Sonntag, April 20

Wäre die CS eine amerikanische Bank, sie wäre abgewickelt worden. Das behauptet der Chef der amerikanischen Einlagensicherung. Glaubwürdig ist das nicht.

Die USA kritisieren das Vorgehen der Schweiz bei der Credit-Suisse-Krise: Martin Gruenberg, der Vorsitzende der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), sagt in der «Financial Times», die Entscheidung für die staatlich unterstützte Übernahme der CS durch die UBS sei «nicht hilfreich» gewesen. Dass man die CS nicht abgewickelt hat, wertet Gruenberg als «verpasste Gelegenheit». Denn Aktionäre, Gläubiger und Manager müssten daran erinnert werden, dass sie sich nicht länger auf staatliche Rettungsmassnahmen verlassen könnten.

Grosszügig gegenüber den eigenen Banken

Das Plädoyer für mehr Markt und weniger Staat klingt gut. Doch die Belehrung ist heuchlerisch. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass die amerikanische Regierung im März vergangenen Jahres wenig Interesse zeigte an einem waghalsigen Experiment der Schweiz mit dem bis dato noch nie angewandten «Too big to fail»-Regime. Man fürchtete, die Abwicklung der globalen Grossbank könnte eine Finanzkrise auslösen, und erwartete von Bern, die Lage rasch zu beruhigen – was auch gelang.

Unaufrichtig ist der Vorwurf aus einem weiteren Grund. So hielt sich die FDIC im Vorfeld der Credit-Suisse-Übernahme ebenfalls nicht an die eigenen Regeln. Als im Frühjahr 2023 mehrere US-Regionalbanken aufgrund höherer Zinsen ins Wanken gerieten, fürchtete die FDIC eine Ausweitung der Krise. Die Behörde, die neben der Einlagensicherung zum Teil auch für die Sanierung und Abwicklung von Finanzinstituten zuständig ist, entschied sich, sämtliche Einlagen der kollabierten Silicon Valley Bank zu garantieren.

Das Vorgehen widersprach dem eigenen Regelwerk. Denn eigentlich sieht das in den USA gültige Regime vor, dass bei einem Bankenkonkurs nur Kundeneinlagen bis 250 000 Dollar geschützt sind. Davon wollte die Behörde im März 2023 aber nichts mehr wissen. Um das Übergreifen der Krise auf weitere Institute zu verhindern, ging die FDIC auf Nummer sicher. Sie stellte ihre marktwirtschaftlichen Überzeugungen hintan und gewährte den Kunden eine uneingeschränkte Garantie.

Fehlender Mut zu Hochrisiko-Experiment

Muss man der FDIC deshalb einen Vorwurf machen? Nicht zwingend. Vielleicht war diese Vollkasko-Absicherung nötig, um die Situation zu beruhigen. Unredlich ist es aber, sich selber das Recht zum Regelbruch zuzusprechen, den Schweizer Behörden aber den Vorwurf zu machen, eine Gelegenheit verpasst zu haben. Dabei war die Silicon Valley Bank, anders als die CS, nicht global systemrelevant. Wenn die USA nicht einmal den Mut aufbrachte, bei einer Regionalbank den Markt plangemäss spielen zu lassen, warum dann die Forderung, dass dies die Schweiz mit der ungleich grösseren CS hätte tun sollen?

Die Mahnung ist ebenso unglaubwürdig wie Gruenbergs Aussage, dass er im Krisenfall selbst JP Morgan, die grösste Bank Amerikas, abwickeln würde. Wenn es hart auf hart geht, würde wohl auch JP Morgan staatliche Hilfe erhalten. Das globale Bankensystem ist derart vernetzt und die Ansteckungsgefahr so gross, dass Regierungen im Zweifel stets auf staatlich subventionierte Lösungen setzen dürften. Dies auch deshalb, weil die Abwicklung einer globalen Grossbank eine enge Koordination mit ausländischen Behörden verlangt. Das ist innerhalb eines Wochenendes kaum zu schaffen.

Gewiss, es wäre spannend zu sehen, wie das bisher noch unerprobte «Too big to fail»-Regime im Ernstfall konkret ablaufen würde. Das Problem: Niemand will dieses Hochrisiko-Experiment im eigenen Land durchführen. Denn kein Politiker will als Verursacher einer Finanzkrise in die Geschichte eingehen. Also predigt man Wasser, wenn es um die ferne Zukunft oder das Ausland geht, und trinkt Wein, wenn der Notfall unmittelbar im eigenen Land eintritt. Solange das so bleibt, erscheint die Anwendung des «Too-big-to-fail-Regimes» bei globalen Grossbanken als eher unwahrscheinlich – in der Schweiz ebenso wie in den USA.

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