Trump will den 2. April zum «Befreiungstag» für Amerika machen. Dann sollen Zölle auf breiter Front eingeführt werden. Wird es etwas nützen? Sechs Zitate des US-Präsidenten zur Zollpolitik im Ökonomie-Check.
Bald dürfte es zum Showdown im Handelskonflikt kommen. Am 2. April will US-Präsident Donald Trump seine Drohung wahr machen, hohe Zölle gegen die wichtigsten Handelspartner der USA einzuführen – unter ihnen wohl auch die Schweiz. Was genau an Zöllen geplant ist, bleibt vorerst unklar. Doch Trump hat vollmundig erklärt, es solle ein «Befreiungstag» für Amerika werden.
Der Republikaner ist davon überzeugt, dass Zölle Amerika wirtschaftlich stärker machen und dass sich so angebliche Ungerechtigkeiten gegenüber dem Land beseitigen lassen würden.
Was stimmt an Trumps Behauptungen? Und wo liegt er mit seinen Ansichten falsch? Eine Analyse anhand von sechs Aussagen des amerikanischen Präsidenten, die er in seinen Kurznachrichten in den sozialen Netzwerken gemacht hat.
«Zölle werden Amerika wieder reich machen»
Laut Trump bringen Zölle dem Staat hohe Einnahmen und machen das Land reich. Tatsächlich waren Zölle in den USA vor der Einführung einer Einkommenssteuer im Jahr 1913 für bis zu 90 Prozent der staatlichen Einnahmen verantwortlich. Heute ist das anders: Im letzten Fiskaljahr machten sie mit rund 80 Milliarden Dollar nur 2 Prozent der Einnahmen aus.
Trump will das ändern. Ob Amerika so reicher wird, hängt davon ab, wer den Zoll bezahlt. Trump behauptet, das Ausland werde zur Kasse gebeten. Doch rein technisch zahlen die Importeure und damit vor allem amerikanische Firmen. Denn ein Zoll ist eine Steuer auf Importe. Trump erhöht also die Steuerlast, obwohl er sich als Verfechter niedriger Steuern sieht.
Indirekt bezahlen aber auch die ausländischen Exportfirmen. Ihre Produkte werden in den USA durch die Zölle teurer und damit schwerer absetzbar. Um diesen Nachteil auszugleichen und auf dem amerikanischen Markt konkurrenzfähig zu bleiben, werden viele ausländische Exporteure ihre Preise senken und damit auf einen Teil ihrer Gewinne verzichten.
Ein weiterer Zahler ist der amerikanische Konsument. Denn weder der ausländische Exporteur noch der inländische Importeur können einen Zoll von beispielsweise 25 Prozent durch eine niedrigere Gewinnmarge voll neutralisieren, da sonst ein Verlust droht. Also wird der Zoll auf die Konsumenten abgewälzt.
Amerikas Konsumenten erleiden also einen Kaufkraftverlust. Sie können mit ihrem Einkommen weniger Produkte aus dem Ausland erwerben. Und die anstelle der Importe allenfalls neu in den USA hergestellten Produkte sind teurer oder von schlechterer Qualität, zumal sie sonst ja schon zuvor von den amerikanischen Konsumenten bevorzugt worden wären.
Wer welchen Teil des Zolls trägt, hängt von vielen Faktoren ab, etwa dem Produkt, der Marktmacht einer Firma und der Marktstruktur. In langer Frist führen Zölle aber vor allem zu höheren Kosten, steigenden Zinsen und weniger Konsum. Dies macht ein Land ärmer. Zölle sind daher ein ineffizientes Instrument, um Staatseinnahmen zu generieren.
«Unsere Handelsbilanzdefizite explodieren wie nie zuvor»
Unbestritten ist: Die USA haben ein grosses Handelsbilanzdefizit. Damit ist gemeint, dass die Amerikaner mehr im Ausland einkaufen, als sie im Rest der Welt verkaufen.
Das gilt vor allem für Waren – von Autos über Möbel und Rohöl bis zu Computerchips und iPhones. Hier häufen die USA ein beträchtliches Defizit an. Einen Überschuss erzielt das Land hingegen im Handel mit Dienstleistungen, etwa mit dem Verkauf von Softwarelizenzen, Hollywood-Filmen oder Netflix-Abos.
Der grösste Teil des Handelsbilanzdefizits konzentriert sich auf einige wenige Länder und Regionen. Am ausgeprägtesten ist das Defizit gegenüber China (263 Milliarden Dollar im Jahr 2024). Danach folgen Mexiko (179 Milliarden) und die EU (161 Milliarden). Auch gegenüber der Schweiz haben die USA ein kleines Minus (16 Milliarden).
