Montag, Oktober 14

Der Unternehmer Samih Sawiris will das Ferienresort Andermatt noch lange selber führen, wie er im Interview sagt. Mit dem Untergang der CS hat der Milliardär gutes Geld gemacht.

Es ist fast zwanzig Jahre her, dass Sie zum ersten Mal nach Andermatt gekommen sind . . .

. . . schon zwanzig Jahre? Mein Gott, ein halbes Leben.

Ja, im nächsten Frühling ist es so weit. Haben Sie es jemals bereut, dieses Projekt in Angriff genommen zu haben?

Nie. Ich mag es nicht, mit Reue zu leben. Bevor ich etwas bereue, werde ich ein Projekt los. Hätte ich Andermatt bereut, würden wir dieses Interview gar nicht führen.

Kamen Sie einmal an den Punkt, an dem Sie über einen Verkauf nachgedacht haben?

Nein. Vor Andermatt habe ich bei jedem Projekt Schwierigkeiten erlebt, das gehört dazu. Es ist wie ein Film, den ich immer wieder anschaue. Zwischendurch wird es spannend. Manchmal sind es sogar Horrorszenen. Aber am Schluss gibt es ein Happy End.

Welche Horrorszenen gab es in Andermatt?

Die Finanzkrise von 2008. Wenn Sie damals zu einer Bank gingen und gesagt haben: «Ich komme aus der Immobilienbranche und hätte gerne einen Kredit», wurde man zur Tür gewiesen. Es war unmöglich, an Geld zu kommen. Wissen Sie was? Unser damaliger Orascom-Verwaltungsrat, den ich präsidierte, war in meiner Abwesenheit zur Meinung gekommen, dass wir Andermatt stoppen sollten, weil es sonst die Firma ruinieren würde.

In Ihrer Abwesenheit?

Ja, das war 2009. Ich kam in die Sitzung, und der Verwaltungsrat teilte mir mit, dass man einstimmig dieser Meinung sei. Aber ich habe gesagt: «Wir können in Andermatt nicht aussteigen, ich habe mein Wort gegeben. Ich könnte nicht damit leben, Andermatt im Stich zu lassen.»

Und dann?

Ich habe es dann selbst gemacht. Ich habe persönlich die Mehrheit der Andermatt Swiss Alps AG (ASA) übernommen, um Orascom nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Andermatt hat tatsächlich einiges mehr gekostet, als ich gedacht hatte. Ich musste viel eigenes Geld in Andermatt stecken. Aber dann hat sich die Welt erholt, und heute spricht niemand mehr vom «Wahnsinnsprojekt Andermatt» oder vom «Träumer von Ägypten».

Hat Sie diese Skepsis damals gekränkt?

Überhaupt nicht. Ich war es gewohnt. Mein eigener Vater hatte sich über mich lustig gemacht, als ich mein erstes Projekt in al-Guna am Roten Meer anfing. «Was machst du da mitten in der Wüste? Alle gehen nach Sharm al-Sheikh!» Er hat sogar meine Käufer verunsichert.

Sie haben über eine Milliarde Franken in das Projekt Andermatt gesteckt. Wurden Sie dafür belächelt?

Tatsächlich haben mich die Leute immer wieder gefragt, warum ich hier so viel Geld investiere. Doch ich habe ja das Geld. Sollte ich es eher zur CS oder zur UBS bringen? Mir schien es sinnvoller, die Mittel in Wohnungen und Hotels in Andermatt zu investieren. Hauptsache, es ist in der Schweiz und es ist sicher.

So schlecht war diese Entscheidung angesichts der späteren Entwicklung der CS nicht.

Leider stellte sich heraus, dass das Risiko bei der CS noch grösser war als bei meinem Tourismusprojekt. Ich war aber immer überzeugt, dass die Schweiz die CS nicht pleitegehen lassen würde. Deshalb hatte ich auch CS-Anleihen gekauft und damit im Endeffekt gut Geld verdient.

