Viola Amherd hat enge Vertraute aus dem Wallis um sich geschart, Beat Jans nimmt seine Generalsekretäre aus Basel-Stadt mit. Was macht einen guten Bundesratsstab aus?
Als Adolf Ogi 1987 Bundesrat wurde, hatte er nur zwei Wochen Zeit, um seine engsten Mitarbeiter zu suchen. Das ist wenig für einen der zentralsten Entscheide, die ein Bundesrat treffen muss. «Ich habe mich Tag und Nacht damit beschäftigt», erinnert sich Ogi heute.
An der Spitze ist es einsam, das gilt für Bundesräte besonders. Sie kommen nach ihrer Wahl in gefestigte Strukturen: Die Departemente der Bundesverwaltung sind schwerfällige Tanker, häufig mit langjährigen Mitarbeitern. Sie zu führen, ist äusserst anspruchsvoll. «Ist man Bundesrat, wollen alle etwas von einem und sind freundlich», sagt Andrea Caroni, heute FDP-Ständerat, früher persönlicher Mitarbeiter von Bundesrat Hans-Rudolf Merz.
Umso dringender braucht der Exekutivpolitiker Menschen, denen er vertrauen kann. Und bei denen er sicher sein kann, dass sie offen und ehrlich sind. Das ist in der Regel der Stab des Bundesrats, bestehend aus dem Generalsekretär und dessen Stellvertreter, persönlichen Mitarbeitern, dem Kommunikationschef und dem Vorzimmer. Caroni sagt: «Das sind die einzigen Freunde im Departement, die ein Bundesrat hat.»
Häufig setzen Bundesräte bei ihrem Stab auf langjährige Gefährten und Parteifreunde. Letzte Woche hat Bundesrat Beat Jans bekanntgegeben, dass er seine Generalsekretäre aus Basel-Stadt mitnehme, Nora Bertschi, Mitglied der Grünen, und Sebastian Kölliker, Sozialdemokrat. Auch die Bundesrätinnen Viola Amherd und Elisabeth Baume-Schneider haben in ihrem Stab Vertraute aus der Heimat und Parteifreunde.
Unter Beobachtung
Politische Freunde und Gegner schauen jeweils genau hin, wer da bei einem Bundesrat in den innersten Kreis kommt. Als Amherd kürzlich ihren Machtzirkel ausbauen und einen langjährigen Walliser Parteifreund zum stellvertretenden Generalsekretär befördern wollte, intervenierte laut Recherchen der NZZ die Finanzdelegation der beiden Räte. Bei Albert Rösti empörten sich einige Linke und Medien, als er Yves Bichsel zum Generalsekretär ernannte. Bichsel war unter dem ehemaligen Bundesrat Christoph Blocher stellvertretender Generalsekretär und später Generalsekretär der SVP.
Das Interesse am Stab kommt nicht von ungefähr: Je nach Persönlichkeit und Fähigkeit können sich die engsten Mitarbeiter zu mächtigen Figuren entwickeln. Beim früheren SP-Bundesrat Moritz Leuenberger hiess es, sein Departement werde eigentlich von Generalsekretär und Genosse Hans Werder geleitet. Er wurde auch «Schattenbundesrat» genannt: «Werder ist im Uvek der Chef», sagte der ehemalige SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner 2008 der NZZ. Dasselbe sagte man über den heutigen Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher, als er Generalsekretär des ehemaligen Bundesrats Johann-Schneider Ammann war (beide FDP).
Dabei ist es gar nicht so einfach, einen guten Stab zusammenzustellen. Andrea Caroni sagt: «Am praktischsten ist es, wenn man als Bundesrat das Departement eines Parteikollegen übernimmt.» Dann stimmt die Gesinnung, und man hat einen Stab, der die Feinmechanik in der Verwaltung bereits kennt. «Das braucht man», sagt Caroni, «sonst wird man überrollt.» Er hat es erlebt, als Merz ihn 2008 zu seinem persönlichen Mitarbeiter ernannte. Zum Glück sei er als Greenhorn von «alten Hasen» umgeben gewesen.
Loyalität und Leistungsbereitschaft
Auch Adolf Ogi gehörte 1987 zu den Glücklichen: Er musste keinen Generalsekretär suchen, sondern konnte Fritz Mühlemann von seinem Vorgänger im Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement, dem Parteifreund Leon Schlumpf, übernehmen. Ogi und Schlumpf kannten sich gut, als Parteipräsident der SVP hatte Ogi Bundesrat Schlumpf jeden Donnerstagmorgen um 7 Uhr 30 getroffen. Schlumpf habe ihn «korrekt und zurückhaltend» darüber orientiert, was in der Bundesratssitzung vom Vortag beschlossen worden sei. Man habe sich vertraut. «Schlumpf sagte mir, Mühlemann sei gut, und ich wusste, dann ist er auch gut», sagt Ogi rückblickend.