Insgesamt summiert sich das Handelsbilanzdefizit auf 918 Milliarden Dollar. Zahlen wie diese stellt Trump gerne als riesig dar. Allerdings ist auch die amerikanische Volkswirtschaft sehr gross. Im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) betrug das Handelsbilanzdefizit im Jahr 2024 rund 3,1 Prozent. Das ist ungefähr gleich viel wie während Trumps erster Amtszeit.
«Unsere Handelsbilanzdefizite zerstören Amerikas wirtschaftliche Zukunft»
Für Trump ist ein Handelsbilanzdefizit ein Zeichen von Schwäche. Der Republikaner steht damit in der merkantilistischen Tradition: Exporte sind gut, Importe sind schlecht.
Doch diese Sicht ist – da sind sich die meisten Ökonomen einig – falsch. Genauso gut könnte man das Handelsbilanzdefizit als ein Zeichen von Stärke sehen. Es bedeutet nämlich, dass die Amerikaner mehr im Ausland einkaufen können, als sie sich aufgrund der Früchte ihrer Arbeit eigentlich leisten könnten.
Das geht nur, wenn den Amerikanern jemand das nötige Geld dafür gibt. Die Ungleichgewichte im Aussenhandel liegen deshalb vor allem in den Kapitalströmen begründet. Damit ist gemeint, dass Ausländer viel mehr Geld in die USA tragen – um dort Wertschriften zu kaufen oder Investitionen zu tätigen –, als dies umgekehrt passiert. Dieses Geld fliesst über Umwege in den Kauf von Waren im Ausland.
Die Ströme im Warenverkehr und im Kapitalverkehr verhalten sich spiegelbildlich. Das zeigen historische Daten zu den USA. Die Handelsbilanzdefizite sind vor allem dann gross, wenn viel Kapital in die USA fliesst.
Es gibt verschiedene Gründe, warum die USA so attraktiv für Kapital aus dem Ausland sind.
Erstens ist der Dollar die Leitwährung und wichtigste Reservewährung der Welt. Viele Investoren kommen deshalb gar nicht um den amerikanischen Kapitalmarkt herum – auch Notenbanken, die einen Teil ihrer Reserven in Dollar anlegen müssen.
Zweitens ist die amerikanische Bevölkerung vergleichsweise jung und stark wachsend, während es in Europa umgekehrt ist. Die Europäer sparen deshalb mehr fürs Alter. Auch China hat seit langem eine hohe Sparquote. Ein Teil dieser Gelder wird in den USA angelegt.
Drittens hat sich der amerikanische Staat in den letzten Jahrzehnten stark verschuldet. Die Staatsanleihen werden zu einem guten Teil von ausländischen Anlegern gekauft.
Ökonomen betonen, dass es vor allem einen Weg zur Verringerung des Handelsbilanzdefizits gebe: Die Amerikaner müssten mehr sparen. Der Staat sollte seinen Haushalt ins Lot bringen. Auch die Haushalte müssten mehr zur Seite legen und könnten so weniger Güter im Ausland kaufen.
Bis jetzt gibt es erst einen Vorstoss, der in diese Richtung zielt. Trumps neuer Chefökonom möchte die Attraktivität des Dollars als globale Leitwährung schwächen, indem er von ausländischen Gläubigernationen eine Gebühr auf ihren Dollar-Reserven verlangt. Doch ob dies umgesetzt wird, ist fraglich. Die Massnahme würde auch bedeuten, dass es für den amerikanischen Staat teurer würde, sich zu verschulden.
«Die USA haben ein massives Handelsbilanzdefizit, wegen Joe Biden!»
Entgegen Trumps Behauptung ist das Handelsbilanzdefizit nicht direkt auf Joe Biden zurückzuführen. Stattdessen lässt sich das Defizit bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen. Die Gründe dafür sind vielschichtig.
So waren die USA damals, vor dem Fracking-Boom der 2010er Jahre, noch der weltgrösste Importeur von Erdöl: Mehr als ein Drittel des eigenen Ölbedarfs mussten die USA in den 1970er Jahren importieren, was mit den beiden Ölpreisschocks 1973 und 1979 deutlich teurer wurde.
Zudem zementierte der Dollar in diesem Zeitraum seine Position als globale Reservewährung: Weltweit kauften die Zentralbanken massenweise amerikanische Staatsanleihen. Zeitgleich bekämpfte die amerikanische Zentralbank Federal Reserve die Inflation, 1979 drosselte der Notenbankchef Paul Volcker mit hohen Leitzinsen das Wachstum der Geldmenge. Beide Effekte sorgten dafür, dass der Dollar stark aufgewertet wurde. Amerikanische Güter verteuerten sich damit auf dem Weltmarkt.
