Nach finanziellen Kapriolen und dem Abstieg in die vierte Liga hat sich der Rangers FC zurückgekämpft. Nun könnte die milliardenschwere American-Football-Organisation der San Francisco 49ers den Traditionsklub beflügeln.
Unlängst kam Donald Trump plötzlich auf den schottischen Fussball zu sprechen. Der neue amerikanische Präsident verlinkte im Wahlkampf, als er die Einwohner im Gliedstaat North Carolina auf den Einsendeschluss der Briefwahl aufmerksam machen wollte, unbeabsichtigt einen Social-Media-Post mit dem X-Account @SPFLWatch – einer Fanseite, auf der es um die Spielansetzungen der schottischen Liga im Fernsehen geht.
Das Versehen löste bei den Fussballfreunden in Schottland grosses Amüsement aus, einige von ihnen kommentierten den Beitrag süffisant, Trump wolle gemäss seiner Kampagne «Make America great again» diesmal den schottischen Fussball wieder «grossartig» machen. Zwar ist von derlei Ambitionen nichts bekannt. Schottlands Fussball könnte dennoch durch amerikanische Hilfe einen massiven Aufschwung erfahren.
Denn 49ers Enterprises, der Investment-Arm der American-Football-Unternehmung San Francisco 49ers, deren Gesamtwert auf fast sieben Milliarden Dollar geschätzt wird, hat dem Vernehmen nach eine prinzipielle Einigung für die Übernahme des 1872 gegründeten Traditionsklubs Rangers FC aus Glasgow erzielt. Angeblich soll 49ers Enterprises mindestens mehr als die Hälfte der Vereinsanteile erwerben und infolgedessen die sich auf eine zweistellige Millionensumme belaufenden Schulden adoptieren.
Das Besitztum an den Rangers ist nach den finanziellen Kapriolen im vergangenen Jahrzehnt auf viele Einzelgruppen zersplittert, die grössten Blöcke halten die früheren Vorsitzenden Dave King (12,96 Prozent) und Douglas Park (11,54) sowie das Vorstandsmitglied George Taylor (10,22). Hinter 49ers Enterprises stecken bisweilen berühmte Geldgeber aus dem Sport und der Unterhaltung wie der Schwimmstar Michael Phelps oder der Schauspieler Will Ferrell. Das gesamte Franchise-Gebilde gehört der York-Familie.
Bei der Wende half der Trainer Steven Gerrard
Das Interesse an den Rangers vonseiten von 49ers Enterprises unter der Führung von Paraag Marathe, der seit Jahren im 49ers-Kosmos verschiedene Rollen einnimmt und mit der York-Familie eng vernetzt ist, folgt wohl den Bestrebungen, das Potenzial des wachsenden europäischen Fussballs auszunutzen.
Im Mai 2018 hatte das Kapitalvehikel erstmals die Fühler nach Europa ausgestreckt, als es eine Beteiligung am englischen Fussballklub Leeds United erwarb. Den Einfluss in Leeds baute 49ers Enterprises schrittweise aus, bis man vor anderthalb Jahren den gegenwärtigen Zweitliga-Tabellenführer komplett übernahm. Sollte der dreimalige Meister Leeds wieder in die Premier League aufsteigen und sich dort etablieren, würde der Klub mit einem Schlag eine erhebliche Wertsteigerung erfahren. Einen ähnlichen Effekt dürfte sich 49ers Enterprises auf Sicht von einem Engagement bei den Rangers erhoffen, die wegen ihrer enormen Fanbasis eine anerkannte Fussballinstitution sind.
Nach langem Missmanagement war der Klub 2012 bankrottgegangen. Die Insolvenz führte zum Zwangsabstieg, die Rangers mussten den Wiederaufbau unter einem neuen Betreiber in der semiprofessionellen vierten schottischen Liga beginnen. Die Beharrlichkeit der Fans, die dennoch den Ibrox Park bei jedem Heimspiel mit rund 50 000 Zuschauern füllten, hielt den Verein damals am Leben.
