Dienstag, Oktober 8

Machtmissbrauch und Justizbehinderung: Nach langen Impeachment-Ermittlungen erheben die Republikaner in einem Bericht schwere Vorwürfe gegen Joe Biden und seine Familie. Für eine Amtsenthebung fehlen ihnen jedoch die Beweise und die Stimmen.

Er habe viele Fehler in seiner Karriere gemacht, gestand der amerikanische Präsident Joe Biden am Montag bei seiner Rede am Parteitag der Demokraten. Einen groben Fehler beging er 2014: Der damalige Vizepräsident hielt seinen Sohn Hunter nicht davon ab, einen Sitz im Aufsichtsrat des ukrainischen Gasproduzenten Burisma anzunehmen. Und dies, obwohl Biden die Regierung in Kiew gleichzeitig dazu drängte, die Korruption entschlossener zu bekämpfen. Hunters Engagement bei Burisma habe die Glaubwürdigkeit seiner politischen Botschaft womöglich unterminiert, kritisierte die «New York Times» damals den Vizepräsidenten.

Vorwürfe mit wenig Substanz

Donald Trump und die Republikaner versuchen diesen Fehler seit Jahren auszunutzen, um Bidens Glaubwürdigkeit vollends zu beschädigen. Nachdem die Konservativen bei den Zwischenwahlen im November 2022 die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückgewonnen hatten, lancierten sie eine parlamentarische Untersuchung zum Geschäftsgebaren des Präsidenten und seiner Familie. Die dabei zusammengetragenen Fakten offenbarten eine «Kultur der Korruption», wie der damalige Speaker Kevin McCarthy im vergangenen September sagte. Die «schwerwiegenden Vorwürfe» rechtfertigten die Eröffnung von Impeachment-Ermittlungen

Nun veröffentlichten die Republikaner am Montag in einem 291-seitigen Bericht die Ergebnisse ihrer parlamentarischen Untersuchung. Sie werfen Präsident Biden darin Machtmissbrauch und die Behinderung von Ermittlungen vor. Hunters Burisma-Episode ist dabei nur ein Teil einer langen Liste. Biden habe seinen Status als Vizepräsident genutzt, um Mitgliedern seiner Familie – insbesondere seinem Sohn Hunter und seinem Bruder James Biden – zu lukrativen Geschäften in der Ukraine, China, Russland und Kasachstan zu verhelfen, heisst es in dem Bericht.

Gemäss den Ermittlungen soll Biden etwa an Nachtessen mit Hunters Geschäftspartnern teilgenommen haben. Bei Treffen mit seinen Kunden soll Hunter zudem seinen Vater gerne angerufen und beim Telefon die Lautsprecher-Funktion eingestellt haben. Auf diese Weise habe Hunter «die Illusion des Zugangs» zu seinem einflussreichen Vater verkauft, erklärte sein früherer Geschäftspartner Devon Archer in einer Kongressanhörung im vergangenen Jahr. Archers Aussagen werden in dem Impeachment-Bericht nicht weniger als 165 Mal zitiert. Allerdings fehlt seine Antwort auf die Frage: «Sind Sie sich irgendeines Fehlverhaltens von Vizepräsident Biden bewusst?» Archer antwortete: «Nein, ich bin mir keines solchen bewusst.»

Zweifellos hielt Biden zu wenig Distanz zu den Geschäften seines Sohnes, um jeglichen Anschein der Vetternwirtschaft zu vermeiden. Doch der Bericht der Republikaner liefert keine Beweise für ein tatsächliches Verbrechen, wie zum Beispiel die Entgegennahme von Schmiergeldern im Tausch für politische Gefälligkeiten. Zwar wird in dem Report erneut suggeriert, dass Biden 2016 die Absetzung des ukrainischen Generalstaatsanwalts Wiktor Schokin durch das Zurückhalten eines amerikanischen Milliardenkredits erzwungen habe, um seine angeblichen Ermittlungen gegen Burisma zu unterbinden. Dieses von den Republikanern gesponnene Narrativ ist indes wenig glaubwürdig. Die Ermittlungen gegen Burisma waren eingeschlafen, und Schokin soll kein Interesse an dem Fall gezeigt haben. Tatsächlich galt Schokin auch Demokratieaktivisten in Kiew als Mann des alten Systems und als Hindernis im Kampf gegen die Korruption.

Auch den Vorwurf von angeblichen Bestechungsgeldern, die Burisma an Hunter und Joe Biden gezahlt haben soll, konnten die Republikaner durch ihre Ermittlungen nicht erhärten. Im Gegenteil: Der FBI-Informant Alexander Smirnov, der diese Geschichte verbreitet hatte, steht derzeit unter Anklage. Er soll Kontakte zum russischen Geheimdienst pflegen.

Das politische Motiv fällt weg

Der Bericht wirft Bidens Regierung indes auch vor, die Ermittlungen im Kongress durch das Zurückhalten von Dokumenten behindert zu haben. Dem Justizministerium wird zudem vorgeworfen, die Ermittlungen gegen Hunter Biden wegen anderer mutmasslicher Vergehen verzögert zu haben. Im Juni wurde der Präsidentensohn verurteilt, weil er 2018 beim Erwerb einer Schusswaffe seine Drogensucht verheimlicht hatte. Im September steht ihm ein weiterer Prozess wegen Steuerhinterziehung bevor. Auch für eine mögliche Justizbehinderung durch den Präsidenten liefert der Untersuchungsbericht indes keine direkten Beweise.

Entsprechend fallen die Schlussfolgerungen des Reports vorsichtig aus. Bidens Verhalten sei «impeachable» – also ausreichend für ein Amtsenthebungsverfahren, resümieren die Verfasser. Sie geben allerdings keine Empfehlung für ein Impeachment ab: «Die Ausschüsse übergeben diese Informationen dem Repräsentantenhaus zur weiteren Evaluation und Erwägung geeigneter nächster Schritte.»

Womöglich war dies nun jedoch der letzte Schritt in dieser Sache. Angesichts der wackligen Beweislage befürworten nicht alle republikanischen Abgeordneten ein Impeachment. Die hauchdünne konservative Mehrheit im Repräsentantenhaus wird deshalb für eine erfolgreiche Abstimmung kaum reichen. Im demokratisch beherrschten Senat würde das Verfahren ohnehin scheitern. Vor allem aber scheint sich mit Bidens Verzicht auf eine Wiederwahl auch das eigentliche Motiv der Republikaner für die Ermittlungen erledigt zu haben. Die Untersuchungen schienen für sie in erster Linie ein Wahlkampfmittel zu sein.

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