Die Verschuldung der USA ist besorgniserregend. Doch an den Märkten bleibt es irritierend ruhig. Für viele Anleger bleiben Amerikas Schuldpapiere das «sauberste schmutzige Hemd» im Schrank.

Die USA lassen jede finanzpolitische Vernunft vermissen. Seit Jahren steigt die Staatsverschuldung, als gäbe es kein Morgen mehr. Letztmals verzeichnete die Regierung 2001 mehr Einnahmen als Aus­gaben. Seither dominiert in Washington das frivole Schuldenmachen – bei Demokraten ebenso wie bei Republikanern. Gründe finden sich immer: Finanzkrisen, Pandemien, Klimaschutz, Subventionen für «Zukunftsindustrien», Steuersenkungen und vieles mehr. Entsprechend bewegen sich Amerikas Schulden auf einem Niveau, das man sonst nur aus Kriegszeiten kennt.

Rückzug der Notenbank

Das Congressional Budget Office (CBO), eine überparteiliche Behörde zur Budgetkontrolle, schlägt Alarm. Es sieht das Land in Gefahr. Wenn sich der Trend fortsetze, werde die Schuldenquote von derzeit 97 Prozent der Wirtschaftskraft auf 166 Prozent im Jahr 2054 hochschnellen – wobei in diesen Zahlen die Schulden der Gliedstaaten und Kommunen noch nicht berücksichtigt sind. Das CBO erkennt «erhebliche Risiken» für Amerikas Wirtschaft, sollte der gigantische Schuldenberg – er ist derzeit über 26 Billionen Dollar schwer – ständig weiterwachsen.

Zwar gehört es zur Kernaufgabe von Budgetwächtern, die Lage möglichst düster zu präsentieren. Zudem sind Prognosen bis 2054 sehr spekulativ. Dennoch sollte man die Lage nicht verharmlosen. Denn anders als noch vor wenigen Jahren, als die Zinsen extrem niedrig und die Ausgaben für den Schuldendienst fast vernachlässigbar schienen, liegen die Dinge heute anders: Geld kostet wieder etwas. Die für Staatsanleihen zu bezahlenden Zinsen dürften in den USA schon bald höher sein als die Verteidigungsausgaben.

Die Notenbank Fed verschärft das Schuldenproblem in zweierlei Hinsicht: Erstens hat sie die Leitzinsen seit dem Frühjahr 2022 stetig erhöht. Zweitens agiert sie aufgrund der ho­hen Inflation nicht länger als spendable Käuferin von staatlichen Schuldpapieren. Vielmehr hat sie ihr entsprechendes Portfolio in den vergangenen zwei Jahren um mehr als eine Billion Dollar verringert. Ein solches Szenario, also der Wegfall eines potenten Käufers, galt in den vergangenen Jahren für viele Ökonomen als Schreckgespenst für Amerikas Finanzstabilität.

Eine alternativlose Anlage

Doch die Furcht vor einem Käuferstreik blieb bisher unbegründet. «Dann kauft sie halt ein anderer», schreibt die Commerzbank zur Frage, wer die Staatsanleihen nach dem Wegfall des Fed erwirbt. Tatsächlich hat der Rückzug der Notenbank keine grosse Unruhe ausgelöst. In die Lücke gesprungen sind vor allem amerikanische Privathaushalte, die seit Mitte 2022 fast zwei Drittel der Neuschulden erworben haben. Auch Geldmarktfonds haben ihre Bestände aufgestockt, ebenso ausländische Investoren, die derzeit knapp einen Drittel der Schuldpapiere halten.

Einmal mehr zeigt sich: Die USA können noch so unvernünftig agieren, vom Markt bestraft werden sie kaum. Trotz einer Finanzpolitik, die alles andere als nachhaltig ist, werden die Schuldpapiere ohne Murren gekauft. Zwar muss die Regierung leicht höhere Zinsen zahlen, doch eine harte Bestrafung, wie sie jeder andere Staat für eine so ungezügelte Neuverschuldung erfahren würde, bleibt aus. Denn für viele Investoren sind US-Staatsanleihen alternativlos. Hinter den Papieren steht die globale Leitwährung und führende Wirtschaftsmacht. Daran führt kein Weg vorbei.

Der Markt für US-Staatspapiere ist riesig und hochliquid. Jederzeit kann gekauft und verkauft werden. Das reicht vielen Investoren, um dem Markt treu zu bleiben. Denn die Alternativen sind kaum schöner: Die Euro-Zone ist ein instabiles Konstrukt, in Japan sind die Schulden noch höher, und in China fehlt es an Vertrauen in die Führung. Amerikas Schuldpapiere bleiben daher das «sauberste schmutzige Hemd» im Schrank. Entsprechend sanft behandelt der Markt das Land, ungeachtet aller Exzesse. Man mag das als unfair werten – doch so ist die Welt.

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