Sonntag, Oktober 6

Nach Andermatt und Crans-Montana will die amerikanische Firma Vail weitere Schweizer Resorts aufkaufen. Doch nun drängt auch Konkurrentin Alterra auf den Markt. Skigebiete stehen der Frage: Epic Pass oder Ikon Pass?

Adidas gegen Puma. McDonald’s gegen Burger King. Pepsi gegen Coca-Cola. Die Wirtschaftsgeschichte ist reich an unerbittlichen Duellen zweier Firmen, die genau das Gleiche anbieten. In den Bergen der USA lässt sich ein neues beobachten: Epic Pass gegen Ikon Pass. Die Kampfzone wird jetzt auf die Schweiz ausgeweitet.

Der Epic Pass kostet 1004 Dollar und ist ein Saisonabo für weltweit über 50 Skigebiete. Angeboten wird er von der börsenkotierten Firma Vail Resorts, welche in der Schweiz bestens bekannt ist. 2022 kaufte sie das Skigebiet Andermatt auf, vergangenes Jahr Crans-Montana.

Der Ikon Pass wiederum ist das Pendant der Alterra Mountain Company. Er ist mit 1359 Dollar noch einmal teurer. In den USA haben die beiden Firmen mittlerweile ein Quasi-Duopol auf grosse, mit Beschneiungsanlagen ausgestattete Skigebiete.

Dass Vail Resorts nach Andermatt und Crans-Montana das Portfolio erweitern möchte, ist bekannt. Dies sagte der Vail-Abgesandte für die Schweiz, Mike Goar, im Mai in einem Interview mit der NZZ. Vergangene Woche machten Gerüchte die Runde, wonach Laax als Nächstes übernommen werden könnte. Das Skigebiet dementiert allerdings.

Recherchen der «NZZ am Sonntag» bringen nun zutage, dass auch die Erzrivalin Alterra den Markt sondiert. Gesucht werden Bergbahnen, aber auch Hotelprojekte, in die man investieren könnte. Mindestens ein grosses Skigebiet wurde angefragt – allerdings ohne Erfolg.

«Wir wissen, dass Alterra einen grossen Betrag zur Verfügung hat, um in Europa Skigebiete aufzukaufen», sagt Pierre Besson. Er ist Präsident von Magic Pass, einem Verbund von über 80 mittleren und kleineren Skigebieten in der Schweiz, in Frankreich und Italien. Persönlich kenne er aber keines, das von Alterra angefragt wurde, sagt Besson.

Über die Erzrivalin von Vail ist wenig bekannt. Im Gegensatz zur Epic-Pass-Herausgeberin pflegt Alterra einen diskreten Auftritt. Das liegt auch daran, dass die in Denver beheimatete Firma einem Private-Equity-Fonds gehört und folglich nicht verpflichtet ist, öffentlich Rechenschaft abzulegen. Auch auf mehrfache Anfrage reagiert die Firma nicht. Doch klar ist: Alterra-Vertreter sind emsig in der Schweiz unterwegs.

Im April hat der Verbund der Oberengadiner Bergbahnen eine Kooperation mit Alterra bekanntgegeben: Ab der kommenden Saison können Ikon-Pass-Besitzer sieben beziehungsweise fünf Tage pro Jahr – je nach Pass – in St. Moritz und den benachbarten Skigebieten dem Schneesport frönen.

Im Mai wiederum haben die Zermatt-Bergbahnen ihre seit 2019 bestehende Kooperation mit Alterra vorzeitig verlängert. Der Ikon Pass hat dem Walliser Nobelskiort vergangenes Jahr 50 000 zusätzliche amerikanische Wintersport-Fans beschert.

Nach dem Vorstoss von Vail Resorts in Europa stand Alterra unter Zugzwang. Die Firma musste ihren wohlhabenden amerikanischen Kunden ebenfalls Zugang zu europäischen Destinationen bieten. Und weil die Übernahme eines ganzen Skigebiets vorerst nicht klappt, setzt die Firma auf Kooperationen.

St. Moritz und Zermatt haben damit Zugang zu potenziell über einer Million Ikon-Pass-Besitzern. Für jeden, der bei ihnen Ski fährt, werden sie von Alterra finanziell entschädigt. Aus der Branche hört man, dass der Betrag stattlich sei.

Man hoffe, durch die Kooperation die Gästebasis aus den USA mit zusätzlichen Schneesportfans zu erweitern, sagt Thomas Rechberger, Projektleiter des Oberengadiner Bergbahnen-Verbunds. «Wir haben uns für den Ikon Pass entschieden, weil er von der Positionierung der teilnehmenden Resorts gut zu uns passt.»

