Donnerstag, September 19

Während mehrerer Jahre wird eine Brücke der Brennerautobahn nur einspurig befahrbar sein. Experten befürchten eine Verlagerung des Schwerverkehrs in die Schweiz.

Die Luegbrücke kann nicht mehr. Sie hat das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Allein im Jahr 2023 fuhren 2,4 Millionen Lastwagen und 11 Millionen Autos über die längste Brücke der Brennerautobahn. Das 1968 fertiggestellte Bauwerk ist irreparabel beschädigt. Dies hat eine Untersuchung ergeben. Nun handeln die österreichischen Behörden: Bereits ab dem 1. Januar 2025 darf der Verkehr nur noch einspurig über die 1,8 Kilometer lange Brücke rollen. Ab dem Frühling soll die Luegbrücke dann neu gebaut werden.

Wenn die am stärksten belastete Nord-Süd-Verbindung für den Reise- und Güterverkehr auf Jahre hinaus nur eingeschränkt befahrbar ist, wird man dies in der Schweiz massiv zu spüren bekommen. Das wird deutlich, wenn man die Empfehlung liest, die der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) bereits heute auf seiner Website publiziert. Da voraussichtlich auch die Bundes- und Landesstrassen am Brenner überlastet sein dürften, empfiehlt der ADAC «eine grossräumige Umfahrung über Gotthard, San Bernardino oder die Tauernautobahn».

Gotthard wird für Schwerverkehr attraktiv

Vor allem rund um die Feiertage und während der Sommerreisezeit ist mit einer weiteren Zunahme der Staus vor den Portalen des Gotthard-Strassentunnels zu rechnen. Wie gross der Umwegverkehr und damit die zusätzliche Belastung sein wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Aber bereits in diesem Sommer dehnten sich die Staus immer mehr auf die Tage unter der Woche aus und lösten sich während sechs Wochen nicht mehr auf.

Diese Situation dürfte sich verschärfen. «Die Schweiz kann keine zusätzliche Strassenkapazität schaffen und wird die bestehenden Massnahmen und Verkehrskonzepte konsequent einhalten», sagt Thomas Rohrbach, der Mediensprecher des Bundesamts für Strassen (Astra). Diese Massnahmen umfassen die Dosierung des Schwerverkehrs vor dem Gotthardtunnel, Nacht- und Sonntagsfahrverbot sowie die Bewirtschaftung von Warteräumen für LKW.

«Die Transitrouten für den Schwerverkehr durch die Schweiz dürften in der Tendenz wieder attraktiver werden», sagt André Kirchhofer, der Vizedirektor des Nutzfahrzeugverbandes Astag. «Die Verlagerungspolitik der Schweiz ist teilweise auch eine Verlagerung auf die Brennerroute – dort explodiert der LKW-Verkehr förmlich», stellt er fest. Je mehr Staus und Sperrzeiten es auf dieser Strecke gebe, desto grösser sei die Gefahr einer Rückverlagerung in die Schweiz. Vor allem für den Schwerverkehr aus Bayern könnte der Gotthard attraktiver werden. Göschenen statt Kufstein könnte für viele Chauffeure die neue Route sein.

Diese Aussichten lassen bei SP-Nationalrat Jon Pult die Alarmglocken schrillen. Zumal die Mega-Baustelle am Brenner momentan nicht die einzige Herausforderung für den alpenquerenden Güterverkehr ist. Seit diesem Sommer unterzieht die Deutsche Bahn ihr Schienennetz einer Generalüberholung, was immer wieder zu Streckensperrungen führt. Das Nadelöhr Deutschland, das im Rheintal noch bis ins Jahr 2042 besteht, wird dadurch noch enger werden. «Die Schiene droht an Attraktivität zu verlieren», befürchtet Pult, der auch die Alpeninitiative präsidiert. «Der Güterverkehr könnte wieder vermehrt über die Strasse abgewickelt werden.»

In einer am Montag eingereichten Interpellation verlangt Pult daher vom Bundesrat konkrete Massnahmen, damit die Bemühungen der Schweiz, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, nicht sabotiert würden. Er verlangt, dass der Bundesrat Massnahmen prüft, um zu verhindern, dass eine Lastwagenlawine die Schweiz überrollt. «Die Bundesämter für Verkehr und Strassen müssen in engen Kontakt mit Deutschland und Österreich treten, um den zu erwartenden Mehrverkehr zu koordinieren.» In der Schweiz könnten zusätzliche Angebote für den Verlad auf die Bahn geschaffen werden.

Pult weist ausserdem darauf hin, dass das Infrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn vor kurzem angekündigt hat, die Trassenpreise auf dem deutschen Schienennetz bis 2026 um 14,8 Prozent zu erhöhen. Auch dies ist ein Faktor, der die Bahn für den Gütertransport unattraktiver macht. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) schreibt in seinem kürzlich erschienenen Halbjahresbericht zu den Verlagerungszahlen, dass die grossen Bauarbeiten auf den Zufahrtsstrecken in Italien und Deutschland ab Sommer 2024 zu einem deutlichen Rückgang der Schienentransporte führen werden.

Zwei Spuren in der Hauptreisezeit

«Wir versuchen, die negativen Auswirkungen der einspurigen Verkehrsführung für die Verkehrsteilnehmer so gering wie möglich zu halten», sagt Alexander Holzedl, der Mediensprecher der österreichischen Autobahnbetreiberin Asfinag. Im September will die Asfinag gemeinsam mit dem Land Tirol, Behörden und Einsatzkräften ein Massnahmenpaket vorstellen. «Wir werden eine Informationskampagne in Österreich und den Nachbarländern starten, um Autofahrer, Transporteure und Tourismusbetriebe aufzuklären», so der Sprecher.

Wenn ab dem 1. Januar 2025 im Regelbetrieb nurmehr eine Spur pro Fahrtrichtung zur Verfügung steht, darf der Schwerverkehr, also Lastwagen und Busse, darf nur noch die linke Spur benutzen. Durch diese Entlastung soll die marode Brücke so weit wie möglich geschont werden. Im Sommer wurde getestet, ob zumindest der Personenverkehr gleichzeitig zwei Spuren nutzen kann.

Die Versuche seien erfolgreich verlaufen, so Holzedl. An besonders verkehrsreichen Tagen wie Ostern, Pfingsten oder in den Sommermonaten werde diese Regelung zum Einsatz kommen, um möglichst viele Autos bewältigen zu können. Für den Schwerverkehr gibt es dagegen keine Sonderlösung. Der Schwerverkehr wird wohl erst in zweieinhalb bis drei Jahren wieder zweispurig fahren können. So lange dauert es, bis zwei Fahrspuren der Luegbrücke abgerissen und neu gebaut sind. Die zweite Brücke soll dann im Jahr 2030 zur Verfügung stehen. Bisher verhinderten Einsprachen den Neubau der maroden Brücke.

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