Andere haben weniger Glück gehabt als Sie. Auf Anweisung der Finanzmarktaufsicht mussten die später herausgegebenen AT1-Anleihen abgeschrieben werden.

Solche Bonds habe ich nie gekauft. Ich habe meine Leute ausdrücklich davor gewarnt, diese AT1-Anleihen zu kaufen.

Haben Sie mit Andermatt unter dem Strich Geld verdient?

Richtig viel Geld verdient habe ich bislang nicht. Aber ich habe viel mehr Wertschöpfung erzielt, als ich Geld hineingesteckt habe. Damals hatte ich den Boden günstig gekauft. Dank unserer erfolgreichen Entwicklung kann ich den heute um einiges teurer verkaufen. Ich habe ja noch viel Land in Andermatt, das ich verkaufen kann. Plus zwei Hotels und die Möglichkeit, weitere Apartmenthäuser und Hotels zu bauen. Es zahlt sich jetzt aus. Man muss halt zwanzig Jahre Geduld haben.

Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit für einen Return on Investment.

Das ist das Schöne an meinem Geschäft. Ich bin ganz allein. Niemand ist bereit, zwanzig Jahre zu warten. CEO denken von Quartal zu Quartal und an ihren Bonus. Dieses Problem habe ich nicht.

Wird es in Andermatt ohne Samih Sawiris weitergehen?

In Andermatt bin ich noch voll dabei. Mein Sohn ist jetzt Hauptaktionär und Verwaltungsratspräsident von Orascom. Die Projekte in al-Guna, Montenegro, Oman und so weiter macht er mit seinem Team. Aber in Andermatt bin ich nach wie vor Mehrheitsaktionär und auch Verwaltungsratspräsident. Da muss er machen, was ich sage. Ich hätte übrigens nie gedacht, dass es so gut funktioniert zwischen uns. Er hört zwar nicht immer auf mich (lacht). Aber irgendwie kommen wir gut zurecht.

Wie lange machen Sie noch weiter?

Bis ich nicht mehr mag. Irgendwann wird mein Sohn in Andermatt übernehmen, aber das dauert noch ein paar Jahre.

Sie sind in der Schweiz eine Berühmtheit. Wie gut ist Ihr Sohn Naguib Sawiris im Kanton Uri und in der Schweiz vernetzt?

Es kommt langsam. Es wollen immer mehr Leute mit ihm reden, wenn es um Andermatt geht.

Macht es Ihnen Spass, in der Öffentlichkeit zu stehen?

Nein, aber es hat mich auch nicht genervt. Und ich muss zugeben: Wenn mich jemand auf der Strasse erkennt und sagt: «Sie sind doch der Sawiris von Andermatt. Wir finden es toll, was Sie für das Land getan haben», kompensiert das die vielen Mühen.

Für den Verkauf des Skigebiets Andermatt an die amerikanische Firma Vail Resorts gab es aber viel Kritik. Hat Sie das überrascht?

Überhaupt nicht. Die Schweizer sind sehr stolz auf das, was sie besitzen. Auch wenn sie insgeheim wohl zugeben müssen, dass Vail das Geschäft eigentlich viel besser versteht, als wir es in Andermatt getan haben. Die sind sehr effizient und professionell. Ich habe ja keine Erfahrung im Betrieb von Bergbahnen. Es war deshalb immer mein Ziel, das Skigebiet einem professionellen Bahnbetreiber zu übergeben. Jemandem, der zudem selbst investiert und etwas zu verlieren hat.

Ist die Destination Andermatt dadurch nicht dem Unternehmen Vail ausgeliefert?

Die Konkurrenz zwischen den Skigebieten nimmt zu, zudem stehen in fast allen Destinationen grosse Investitionen an. Andermatt ist dank dem neuen Eigentümer Vail für die kommende Zeit ausserordentlich gut positioniert. Wir sind im Übrigen immer noch mit 40 Prozent an den Bahnen beteiligt, und die Hotels und Immobilien gehören nach wie vor der ASA.

