartanisch. Ein einfach ablesbares Display informiert über Fahrgeschwindigkeit und Ladestand, ein Smartphone lässt sich darunter ebenfalls einspannen und an eine USB-C-Buchse anschliessen. Per App zeigt das Smartphone je nach Wunsch die Navigation an und kann sogar die Fahrt aufzeichnen. Das Telefon kann zudem als Zündschlüssel konfiguriert werden, aber auch sonst muss ein Schlüssel nur in der Hosentasche mitgeführt werden.

Wie ein Parkours-Künstler von Fassade zu Balkon schwingt sich der CE 02 natürlich nicht durch die Städte. Doch er lässt sich auch für Fahranfänger einfach bedienen und fahren. Es gibt ihn in der Schweiz nur in der Leistungsklasse mit elf Kilowatt, die schwächere Variante mit 4 kW ist in anderen Ländern zusätzlich erhältlich.

Für erste Testfahrten bei sonnigem Wetter in und um Lissabon stand eine Version mit Highline-Ausstattung (1020 Franken Aufpreis) bereit, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h sogar auf Schnellstrassen und Autobahnen zugelassen wäre. Serienmässig verbaut sind ein Antiblockiersystem für das Vorderrad, eine automatische Stabilitätskontrolle und eine Rückfahrhilfe.

Das Aufsteigen ist bei einer Sitzhöhe von 75 Zentimetern ein Leichtes. Am Lenker – bei Highline mit beheizbaren Griffen – lassen sich drei Fahrmodi vorwählen. «Flow» ist für das Mitschwimmen im städtischen Alltagsverkehr gedacht, «Surf» eignet sich für dynamische Fahrten auf der Landstrasse. Wem das nicht genügt, der wählt «Flash» für die besonders sportlichen Fahrerlebnisse. Letzterer Modus ist allerdings nur in der optionalen Highline-Sonderausstattung serienmässig, kann aber als eigene Option im Zubehörhandel nachgerüstet werden.

Auf der Fahrt zeigen sich die robusten Räder selbst rumpeligen Oberflächen wie Kopfsteinpflaster gewachsen, ohne den Fahrkomfort zu schmälern. Flotte Ampelstarts gelingen mit der Automatik problemlos und traktionsfrei. Gewöhnungsbedürftig ist die schmale Sitzbank, die immerhin ermöglicht, die Sitzposition längs frei zu wählen. Das Gefühl in Kurven ist trotz fehlender Sitzstruktur aber angenehm, das Gewicht von gut 130 Kilogramm lässt sich dank guter Balance einfach beherrschen. Das zulässige Gesamtgewicht liegt bei 315 Kilogramm, was Fahrten zu zweit ermöglicht.

Die Reichweite genügt für Stadtfahrten ohne Zwischenladen

Dass der CE 02 nicht so schwer ist, lässt sich vor allem der Batterie mit knapp vier Kilowattstunden Energieinhalt zuschreiben. Die Reichweite von nach WMTC-Norm gemessenen 90 Kilometern erlaubt Fahrten in urbanen Räumen und dem weiteren Umfeld. Nachgeladen wird ganz einfach an der Haushaltsteckdose mit 0,9 kW. Soll es einmal etwas schneller gehen, lässt sich die Ladeleistung per Schnellladegerät auf 1,5 kW steigern. Es ist in der Highline-Ausstattung enthalten oder als Zubehörteil erhältlich.

Als progressiv gestalteter Elektro-Scooter eignet sich der BMW CE 02 bestens für die täglichen Fahrten. Ob dies auch bei starkem Regen der Fall ist, konnten wir genauso wenig ausprobieren wie die Dauer, bis die Batterie wieder aufgeladen ist. BMW gibt für eine volle Ladung von 0 auf 100 Prozent gut fünf Stunden an. Mit dem Schnellladegerät soll sich die Zeit auf dreieinhalb Stunden verkürzen.

Für die neue multimodale Mobilität würde sich der CE 02 eignen. Man denke etwa an die Zeitersparnis, wenn man – mit den Verkehrsregeln konform – links an Autoschlangen vorbeirollt. Doch aufgepasst: Wer sich vor der Autokolonne wieder an der Ampel aufstellt, kommt zwar bei Grün flott voran. Aber immer mehr Elektroautos verfügen über einen ähnlichen Schub – der frühere Vorteil ist in solchen Fällen keiner mehr.

Auf einer Fahrt von der Agglomeration ins Stadtzentrum lassen sich auf einem CE 02 aber selbst gegenüber dem öffentlichen Verkehr einige Minuten Fahrzeit einsparen, das nervige Warten im Stau lässt sich so mitunter elegant verkürzen. Vorausgesetzt, man ist bereit, in einen E-Scooter zu investieren. Beim CE 02 fallen 7700 Franken an, wenn vor Ende Mai 2024 bestellt wird. Danach steigt der Preis auf 8700 Franken.

Doch das Angebot an elektrischen Stadt-Rollern wird stetig grösser. Andere Produkte sind günstiger, doch stammen sie oft von chinesischen Herstellern, deren Marken hier kaum bekannt sind.

Werden wir also bald in grossen Städten nur noch elektrische Roller anstelle von Autos vorfinden? Eher nicht in den nächsten zehn Jahren. Denn einerseits muss die Lieferlogistik weiterhin auf leichte Nutzfahrzeuge setzen, und andererseits ist nicht jedes Wetter zum Rollerfahren geeignet. Dann kommt die Multimodalität voll zum Zug.

Die Testfahrten wurden von BMW unterstützt.

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