Einmal im Leben ein Matterhorn-Selfie

Der Ikon Pass versteht sich als Eintrittsbillett für die absoluten Top-Skigebiete auf der Welt. In den USA beispielsweise Aspen. In Europa neben Zermatt und St. Moritz auch Kitzbühel, Chamonix oder Cortina D’Ampezzo – ebenfalls in Form einer Ticketkooperation. Gerade für amerikanische Gäste ist das wichtig: Einmal im Leben eine Abfahrt vor dem Matterhorn macht sich gut in den sozialen Netzwerken.

Aber machen sich St. Moritz und Zermatt nun nicht gegenseitig die amerikanischen Skifahrer streitig? «Die Zusammenarbeit von Ikon mit St. Moritz wird sowohl für Zermatt wie auch für St. Moritz Vorteile bringen, da amerikanische Gäste meist für zwei bis drei Wochen in Europa verweilen und verschiedene Destinationen erkunden möchten», teilen die Zermatt-Bergbahnen auf Anfrage mit.

Von den zehn grössten Schweizer Skigebieten ist damit bereits die Hälfte entweder mit Vail Resorts oder der Alterra Mountain Company verbandelt. Denn Vail hat zusätzlich zu den zwei aufgekauften Skigebieten – analog zu St. Moritz und Zermatt – eine Ticketkooperation mit Verbier. Vail teilt mit, dass solche Partnerschaften «einen Mehrwert für die Epic-Pass-Inhaber schaffen» sollen.

Branchenkenner gehen davon aus, dass früher oder später alle Schweizer Skigebiete mit einer gewissen internationalen Ausstrahlung – darunter Gstaad, Davos oder Laax – vor der Frage stehen werden: Epic Pass oder Ikon Pass? Beides geht nicht. Die amerikanischen Firmen bestehen auf Exklusivität.

«Ergibt für uns keinen Sinn»

Eine Region, die zu keinem der beiden eine Geschäftsbeziehung pflegt, ist Arosa-Lenzerheide. Dies, obwohl die beiden Bündner Skiorte mit gemeinsam 225 Pistenkilometern zu den grossen Schweizer Gebieten gehören.

«Eine Ticketkooperation ergibt für uns keinen Sinn. Für Arosa-Lenzerheide spielen amerikanische Touristen kaum eine Rolle. Wir in Lenzerheide verfügen nicht über die Hotelstruktur, die es dafür braucht. So gibt es bei uns zum Beispiel kein Fünfsternehaus», sagt der Verwaltungsratspräsident Felix Frei. 80 Prozent der Gäste seien Schweizer. Dazu kämen viele Deutsche und Niederländer.

Man beobachte den Markt genau, sagt Frei. Die amerikanischen Skiunternehmen seien in der Schweiz sehr aktiv, bestätigt auch er. «Auch weil sie in den USA in harter Konkurrenz zueinander stehen und nun einen Teil dieses Konkurrenzkampfs nach Europa ausweiten.»

Oberstes Ziel ist immer noch: zukaufen. Im Visier sind grössere Skigebiete in einer Höhe, welche in den nächsten 30 Jahren Schneesicherheit verspricht. Insbesondere Vail macht Druck. Es gibt in der Schweiz wohl keinen Bergbahnbetreiber, der nicht wenigstens auf informeller Ebene Kontakt mit der Epic-Pass-Herausgeberin hatte. Nachdem Vail schon in der Romandie und der Zentralschweiz zugeschlagen hat, soll möglichst bald eine Dépendance in Graubünden folgen.

Aber so einfach ist das nicht. Bei den meisten Bergbahnen ist das Aktionariat breit gestreut und oft auch lokal verankert. Statt mit einer muss mit vielen Parteien verhandelt werden. Das ist aufwendig. Zudem haben Skigebiete in höheren Lagen in der Regel kein Problem, an Mittel für Investitionen zu kommen. Sie brauchen das amerikanische Geld also gar nicht.

Auch wenn es teuer erkaufter Umsatz ist: Vail und Alterra kommen vorerst kaum um Kooperationen herum. «Für die Skigebiete ist das eine gute Ausgangslage. Wer eine Kooperation eingeht, hat zusätzlichen Umsatz, aber kaum Risiko», sagt Berno Stoffel, Direktor des Branchenverbands Seilbahnen Schweiz. Die Skigebiete könnten die Angebote zweier Konkurrenten vergleichen und sich für eines entscheiden. Auch Stoffel sagt: «Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft mehr Kooperationen mit dem Epic Pass oder mit dem Ikon Pass sehen werden.»

Klar ist, dass sowohl der Epic Pass wie auch der Ikon Pass vorerst Produkte für reiche Amerikaner sind. Für Schweizer Skifahrer lohnen sich die Pässe erst, wenn es einem der beiden Anbieter gelingt, in Europa zehn bis fünfzehn Top-Destinationen anzubieten. Aber sicher ist auch, dass man auf den hiesigen Pisten in Zukunft vermehrt Englisch mit amerikanischem Einschlag hören wird.

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