Mittwoch, Januar 15

2023 war ein Rekordjahr. Für Touristiker ist klar: Damit Zürich attraktiv bleibt, müssen die Läden am Sonntag endlich offen haben.

Auf diese Idee kämen wohl die wenigsten Zürcherinnen und Zürcher: eben einmal einen Tagesausflug aufs Jungfraujoch zu machen. Fast vier Stunden dauert die Fahrt mit dem öV nach Grindelwald, mit dem Auto sind es rund zweieinhalb Stunden. Viel zu lang! Und zu teuer, Billetts kosten mindestens 100 Franken.

Touristen aber denken in anderen Dimensionen, besonders Gäste aus Asien und den USA sind lange Fahrten gewohnt. Und so bietet Zürich Tourismus einen Tagesausflug von der Stadt aufs Jungfraujoch an: um acht Uhr geht’s los mit dem Car, es folgt ein Stopp in Interlaken zum Shoppen, danach führt die Reise zum «Top of Europe». Zwölf Stunden später ist man wieder zurück in Zürich. Macht 279 Franken.

Touren wie diese gehören zur sogenannten Hub-Strategie der Touristiker in Zürich: Die Stadt wird nicht nur als Reiseziel selbst beworben, sondern auch als Ausgangspunkt, um die Schweiz zu erkunden. Thomas Wüthrich, Direktor von Zürich Tourismus, formuliert es so: «Die Gäste wollen abends Kultur geniessen und am nächsten Morgen im Schnee stehen.»

Die Taktik scheint aufzugehen. 2023 wurden über 6,9 Millionen Logiernächte verzeichnet, das sind 6,5 Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019, also vor der Pandemie. Auch Schweiz Tourismus vermeldet am Donnerstag mit knapp 42 Millionen Logiernächten einen neuen Höchststand.

2023 ist ein neues Rekordjahr für den Tourismus

Hotelübernachtungen in der Region Zürich, in Millionen

In der Tourismusregion Zürich stammen je ein Drittel der Gäste aus der Schweiz, aus Europa und den Fernmärkten. Thomas Wüthrich begrüsst diese Diversifikation: «Sie macht uns stabiler im Hinblick auf allfällige Krisen.»

Die Briten fahren gern Zug in der Schweiz

Die deutliche Erholung nach der Pandemie hat die Touristiker überrascht. Ebenso die Zunahme bei Reisenden aus Nordamerika (+29 Prozent): In absoluten Zahlen sind sie nach den Schweizern die häufigsten Gäste. An dritter Stelle kommen die Deutschen (+4,4 Prozent), an vierter Touristen aus Grossbritannien: Hier gab es einen satten Zuwachs von fast 49 Prozent. Wüthrich vermutet, dass die Briten so gerne in die Schweiz reisen, weil sie Zugfahrten lieben – und hier auf ihre Kosten kommen.

Auch die Hotellerie hat ein gutes Jahr hinter sich, wie Michael Böhler, Präsident der Zürcher Hotellerie, vor den Medien erklärte. Die Zimmerauslastung lag im letzten Jahr bei fast 75 Prozent, vor der Pandemie waren es knapp 73 Prozent.

Was Böhler besonders freut: Touristen und Geschäftsreisende halten sich mittlerweile die Waage. Früher waren Businessleute in der Mehrheit. «Damals hätten wir die Hotels eigentlich am Freitagabend zu- und am Montag wieder aufmachen können.» Heute sei das anders.

War der Fachkräftemangel Anfang 2023 noch deutlich zu spüren, ging die Personalnot gegen Ende des Jahres zurück. Böhler sagt, die Hotels beschäftigten wieder mehr Personal mit Berufserfahrung statt Quereinsteiger.

Die Branche gelte als nicht besonders innovativ, sagt Böhler. Dabei habe sie in den letzten Jahren viel unternommen, um Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten. So seien Teilzeitpensen und zwei freie Tage am Stück die Norm, und bei einem Viertel der Zürcher Hotels habe sich – je nach Abteilung – die Viertagewoche durchgesetzt. Unter diesen Bedingungen könne man gutes Personal halten, und davon profitierten wiederum die Touristen.

Zürich soll zur «Premium-Destination» werden

Böhler und Wüthrich sind sich einig: Die Stadt Zürich ist so attraktiv, dass sie zu einer beliebten Destination für einen City-Trip geworden ist. Eine interessante Innenstadt sei deshalb zentral, sagt Böhler und hofft, dass der Bundesrat in den grösseren Schweizer Städten offene Geschäfte an Sonntagen erlaubt. «Wir wollen unsere Gäste nicht immer in den Hauptbahnhof oder an den Flughafen schicken zum Einkaufen.»

Böhler spricht sich auch explizit für die Pistenverlängerungen am Flughafen aus, über die am 3. März abgestimmt wird. Diese würden die Verspätungen reduzieren und so mehr Sicherheit für Geschäftsreisende bringen.

Die Touristiker rechnen damit, dass die Logiernächte in diesem Jahr auf hohem Niveau stagnieren werden. Die Region Zürich solle aber ohnehin nicht zu einem Reiseziel für die Massen werden, betont Thomas Wüthrich. Sondern sich als «Premium-Destination» mit hoher Qualität etablieren.

Der Tourismus müsse verträglich sein für die Bevölkerung, betont er. Eine repräsentative Umfrage von Zürich Tourismus letztes Jahr hat gezeigt, dass die Mehrheit der Einheimischen dem Tourismus positiv gegenübersteht. Das soll so bleiben. Bloss kein Overtourism, lautet die Devise. Szenen wie in Berlin oder Barcelona, wo Horden von Reisenden für Ärger sorgen, will man hier nicht.

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