Nach dem Unfall sahen die Behörden lange Zeit keinen Handlungsbedarf. Nun ändern sie ihre Haltung.

Kurz vor Weihnachten 2022 kommt ein fünfjähriger Bub auf dem Weg in den Kindergarten am Escher-Wyss-Platz in der Stadt Zürich ums Leben. Er wird, so vermutet es später die Polizei, von einem Lastwagen erfasst und anschliessend von einem oder mehreren Autos überrollt. Die genauen Umstände des Unfalls bleiben trotz intensiven Ermittlungen im Dunkeln.

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Der Unfall passiert zur morgendlichen Pendlerzeit. Der Bub befindet sich auf dem Weg von seiner Wohnsiedlung in den Kindergarten im Schulhaus Schütze auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes. Der Bub ist daran, eine stark befahrene Strasse sowie Tramgleise zu überqueren. Ein Passant entdeckt ihn kurz nach 8 Uhr und alarmiert den Notruf. Die Rettungskräfte können nur noch seinen Tod feststellen.

Die öffentliche Betroffenheit nach dem Unfall ist gross. Noch am selben Tag beginnt die Politik, über Schulwegsicherheit zu diskutieren. Bald wird bekannt, dass sich die Eltern des Buben grosse Sorgen um die Schulwegsicherheit machten und deswegen an die Stadt gelangten – erfolglos.

Stadt sagt, Querung gelte nicht als riskant

Nach dem Unfall wollen die Behörden zunächst keinen Handlungsbedarf erkennen. Die städtische Dienstabteilung Verkehr gibt an, die Querung gelte nicht als riskant.

Auch als der Druck aus dem Stadtparlament zunimmt, hält der Stadtrat an dieser Haltung fest. Er antwortet im Sommer 2023 auf eine parlamentarische Anfrage, der Weg über den Escher-Wyss-Platz enthalte «keine unzumutbaren Gefahrenmomente, die eine Begleitung der Kinder als zwingend erscheinen lassen».

Entscheidend ist in dieser Diskussion, dass der Bub auf einer Route verunglückte, die direkt über den Platz führt. Der offiziell empfohlene Schulweg führt aber über einen anderen, in der Nähe gelegenen Übergang. Diese Variante ist zwar sicherer, verlängert aber den Schulweg. Der Stadtrat schreibt in seiner Antwort, es sei an den Eltern und an der Schule, die Kinder zum Benützen des sichersten Schulwegs anzuhalten.

Die SVP bringt die Idee auf, die alte, in den neunziger Jahren geschlossene Personenunterführung unter dem Escher-Wyss-Platz zu reaktivieren. Doch bald wird klar, dass dies viel zu aufwendig wäre: Die Unterführung wurde nicht nur zugemauert, sondern aufgefüllt.

Für viele Politiker und Anwohner bleibt die Situation unbefriedigend. Zumal sich die Situation dadurch zu verschärfen droht, dass künftig deutlich mehr Schulkinder die Kreuzung überqueren müssen.

Denn die Stadt baut auf dem nahen Areal «Tramdepot Hard» 193 Wohnungen. Im Juli werden die Wohnungen bezugsbereit sein. Die Schule schätzt die Zahl der Schulkinder aus dieser Siedlung mittelfristig auf rund 100. Sie alle werden die Kreuzung überqueren müssen.

Unter politischem Druck rücken die Behörden schliesslich von ihrer ursprünglichen Haltung ab. Anstatt weiter darauf zu beharren, dass die Kinder den eigentlich vorgesehenen, längeren Schulweg unter die Füsse nehmen sollen, macht die Stadt nun den kürzeren Weg direkt über den Platz sicherer.

Bodenlichter in der Mitte des Escher-Wyss-Platzes

Zunächst führte die Stadt im Sommer 2024 am Escher-Wyss-Platz und auf umliegenden Strassen Tempo 30 ein. Nun verkündet sie am Montag zwei weitere Massnahmen: Die seit langem geforderten Verkehrslotsen kommen doch zum Einsatz. Zudem führt die Stadt ein Verkehrssystem mit Bodenlichtern ein – ein Novum in dieser Form. Es kostet rund 300 000 Franken.

Die Bodenlichter dienen dazu, das Queren der Tramgleise für die Schulkinder sicherer zu machen. Sind die Lampen ausgeschaltet, dürfen die Kinder die Tramgleise überqueren. Leuchten die Lampen rot auf, müssen die Kinder warten. Die Bodenlampen richten sich, anders als ein Fussgängerlichtsignal, nur an Schulkinder «und sind für alle anderen unverbindlich», schreibt die Stadt.

Für die Eltern dürfte der Schullotseneinsatz wichtiger sein. Drei Lotsen stehen ab den Sommerferien zu den Schulwegzeiten dauerhaft am Strassenrand. Kostenpunkt: zwischen 150 000 und 200 000 Franken pro Jahr.

Diesen Entscheid hat nicht die Stadt, sondern die Kreisschulbehörde Limmattal gefällt. Zweieinhalb Jahre nach dem Unfall setzt die Schule damit um, was die Eltern schon lange gefordert hatten.

Die Schulpflege ist gemäss kantonaler Volksschulverordnung für die Schulwegsicherheit zuständig. Können Schülerinnen und Schüler den Schulweg «aufgrund der Länge oder Gefährlichkeit nicht selbstständig zurücklegen, ordnet die Schulpflege auf eigene Kosten geeignete Massnahmen an», so der Wortlaut.

Die Präsidentin Katrin Wüthrich betont jedoch, dass auch die Eltern eine Rolle spielten: Sie müssten beurteilen, was ihrem Kind auf dem Schulweg zuzutrauen sei und was nicht.

Wüthrich sagt, sie stütze sich bei solchen Einschätzungen jeweils auf die Empfehlungen der Polizei. Lotsen seien laut dieser kein Allheilmittel – sie könnten Schulkinder und Eltern auch in falscher Sicherheit wiegen. Grundsätzlich sei es die bessere Lösung, den Schulweg sicherer zu gestalten. Früher habe die Stadtpolizei deshalb vom Lotseneinsatz am Escher-Wyss-Platz abgeraten.

Nun aber hätten Stadt, Schule und Polizei die Situation sorgfältig analysiert. Das Resultat sei die Neubeurteilung. Vor allem die Rückmeldungen der Eltern hätten sie davon überzeugt, dass es in diesem Fall angezeigt sei, den direkten Weg Richtung Schule sicherer zu machen. Wüthrich ist überzeugt: «Der Schulweg ist jetzt sicher.»

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