Crans-Montana gehört jetzt auch zu Vail. Waren Sie der Türöffner für die Amerikaner in Europa?

Nein, ich wollte ja bekanntlich früher schon die skandinavische Firma Skistar als Eigentümerin der Bahnen nach Andermatt holen. Da war es aber noch zu früh und die Destination nicht so weit entwickelt. Mein Sohn hat dann später Vail geholt. Er hat ein Jahr lang mit ihnen verhandelt. Am Schluss hat er den Deal ins Ziel gebracht.

Jedes Jahr steigt die Schneefallgrenze. Hat Skitourismus überhaupt eine Zukunft?

In Andermatt schon. Wir profitieren von den Schwierigkeiten der anderen. Andermatt bleibt schneesicher. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Jahren viele Touristen haben werden, die anderswo enttäuscht worden sind vom fehlenden Schnee.

Sie sind seit Kindsbeinen im Tourismus tätig und ein absoluter Profi. Dieses Jahr ist aber das deutsche Reisebüro FTI Konkurs gegangen, das drittgrösste Reiseunternehmen Europas. Es gehörte Ihnen. Wie konnte Ihnen das passieren?

Ich kann es Ihnen ganz offen erzählen: Am Anfang war es ein begrenztes Investment. Das Kalkül war, dass ich über die Beteiligung an FTI meine Hotels in anderen Destinationen schneller voll bekomme. Innert dreier Jahre haben wir durch die Zusatzeinnahmen in den Hotels diese Investition wieder hereingeholt. Aber ich war ja nur Minderheitsaktionär und hatte nichts zu entscheiden. Meine Ratschläge wurden leider nicht immer gehört. So geriet das Unternehmen in eine Krise.

Warum haben Sie weiter Geld hineingesteckt?

Ich wollte das Unternehmen nicht untergehen lassen. Und dann kam Covid.

Die Firma stand vor der Pleite, wie fast alle Reiseunternehmen.

Ich musste entscheiden: Entweder stecke ich noch einmal viel Geld hinein, oder 16 000 Leute stehen auf der Strasse. Das konnte ich nicht verantworten. Wie kann ich selbst eine gute Zeit haben, wenn es so vielen Mitarbeitern schlechtgeht?

Im letzten Mai ging FTI dennoch in Konkurs. Dabei gab es einen Rettungsplan. Die Investmentfirma Certares hätte FTI übernehmen sollen.

Es dauerte drei Jahre, bis die Reiseindustrie Corona überwunden hatte. In der Zeit sind die Schulden von FTI weiter gewachsen. Es gab nur eine Lösung: Die Firma an jemanden zu verkaufen, der selbst viel Geld hineinstecken würde. Aber die Abklärungen hatten einfach zu viel Zeit gebraucht.

War das entscheidend?

FTI ist letztlich wegen des Zeitverlusts pleitegegangen. Wenn die Kunden und Lieferanten das Vertrauen verlieren, kann es schnell gehen – ähnlich wie bei einem Bank-Run. Wenn die Hotelbetreiber von einem 4-Milliarden-Unternehmen Vorauszahlungen verlangen, bedeutet dies letztlich das Todesurteil.

Welche Rolle hat der deutsche Staat bei diesem Konkurs gespielt?

Die Regierung hat sich nach besten Kräften bemüht, das Unternehmen zu retten, insbesondere diverse Personen im Wirtschafts- und Finanzministerium sowie das Bundesland Bayern. Leider sind sie aufgrund der komplexen Entscheidfindung strukturell nicht in der Lage, schnell genug zu handeln. Der Prozess zog sich in die Länge, und in dieser Zeit nutzte die Konkurrenz die Gelegenheit, um das Vertrauen in FTI zu erschüttern. Ein Reiseveranstalter ist letztlich auf Vertrauen angewiesen.

