Freitag, September 27

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski bemüht sich diese Woche intensiv in der Uno und beim amerikanischen Präsidenten um neue Hilfe. Die USA haben zwar neue Waffenlieferungen zugesagt, bei den entscheidenden Schritten zögern die Partner jedoch.

Wolodimir Selenski wirbt diese Woche in den USA für seinen «Siegesplan». Am Dienstag hielt er in New York eine Rede vor dem Sicherheitsrat, am Mittwoch vor der Uno-Generaldebatte; am Donnerstag traf er sich dann mit Präsident Joe Biden und mit Vizepräsidentin Kamala Harris.

Neue militärische Hilfe

Selenski spricht seit Wochen von einem Plan, wie er den Krieg mit Russland zu beenden gedenkt. Zwar geizte er bei seinen beiden Reden in New York mit konkreten Details, weil er zuerst das Gespräch mit Biden abwarten wollte. Am Donnerstag traten Biden und Selenski nach ihrer Unterredung kurz vor die Presse. Biden sagte dem ukrainischen Präsidenten seine entschiedene Unterstützung zu. «Russland wird sich nicht durchsetzen», sagte er. Und: «Die Ukraine wird sich durchsetzen.» Er bekräftigte die Militärhilfe, die bereits vorher publik geworden war. Auf die umstrittenen Punkte – rascher Nato-Beitritt und die Erlaubnis, weitreichende Waffen auch in Russland einzusetzen – ging Biden nicht ein. Später gaben auch Vizepräsidentin Harris und Selenski Stellungnahmen ab, ebenfalls ohne auf die heiklen Elemente einzugehen.

Waffenlieferungen sind zweifellos ein Kernelement von Selenskis Siegesplan; sie sind angesichts der prekären Situation der Ukraine auch dringend nötig, will das Land dem russischen Druck standhalten. In diesem Punkt sind die USA Selenski bereits entgegengekommen. Am Donnerstag kündigte Biden an, der Ukraine neue militärische Hilfe im Umfang von 8 Milliarden Dollar zu gewähren. Zu dem Paket gehören ein weiteres Patriot-Flugabwehrsystem, Drohnen sowie die umstrittenen Streubomben mit hoher Reichweite. Bereits am Vortag hatte das amerikanische Aussenministerium der Ukraine Hilfe in der Höhe von 375 Millionen Dollar in Aussicht gestellt. Das Paket enthält unter anderem Munition für Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars, Artilleriemunition sowie gepanzerte Fahrzeuge und Patrouillenboote. Die Ausrüstung stammt aus Beständen des amerikanischen Militärs.

Konferenz in Deutschland

Selenski spielte bei seiner Rede vor der Uno-Generaldebatte auf eine zweite Friedenskonferenz an. Eine solche ist weiterhin nicht in Sicht. Aber Biden kündigte am Donnerstag ein Gipfeltreffen im Oktober in Deutschland an. Dabei sollten die Bemühungen von mehr als fünfzig Ländern koordiniert werden, die die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression unterstützten, teilte das Weisse Haus mit.

Biden verschliesst sich jedoch allem Anschein nach weiterhin der Bitte Selenskis, westliche Raketen mit grosser Reichweite auch für Ziele in Russland einsetzen zu dürfen. Aus Angst vor einer Eskalation des Krieges scheuen die USA davor zurück, grünes Licht für Angriffe mit amerikanischen Waffen tief im Inneren Russlands zu geben. Aus ähnlichen Gründen stellen sich gewichtige Mitglieder wie die Türkei gegen einen raschen Beitritt der Ukraine zur Nato, eine weitere Forderung Kiews.

Bei der Ansprache vor dem Uno-Sicherheitsrat bekräftigte Selenski seine Überzeugung, dass Russland nur mit militärischem Druck zum Frieden gezwungen werden könne. Vor der Uno-Generaldebatte warnte er vor russischen Angriffen auf ukrainische Atomkraftwerke. In der Tat erhielt die Angst vor einer nuklearen Eskalation des Krieges kurz darauf neue Nahrung. Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte an, die Doktrin zum Einsatz von Atomwaffen der gespannten internationalen Lage anzupassen. Die Liste militärischer Bedrohungen, gegen die Atomwaffen zur Abschreckung genutzt werden könnten, sei erweitert worden, sagte er.

Forderungen nach einem Nachgeben der Ukraine

Die USA, die EU und rund dreissig weitere Staaten unterzeichneten am Mittwoch eine gemeinsame Erklärung, in der sie der Ukraine Unterstützung beim Wiederaufbau des Landes zusagen und versprechen, Russland für seine Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen.

Aber es gibt unter den Uno-Mitgliedern auch kritische Stimmen. So sagte der tschechische Präsident Petr Pavel, ein früherer Nato-General, kürzlich gegenüber der «New York Times», Kiew müsse realistisch sein und die Möglichkeit akzeptieren, dass ein Teil seines Territoriums nach dem Krieg vorübergehend unter russischer Kontrolle bleiben könnte. Es wäre wohl kein Sieg gegen Russland, wenn dieser den Tod der Hälfte der ukrainischen Bevölkerung bedeuten würde, sagte er.

Selenski bekräftigte in seiner Rede, auch als Antwort auf solche Einwände, dass der vollständige Abzug der russischen Truppen aus allen besetzten Gebieten entscheidend für einen gerechten und dauerhaften Frieden sei. Er erteilte auch der chinesisch-brasilianischen Friedensinitiative, die ein Einfrieren des Krieges entlang der derzeitigen Frontlinie vorsieht, eine Absage.

Trumps scharfe Kritik an Selenski und Biden

Noch skeptischer als Pavel äusserte sich Donald Trump. Bei einer Rede am Mittwoch sagte er, dass die Ukraine schon vor der russischen Invasion im Februar 2022 Zugeständnisse an Putin hätte machen sollen. «Wenn sie einen schlechten Deal gemacht hätten, wäre es viel besser gewesen. Die Menschen würden leben und die Gebäude stehen.» Er machte Biden und Harris für die vielen Toten verantwortlich. Mit der Unterstützung der Ukraine hätten sie den Konflikt angeheizt, sagte er. Sie hätten das Land stattdessen drängen sollen, Territorien an Russland abzugeben.

Selenski kritisierte Trumps Äusserungen scharf. Wider Erwarten gab dann Trump jedoch bekannt, er werde sich am Freitag mit dem ukrainischen Staatschef treffen. Man darf gespannt auf das Gespräch sein; aber so oder so dürfte sich die Lage für die Ukraine dramatisch verschlechtern, falls Trump am 5. November erneut zum Präsidenten gewählt wird.

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