Sonntag, Oktober 6

Im Skiort Excelsior hat es seit drei Jahren nicht mehr geschneit. Was passiert an so einem Ort? Eine Serie wagt die Prognose.

Ein Mann täuscht einen Orgasmus vor. Touristen fahren im Februar mit Segways durch die grüne Berglandschaft. Ein DJ an einer Party ruft: «Der Gletscher schmilzt. Die Herzen erhitzen sich.» Und los geht’s mit einer Schweizer Serie, die mehr zu bieten hat als blossen Bünzlihumor.

Die Serie spielt im fiktiven Skiort Excelsior. Es ist der dritte Winter ohne Schnee. Immer wieder sieht man Aufnahmen des Dorfes und darüber: ein immenser Gletscher, der rumort, ächzt, schmilzt. Das Unheil kündigt sich an.

Tiffany (Emilie Charriot) und Victor (Vincent Veillon) sind ein Liebespaar. Sie führen eine offene Beziehung, wobei man schnell versteht: Eigentlich ist das vor allem Tiffanys Wunsch. Sie arbeitet sich durch eine Selbstfindungsphase, will sich ausprobieren. Und Victor? Der lässt das zu. Und lenkt sich ab mit eigenen Projekten. Victor ist Persönlichkeitscoach. Er lädt Männer zum sechstägigen Workshop in sein Jurtendorf ein. Das Motto: männliche Vielfalt.

Tiffany wiederum ist Tourismusdirektorin des Skiorts. Sie ist gerade mit dem Polterabend ihrer besten Freundin Solange beschäftigt. Die Gruppe feiert im schicksten Hotel des Dorfes. Doch alles geht schief. Nach einer Nacht voller Drogen und Fasnachtsstimmung folgt der Schock: Solange, die Braut, ist verschwunden. Und das Chaos perfekt.

Die Show der Westschweizer Comedians

«Die Letzten ihrer Art» oder französisch «Espèce menacée» wurde vom Westschweizer Fernsehen RTS produziert und im Walliser Ferienort Anzère gedreht. Die sechsteilige Serie des Regisseurs Bruno Deville folgt Victor und den anderen Männern durch die Abwegigkeiten ihres Männer-Workshops. Sie rennen schreiend durch den Wald, ziehen sich aus, laufen durchs Feuer. Dann umarmen sie sich und pfeifen. Victor sagt: «Willkommen im Kreis der Murmeltiere.» Die Szenen sind lustig, ohne lächerlich zu sein. Eine Seltenheit, wenn es um stereotype Geschlechterbilder geht.

Gleichzeitig sind Tiffany und ihre Freundinnen eine wirre Truppe: Eine Frau ist Mutter und dankbar, ein Wochenende ohne Kinder zu verbringen. Das feiert sie mit Ketamin. Eine andere ist die Arbeitskollegin der Braut und immerzu am Handy. Sie arbeitet und chattet mit ihrer Freundin, die hochschwanger zu Hause sitzt. Auf der Suche nach der verschwundenen Braut Solange steigen sie zu dritt den Berg hinauf zu den Waldgeistern.

Ausserdem ist da noch Virgile, der Bruder von Victor. Ihm gehört der einzige Nachtklub im Dorf. Virgile hat hohe Schulden. Er schickt einen Saisonarbeiter hoch zum Berg, um einen Rucksack voller Geld zu holen. Plötzlich ist da eine Leiche. Und noch etwas «crime» im Skiort Excelsior. Aber damit ist noch lange nicht alles gesagt.

Die Serie wurde am Filmfestival in Locarno als Weltpremiere gezeigt, als erste Schweizer Serie überhaupt. Bekannte Figuren aus der Westschweizer Comedy-Szene spielen darin auf.

Tiffany wird von der Schauspielerin und Komikerin Emilie Charriot gespielt, die regelmässig in den Theatern in Lausanne und Basel zu sehen ist. Und das Comedy-Duo «Vincent et Vincent» ist dabei. Vincent Veillon spielt Victor, Vincent Kucholl ist Victors Bruder Virgile. Sie kennt man aus Formaten wie «52 minutes» oder «120 secondes». Oder aus einer anderen Serie aus den Schweizer Bergen: Vincent Veillon und Vincent Kucholl sind in der dritten Staffel von «Tschugger» zu sehen, als gefährliches Polizisten-Duo.

Klimawandel? Egal!

An manchen Stellen ist die Serie überladen. Sie strotzt vor persönlichen Dramen, und man muss sich damit abfinden, dass nicht jeder Handlungsstrang eine Auflösung findet. Gleichzeitig gibt es Charaktere, von denen man gerne mehr sehen würde. Von einigen Teilnehmern im Workshop über Männlichkeit zum Beispiel. Oder von der Mutter mit dem Ketamin.

Dabei ist die grosse Pointe eigentlich die Kulisse dieser Serie: die drohende Naturkatastrophe. Irgendwann passiert ein Erdrutsch, die Menschen im Dorf müssen aus Sicherheitsgründen in der Turnhalle übernachten. Dann stürzt ein Teil des Gletschers den Berg hinunter und verschüttet die Strasse. Das Dorf ist abgeschnitten.

Doch wen kümmert das schon? Man hat ja schliesslich genug zu tun mit individuellen Problemen und Problemchen. Und auch die vermeintlichen Klimaaktivisten, die während der Fasnacht protestieren, haben in Wahrheit andere Interessen. Die Natur, so muss man feststellen, ist in Excelsior den meisten egal.

Und so nimmt in diesem fiktiven Skiort eine dystopisch anmutende Erzählung ihren Lauf, die mit viel Humor Absurditäten unserer Zeit einfängt. Die Protagonisten kurieren ihre Midlife-Crisis mit einem Bad im Eiswasser und klettern mit Tourenskis den schneelosen Berg hinauf. Niemand wundert sich. Die Sonne scheint.

«Die Letzten ihrer Art» läuft bis zum 9. September exklusiv auf Play Suisse. Im Februar 2025 wird die Serie auf RTS ausgestrahlt.

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