Fünf Kriterien waren für den Bundesrat zentral: «Politisches Feeling, strategisches Denken, Ehrlichkeit und Loyalität sowie Leistungsbereitschaft.» Doch Ogi war es auch wichtig, sich mit Andersdenkenden zu umgeben. Als er 1996 das Eidgenössische Militärdepartement (später VBS) übernahm, rekrutierte er in einem aufsehenerregenden Schritt Oswald Sigg, SP-Mitglied, als Kommunikationschef. Einige SVP-Vertreter waren darüber ziemlich wütend. Das sei, wie wenn ein Metzgermeister einen Vegetarier anstelle, lautete die Kritik. Ogi beharrte auf Sigg. Dieser habe viel Erfahrung und ein grosses Fachwissen gehabt. «Ausserdem muss man wissen, wie der Gegner angreift.»
Ideal ist eine gute Mischung. Übernimmt ein Bundesrat ein Departement mit vielen ähnlich denkenden Angestellten, wäre ein politischer Gegner im Stab sinnvoll, der den politischen Gegenwind voraussieht. So wie Ogi mit Sigg. Übernimmt der Bundesrat dagegen ein Departement von Andersdenkenden, braucht er enge Mitarbeiter, die ihm helfen, den neuen Kurs durchzusetzen. So wie Albert Rösti mit Bichsel. Rösti übernahm das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation von Simonetta Sommaruga (SP). Die Chance ist gross, dass die langjährigen Mitarbeiter eine andere politische Linie vorziehen als ihr neuer Chef.
Die Mächtigen im Hintergrund
Für einen Bundesrat ist es daher eine Herausforderung, wirklich etwas zu bewegen. Beamte seien stark, pflegt Ogi zu sagen. «Der Chef muss sagen, was er will, sonst wird er von der Verwaltung geführt.»
Gerade Amtsdirektoren haben mit ihrer häufig langjährigen Erfahrung in der Verwaltung und ihrem Fachwissen einen grossen Einfluss auf die Bundespolitik. Doch so mächtig Kaderbeamte sind, so wenig weiss man über sie.
Etwa in Bezug auf die geografische Herkunft. Während die Öffentlichkeit bei Bundesratswahlen die Heimat als bedeutendes Repräsentationskriterium verhandelt, wird diese bei der Besetzung von Kaderstellen kaum zum Thema gemacht. Rahel Freiburghaus bringt nun etwas Licht ins Dunkel. Die Politologin der Universität Bern hat unter anderem zur Herkunft von Amtsdirektoren geforscht. Ihr Buch «Lobbyierende Kantone» erscheint im April.
Freiburghaus’ Datenanalyse zeigt: Im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse ist der Kanton Bern unter den bisherigen Amtsdirektoren wenig überraschend am stärksten übervertreten – hier ist auch der Sitz der Bundesbehörden, entsprechend viele Berner arbeiten beim Staat. Auch der Kanton Freiburg stellt viele Amtsdirektoren. Dank seiner guten ÖV-Anbindung an die Bundesstadt, attraktiven Steuerkonditionen und Ausbildungsangeboten ist Freiburg ein beliebter Wohnort hochrangiger Bundesangestellter.
Vergleichsweise wenig Amtsdirektoren leben dagegen im finanzstarken Genf, das am Rand der Schweiz liegt. Der Kanton habe lange Zeit ein nicht unbedingt «bundesbernbezogenes» Selbstverständnis gehabt, erklärt Freiburghaus. Mittlerweile habe er aber gemerkt, wie bedeutsam das aktive Mittun in der Bundespolitik sei, beispielsweise in der Europa- und der Migrationspolitik. Daher habe Genf das Kantonslobbying professionalisiert.
Letztlich vertreten aber weder Bundesräte noch Amtsdirektoren ihren eigenen Kanton, sondern das ganze Land mit seinen vielfältigen Interessen. Wer sich mit wem versteht, hat auch mit zwischenmenschlichen Faktoren zu tun. Und wenn die Chemie nicht stimmt, haben die Bundesräte heutzutage durchaus Möglichkeiten, ihre Chefbeamten loszuwerden. Während Staatsangestellten ohne triftige sachliche Gründe sehr schwer gekündigt werden kann, gelten beim obersten Kader andere Regeln.
Anfang der 1990er Jahre wurde eine «Schleudersitzverordnung» geschaffen. Sie ermöglicht es, Amtsdirektoren bereits wegen einer nicht mehr «gedeihlichen Zusammenarbeit» zu künden. Bei Generalsekretären, Informationschefs und persönlichen Mitarbeitern reicht bereits der «fehlende Wille» des Bundesrats für eine Kündigung. So muss sich beispielsweise Lukas Gresch, Bersets Generalsekretär im Departement des Inneren, neu orientieren. Die neue Departementschefin Elisabeth Baume-Schneider nimmt Stefan Hostettler aus dem Justiz- und Polizeidepartement mit.