In den 1990er Jahren setzte dann ein Globalisierungsschub ein. 1994 schlossen die USA mit Mexiko und Kanada das Nafta-Abkommen, womit sich der Warenaustausch zwischen den Nachbarstaaten intensivierte. Den stärksten Einfluss auf Amerikas Importe hatte jedoch Chinas Marktöffnung: 1990 importieren die USA Güter im Wert von 15 Milliarden Dollar aus China. 2024 waren es 439 Milliarden Dollar. China wurde zur globalen Werkbank für günstige Möbel, Spielzeuge und Elektrogeräte – und die Amerikaner griffen zu.
«Jahrzehntelang hat China die USA abgezockt wie niemand zuvor»
Trump sieht China als Hauptfeind der USA. Dabei hat er einen Punkt. Tatsächlich hat die Integration Chinas in den Welthandel in den Vereinigten Staaten zur Zerstörung von Jobs geführt. Dies hat eine mittlerweile berühmte Studie belegt, an der auch der Zürcher Ökonom David Dorn beteiligt war.
Vor allem in den traditionellen Industrieregionen Amerikas schrumpften Branchen, die in direkter Konkurrenz zu chinesischen Importprodukten standen. Der heutige Vizepräsident J. D. Vance hat diesen Niedergang in seinem Buch «Hillbilly Elegy» beschrieben. Vance gehört zu den Anführern einer neokonservativen Bewegung, die die industrielle Basis in den USA wieder aufbauen will («Rebuilding America»).
Trump und seine Anhänger verschweigen aber zwei Dinge. Erstens wären viele Industriejobs allein wegen des technologischen Strukturwandels verlorengegangen. Zweitens haben die amerikanischen Konsumenten enorm vom Handel mit China profitiert, indem sie günstigere Güter kaufen konnten. Laut einer Studie wäre die Kaufkraft vor allem der ärmsten Haushalte in den USA deutlich geringer, wenn es keinen Globalisierungsschub gegeben hätte.
«Zölle werden Jobs schaffen, wie wir das nie zuvor gesehen haben»
Handel schafft nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer. Wer sich auf die internationale Arbeitsteilung einlässt, muss sich dem Strukturwandel stellen. Auch deshalb sind in den USA seit den späten 1990er Jahren zirka 5 Millionen Arbeitsplätze in der Industrie verschwunden.
Kann man das Rad der Zeit zurückdrehen? Kann Amerikas Industrie, die nur noch für knapp acht Prozent aller Stellen im Land verantwortlich ist, dank Schutzzöllen wieder mehr Jobs schaffen? Laut Trump ist das möglich. Er will ausländische Unternehmen mittels Zöllen dazu veranlassen, ihre Produktionsstätten zurück in die USA zu bringen.
Das Problem: Trump kann den Unternehmen nicht befehlen, wieder Fabriken in den USA zu bauen. Und auch wenn Firmen das tun würden, würden die Ausbildung des Personals und der Bau der Anlagen viele Jahre beanspruchen. Trumps erratische Politik sorgt allerdings für viel Unsicherheit. Damit schreckt er langfristige Investitionen eher ab.
Eine 2024 erschienene Studie zeigt, dass die von Trump 2018 und 2019 erhobenen Zölle das Ziel verfehlten, neue Jobs zu schaffen oder verlorene zurückzugewinnen. In Regionen, deren Sektoren durch Zölle geschützt wurden, entstanden kaum Stellen. Und in Regionen, deren (agrarische) Exportprodukte die Vergeltungszölle des Auslandes spürten, sank die Zahl der Jobs sogar.
Politisch scheinen sich die Zölle aber ausbezahlt zu haben. So erzielten Trumps Republikaner in jenen Regionen, deren Branchen mit Zöllen geschützt wurden, deutliche Zugewinne bei Wahlen. Und dort, wo aufgrund von ausländischen Retorsionsmassnahmen die Zahl der Stellen sank, wurde die Partei vom Wahlvolk kaum abgestraft.
Auch wenn Zölle kaum Stellen schaffen und vor allem zu Inflation führen, bleibt die Versuchung für Trump somit gross, sie trotzdem anzuwenden. Damit kann er der Bevölkerung signalisieren, dass er ihre Sorgen ernst nimmt. Und die Wähler, so das Fazit der Studie, honorieren die Zölle – unabhängig davon, dass diese ihr eigentliches Ziel verfehlen.