Donnerstag, Mai 1

Über 17 Millionen Banknoten sind in den letzten 50 Jahren auf rätselhafte Weise verschwunden. Doch das Geld ist nicht verloren.

Es ist eine Rückrufaktion der besonderen und vor allem der lukrativen Art. Per 1. Mai 2000 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Bevölkerung aufgefordert, die Banknoten der sechsten Serie umzutauschen. Die 1976 herausgegebenen Scheine, die unter anderem den Naturforscher Auguste Forel (1000-Franken-Note), den Architekten Francesco Borromini (100-Franken-Note) und den Mathematiker Leonhard Euler (10-Franken-Note) zeigen, sind seit diesem Datum nicht mehr offizielles Zahlungsmittel.

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25 Jahre sind seither vergangen und damit steht ein weiteres entscheidendes Datum für das Schweizer Geldsystem an. Per 1. Mai 2025 zahlt die SNB nämlich den Geldwert der bis anhin nicht zurückgegebenen Banknoten zurück. Wie hoch die zur Auszahlung kommende Summe genau ist, will die Nationalbank auf Anfrage der NZZ nicht verraten. «Die SNB gibt zu den in Umlauf befindlichen Noten keine Daten auf Tagesbasis bekannt», schreibt die Mediensprecherin Barbara Peter. Dies, obwohl die SNB sich intensiv um das verschwundene Geld kümmert und über eine tagesaktuelle Statistik verfügt.

Die genaue Höhe der Rückzahlung könne erst nach dem Stichtag 30. April 2025 bestimmt werden, teilt die Nationalbank auf Nachfrage mit. Wann dies der Fall sein wird, lässt sie ebenfalls offen. «Die SNB wird zu gegebener Zeit über die Beträge informieren», lässt Barbara Peter ausrichten. Eines ist aber jetzt schon klar: Es ist eine Menge Geld, die zur Verteilung ansteht.

1 Milliarde aus dem Nichts

Aus dem Jahresbericht 2024 der SNB geht immerhin hervor, dass Ende 2024 noch rund 17,2 Millionen Banknoten im Wert von rund 1 Milliarde Franken im Umlauf waren. Da in den letzten Monaten nicht überdurchschnittlich viele Noten umgetauscht wurden, ist davon auszugehen, dass die SNB tatsächlich 1 Milliarde Franken buchstäblich aus dem Nichts in gutes Geld verwandeln wird.

Wer in den Genuss des Geldsegens kommt, ist gesetzlich geregelt, und zwar im «Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel». 2018 hat das Parlament diesen Verteilschlüssel festgelegt und damit dem Bundesrat einen Strich durch die Rechnung gemacht, der ausschliesslich die Nationalbank mit dem Geld beglücken wollte. Immerhin bleiben noch 10 Prozent, also rund 100 Millionen Franken, bei der SNB. Damit soll sichergestellt werden, dass die oberste Währungshüterin ihrer unbefristeten Umtauschverpflichtung auch in Zukunft nachkommen kann.

Über einen grossen Teil der verbleibenden Summe dürfen sich die Opfer von Naturkatastrophen freuen. Rund 180 Millionen Franken fliessen in den Fonds Suisse. Diese Stiftung, die früher Schweizerischer Elementarschädenfonds hiess, leistet seit 1901 finanzielle Beiträge an Schäden, die durch unvorhersehbare Naturereignisse verursacht werden und für die keine Versicherung abgeschlossen werden kann. Aktiv wurde der Fonds beispielsweise im Sommer 2024, als extreme Unwetter im Misox, im Wallis, in der Waadt und im Maggiatal grosse Schäden anrichteten.

Weitere grosse Nutzniesser sind Bund und Kantone und damit alle Schweizerinnen und Schweizer. Umgerechnet auf jeden Einwohner und jede Einwohnerin fliessen rund 80 Franken. Die SNB überweist den Zustupf allerdings nicht direkt auf das Bankkonto jedes Einzelnen. Auch eine Rückerstattung in Form eines einmaligen Steuerrabatts oder einer Verbilligung der Krankenkasse gibt es nicht. Vielmehr versickern die etwas über 700 Millionen Franken in den Tiefen der Kassen von Bund und Kantonen.

Die eidgenössische Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat den Geldsegen aus den verschwundenen Banknoten denn auch bereits in den Vorschlag 2025 eingerechnet und 236 Millionen Franken budgetiert. Auch die Kantone haben die rund 470 Millionen Franken längst verplant. Der Kanton Zürich erhält 85 Millionen Franken, Bern 56 Millionen Franken und Basel-Stadt 11 Millionen Franken.

So willkommen der Geldsegen für die Staatskassen ist, so rätselhaft bleibt, wohin die über 17 Millionen fehlenden Geldscheine verschwunden sind. So hat die SNB keine Kenntnisse, wo sich die ausgegebenen Banknoten befinden. Auch der damalige Finanzminister Ueli Maurer konnte nichts zur Aufklärung beitragen, als der Nationalrat über die Verteilung diskutierte. «Viele Banknoten sind vielleicht als Souvenir von einer Reise in die Schweiz irgendwo im Ausland gelandet, und man will sie nicht zurückgeben. Andere Noten sind vielleicht verlorengegangen, zerstört oder beschädigt worden», mutmasste Maurer.

Wer in den nächsten Jahren eine Banknote der sechsten Serie findet, muss sich nicht ärgern, zu spät gekommen zu sein. Obwohl die Rückruffrist nun abgelaufen ist, können die Scheine bei der Nationalbank unbegrenzt zum vollen Nennwert umgetauscht werden. Möglich ist dies bei den Kassenstellen der SNB in Bern und Zürich sowie bei einigen Kantonalbanken, die für die Schweizerische Nationalbank als Agenturen tätig sind. Dieser unbefristete Umtausch ist neu. Banknoten früherer Serien, die bereits zurückgerufen wurden, können bei der SNB nicht mehr umgetauscht werden. Das Geld ist endgültig verloren.

Weitere Milliarden zu erwarten

Ende April 2021 haben die Banknoten der achten SNB-Serie, die zwischen 1995 und 1998 ausgegeben wurden, ihren Status als offizielles Zahlungsmittel verloren. Vor den Kassen der Nationalbank in Zürich und Bern bildeten sich deshalb zeitweise lange Schlangen. Zahlreiche Leute waren bemüht, ihre Scheine loszuwerden. Die SNB begründete die langen Wartezeiten mit rechtlichen Gründen. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des Geldwäschereigesetzes seien teilweise längere Abklärungen notwendig.

Wie viele Banknoten der achten Serie mit Motiven wie Sophie Taeuber-Arp (50-Franken-Note) oder Alberto Giacometti (100-Franken-Note) nicht mehr auftauchen, wird sich offiziell am 1. Mai 2046 zeigen. Dann steht die nächste Rückzahlung an. Ende 2024 sind noch 67,6 Millionen Banknoten der achten Serie im Wert von 8,3 Milliarden Franken im Umlauf. Bei der siebten Banknotenserie handelt es sich um eine Reserveserie, die nie ausgegeben wurde.

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