Sonntag, Oktober 6

Die Wagenknecht-Partei zieht mit einem zweistelligen Wahlergebnis in die Landtage von Thüringen und Sachsen ein. Die Christlichsozialen brauchen das Bündnis zum Regieren. Die Parteigründerin Wagenknecht nennt rote Linien.

Ohne Sahra Wagenknecht wird es keine stabilen Regierungen in Thüringen und Sachsen geben. So viel ist zumindest einen Tag nach den Landtagswahlen in den beiden ostdeutschen Bundesländern sicher. Da die Christlichdemokraten ein Bündnis mit der AfD ausschliessen, bleibt nur eine Beteiligung der erst vor acht Monaten gegründeten Wagenknecht-Partei. Die Parteigründerin tritt am Montag in Berlin gut gelaunt vor die Presse und geniesst sichtlich ihre Rolle als Königsmacherin.

Es sei ein grandioser Tag, sagt Wagenknecht, die von mindestens fünfzehn Kameras angestrahlt wird. «Wir sind ein Machtfaktor in Deutschland geworden», konstatiert die 55-Jährige zufrieden. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass ihr Bündnis mitregieren will. Die Bedingungen diktiert sie gleich dazu.

Dabei geht es um Aussenpolitik. Der Wahlkampf in den beiden Bundesländern war auf die Frage von Krieg und Frieden zugeschnitten – und damit natürlich auf die Parteichefin und Namensgeberin. Wagenknecht lehnt die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland sowie weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Sie tritt für Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Putin für ein Ende des Krieges ein.

Diese Positionen müssten sich in einem Koalitionsvertrag widerspiegeln, sagt Wagenknecht sehr deutlich. Das BSW sei schliesslich angetreten, die Politik zu verändern. Wenn die Menschen hörten, es fehle an Geld für Lehrer, aber gleichzeitig würden 8 Milliarden Euro für neue Waffen ausgegeben – «dann schwillt ihnen der Kamm», empört sie sich.

Verzicht auf US-Raketen muss in Koalitionsvertrag

Wagenknecht trifft mit diesen Aussagen, die in dieser Radikalität nur noch die AfD vertritt, den Nerv vieler Ostdeutschen. Laut Umfragen lehnen zwei Drittel der Menschen in den östlichen Bundesländern die Stationierung von Mittelstreckenraketen ab. Die Angst vor einem grossen Krieg, in den auch sie hineingezogen würden, treibt mehr als die Hälfte der Menschen um. Den Vorwurf der Putin-Nähe weist Wagenknecht immer wieder als absurd zurück. «Wir glauben nur nicht daran, dass der Krieg mit Waffen beendet wird», sagt sie.

Das Gleiche gilt für die Migrationspolitik. Wagenknecht beklagt, wie auch viele Menschen in Ostdeutschland, den Kontrollverlust durch irreguläre Migration, die gestoppt werden müsse.

Allerdings geht es weder in Sachsen noch in Thüringen um die grossen Linien der deutschen Aussenpolitik, die Wagenknecht so gern beschreibt. Hier mangelt es an Lehrern, die Strassen sind marode, und in vielen ländlichen Gebieten fährt schon lange kein Bus mehr. Die Wagenknecht-Partei, die aus Überläufern und Politikneulingen zusammengewürfelt ist, muss sich diesen Mühen der Ebene stellen. Ob sie das kann? Die Personaldecke ist dünn. Nur rund 60 Mitglieder hat jeder Landesverband.

Zunächst kann sich Wagenknecht entspannt zurücklehnen und abwarten. Für Thüringen muss der christlichdemokratische Spitzenkandidat Mario Voigt und für Sachsen der amtierende Ministerpräsident Michael Kretschmer auf das BSW zukommen. Ob Wagenknecht dann mit am Tisch bei den Koalitionsverhandlungen sitzt, lässt sie offen. «Ich werde mich einbringen», sagte sie nur. Viel Konkretes über die nächsten Schritte ist von der Parteichefin nicht zu erfahren.

Das BSW wolle sich aber der Verantwortung stellen, betont die Parteiführung immer wieder. «Wir sind die Alternative zur Alternative», sagt die thüringische Spitzenkandidatin Katja Wolf in Anspielung auf die AfD. «Die Hoffnungen, die in uns gesetzt wurden, werden wir nicht kaputtmachen.»

Ziel ist der Einzug in den Bundestag

Dabei ist klar, dass sich die Wagenknecht-Partei keine Fehltritte in Sachsen und Thüringen leisten kann. Damit würde sie ihre Chancen für die Bundestagswahl im nächsten Jahr verspielen. Denn der Bundestag und nicht das Klein-Klein der Landespolitik ist das eigentliche Ziel von Wagenknecht. Dort sass sie ab 2009 für die Linksfraktion, ehe sie im Oktober vergangenen Jahres ihren Austritt erklärte. Drei Monate später gründete sie ihre Partei.

Schnell wurde die neue Partei von ihren Kritikern als One-Woman-Show, Phantom und Egotrip einer gekränkten Ex-Kommunistin abgetan. Wagenknecht ist auch angetreten, um es ihren politischen Widersachern aus der Linkspartei zu zeigen. Denn während sich ihre alte Partei zerlegt und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, triumphiert Wagenknecht.

Mit dem Einzug in die Landtage hat das BSW zumindest jetzt schon Geschichte geschrieben. Denn noch keiner neu gegründeten Partei ist es in der Bundesrepublik innerhalb so kurzer Zeit gelungen, ein zweistelliges Wahlergebnis zu erzielen.

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