Es ist ein Zückerchen der Europäischen Union: Die Schweiz hat wieder vollen Zugang zu den Forschungsgeldern der EU. Das entlastet den Schweizerischen Nationalfonds.
Darauf haben sie lange gehofft: Professoren, Doktorandinnen und Nachwuchsforscher können sich seit Anfang Jahr wieder um die Stipendien und Zuschüsse der Europäischen Union bewerben. Das gab die EU kurz vor Weihnachten bekannt, als die Verhandlungen mit der Schweiz über neue bilaterale Abkommen abgeschlossen wurden. Die sogenannten ERC-Grants gelten als prestigeträchtig und karrierefördernd. Aus der Forschungswelt heisst es, man spiele nun wieder in der «Champions League».
In den letzten Jahren war das Horizon-Programm zu einem Druckmittel der EU geworden. Als die Schweiz 2021 die Verhandlungen über neue bilaterale Abkommen stoppte, wurde sie von Horizon ausgeschlossen. Der Bund zimmerte eine Übergangslösung und zahlte 2,5 Milliarden Franken zur Finanzierung von ausgewählten Forschungsprojekten. So entstand eine Schweizer Kopie der ERC-Grants. Diese hatte unter Forschenden jedoch nicht das gleiche Renommee.
Entsprechend hoch ist nun die Nachfrage nach dem Original. Die ETH schreibt, das Interesse an den ERC-Grants sei sehr gross. «Die Einwerbung eines ERC-Grants wird als Auszeichnung angesehen», sagt eine Sprecherin der ETH. «Die Ersatzmassnahmen konnten zwar eine finanzielle Lücke schliessen, nicht aber die internationale Präsenz, die Kompetition und das Prestige wettmachen.»
Kaum bekannt ist, dass die EU bereits im vergangenen Sommer einige wenige Grants für Schweizer Forschende zugänglich machte, weil die Verhandlungen gut voranschritten. Die Universitäten verfügen deshalb schon heute über erste Statistiken zur Nachfrage. Die Universität Zürich schreibt, es seien eineinhalbmal so viele Anträge für ERC-Grants eingereicht worden wie 2020/2021, als die Schweiz letztmals vollen Zugang zu den Programmen hatte. «Die Universitätsleitung hat aktiv auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht und die Forschenden zur Projekteingabe ermuntert.»
Auch die Universität Bern stellt fest, dass sich noch mehr Forschende für die EU-Programme interessieren als früher. Zum Beispiel bei den «Starting Grants», welche spezifisch für Nachwuchsforschende gedacht sind. Aber auch die Anträge für sogenannte «Synergy Grants» zur Gründung eines internationalen Forschungsteams hätten sich mehr als verdoppelt. Für die Universität Bern komme das nicht unerwartet, schreibt eine Sprecherin. «Man hat auf die Assoziierung gehofft.»
Nationalfonds-Präsident: «Stop and Go ist vorbei»
Die neuen Möglichkeiten für Schweizer Forschende entlasten den Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Dieser war in den vergangenen vier Jahren zusammen mit dem Bund für die Übergangsprogramme zuständig. Torsten Schwede ist Professor für Bioinformatik und seit Anfang Jahr neuer Präsident des SNF. Er sagt, es sei wichtig, dass das «Stop and Go» der letzten Jahre vorbei sei. «Schweizer Forschende können jetzt wieder eine aktivere Rolle einnehmen.»
Und auch für den SNF ändert sich laut Schwede nun einiges. «Wir müssen keine kurzfristigen Übergangslösungen mehr organisieren, und unsere Aktivitäten sind wieder besser planbar.»
Allerdings: Mit der Euphorie der Schweizer Forschungscommunity könnte es schneller vorbei sein, als ihr lieb ist. Sollte die Stimmbevölkerung das neue Vertragspaket dereinst ablehnen, könnte die EU den Zugang wieder verwehren. Dann wäre die Schweiz bei der «Champions League» der Forschungswelt erneut auf die Zuschauerränge verwiesen.
Ein Artikel aus der «»