Der auf Grund gelaufene Fussball-Tanker setzte sich vor allem mit der Verpflichtung des Trainers Steven Gerrard ab 2018 wieder in Bewegung. Der frühere Spieler des Liverpool FC führte ein Team aus unbekannten Spielern 2021 zum Meistertitel, dem ersten nach einer Dekade. Unter Gerrards Nachfolger Giovanni van Bronckhorst erreichten die Rangers 2022 den Europa-League-Final, der im Penaltyschiessen gegen Eintracht Frankfurt verlorenging.
Um die Lücke zum Stadtrivalen Celtic FC dauerhaft zu schliessen, steckten die Rangers in jüngerer Zeit viel Geld in neue Spieler – und sie schienen sich dabei zu übernehmen. Vergangenes Jahr bilanzierte der Klub, trotz Rekordumsatz, einen Gesamtverlust von 17,2 Millionen Pfund. Zurzeit liegt er in der Meisterschaft um 16 Punkte hinter dem Tabellenführer Celtic zurück.
Die Gerüchte um 49ers Enterprises sorgen nun vor dem Europa-League-Achtelfinal-Hinspiel gegen Fenerbahce Istanbul vom Donnerstagabend für Aufbruchstimmung bei den Rangers.
Die Rivalität mit Celtic garantiert Aufmerksamkeit
Die Finanzkraft des 49ers-Konsortiums könnte ihnen neue Unabhängigkeit einbringen, den Wettstreit mit Celtic wieder entfachen und dem schottischen Fussball international zu mehr Konkurrenzfähigkeit verhelfen. Noch nie hat ein Klub aus Schottland die Viertelfinals der Champions League erreicht.
Die Befürchtung einiger Rangers-Anhänger, ihr Klub könnte zu einem Zulieferer von Talenten für Leeds United werden, könnte unbegründet sein: Die Anziehungskraft der Rangers in der Fussballwelt ist deutlich grösser als jene von Leeds.
Das Risiko für 49ers Enterprises würde sich bei einem Engagement in Grenzen halten. Die Rangers sind angesichts der finanziellen Schieflage erschwinglich zu erwerben. Zudem garantieren die Historie und das Volumen des Klubs sowie die erbitterte Rivalität zu Celtic immerzu Aufmerksamkeit und Sponsoreninteresse. Die Verbindung zwischen den beiden Glasgower Klubs kann durch eine Waage symbolisiert werden: Je mehr der eine gewinnt, desto weniger der andere. Celtic und Rangers vereinen 109 der 128 schottischen Meistertitel auf sich. In der vergangenen Saison setzte sich Celtic durch, im Direktvergleich liegen die Rangers noch um einen Titel vorne (55:54).
Beim Deal mit den Rangers will 49ers Enterprises angeblich mit dem ebenfalls in Philadelphia ansässigen früheren Banker Andrew Cavenagh kooperieren, einem Mitgründer der Krankenversicherung Paretohealth. Das ist insofern bedeutend, als der schottische Fussballverband Investoren in den Statuten grundsätzlich verbietet, einen Klub zu kaufen, sofern die Geldgeber bereits Anteile an einem anderen Verein halten – im Fall von 49ers Enterprises also an Leeds United. Doch in jüngerer Zeit wurde diese Regel immer wieder aufgeweicht: Bill Foley, Besitzer des Premier-League-Klubs Bournemouth, durfte vor einem Jahr etwa eine Minderheitsbeteiligung an Hibernian Edinburgh erwerben.
Aufgrund der Kostspieligkeit der Akquise eines englischen Vereins könnten sich immer mehr Investoren für den schottischen Markt interessieren. Und der ein oder andere Amerikaner dürfte nun durch Trumps Link mit diesem in Berührung gekommen sein.