Gemäss Zahlen der NZZ haben Sie insgesamt 260 Millionen Euro verloren.

Inklusive Zinsen sind es ungefähr 260 Millionen Euro gewesen.

Das ist eine enorme Summe. Wie gehen Sie mit einem solchen Verlust um?

Solange ich mein Haus in Andermatt, mein Boot auf dem Meer und sonst noch ein gutes Leben haben kann, ist alles in Ordnung. Meine Kinder sind gut ausgebildet, und die Familie ist gesund. Das ist es, was letztlich zählt.

Geld ist für Sie also nicht besonders wichtig.

Natürlich ist es wichtig. Aber: Seit meiner Jugend arbeite ich nicht, um Geld anzuhäufen, sondern um Geld sinnvoll einsetzen zu können. Das ist ein grosser Unterschied. Es macht mir Freude, wenn ich es für meine Bedürfnisse, für wohltätige Zwecke in meiner Stiftung oder für Investitionen ausgeben kann. Dabei setze ich immer wieder auch Projekte um, von denen ich weiss, dass sie kaum rentieren werden.

Welche sind das?

Beim Luxushotel Mamula vor der Küste Montenegros war von Anfang an klar, dass es nie voll rentieren wird. Doch wenn man das schönste Hotel am Mittelmeer schafft, nimmt man das in Kauf. Die Leute, die dort übernachten, haben eine wahnsinnig gute Zeit, und das wiederum ist für mich eine grosse Freude. Die Finanzierung stelle ich sicher.

Auch mit dem Projekt in der Isleten am Urnersee werden Sie wohl kaum je Gewinn machen.

Der erste Projektentwurf, den wir 2022 präsentiert haben, hätte wohl einen Gewinn abgeworfen. Als es Widerstand gab, haben mein Team und ich das Vorhaben stark reduziert. Jetzt werden wir hoffentlich eine schöne Anlage realisieren können. Wie viel Rendite sie am Schluss einbringen wird, wird man dann sehen. Die Rendite ist mir jedoch nicht das Wichtigste. Es muss sich selbst tragen können. Aber das glaubt mir kaum jemand (lacht).

Tatsächlich ist der Widerstand im Kanton Uri gross. Es gibt eine Volksinitiative, die sich direkt gegen Sie und Ihr Projekt richtet.

Ich weiss nicht, wie gross der Widerstand wirklich ist. Er ist aber vor allem laut. Die Gegner sind gut organisiert.

Werden Sie sich aktiv in die Diskussion einschalten, wenn die Volksinitiative am 24. November zur Abstimmung gelangt?

Auf keinen Fall. Das ist eine rein urnerische Angelegenheit. Ich bin hier immer noch Gast, auch wenn ich inzwischen Ehrenbürger des Kantons Uri bin. Ich korrigiere nur, wenn Unwahrheiten verbreitet werden. Zum Beispiel wenn die Gegner immer noch behaupten, ich wolle das Gebiet exklusiv für einige wenige Leute ausbauen und abschotten. Oder ich wolle einen Ort für Reiche schaffen. Doch wenn die Urnerinnen und Urner den Initianten und nicht mir glauben, dann werde ich das natürlich akzeptieren. Gegen den Willen der Mehrheit mache ich mein Projekt nicht.

Was passiert mit dem Gelände, wenn die Initiative angenommen wird?

Der Kanton Uri könnte mir das Gelände abkaufen. Für einen kleinen Kanton wäre das aber eine grosse Herausforderung. Die finanzielle Belastung wäre auf Jahre hinaus sehr gross. Die Böden müssen saniert, die maroden Gebäude renoviert oder entfernt, das Gelände renaturiert, die Kantonsstrasse versetzt werden und vieles mehr.

Sie könnten auch eine Privatvilla bauen.

Diese Villa existiert bereits. Sie hat heute zudem einen Garten und Wald von 180 000 Quadratmetern. Es ist das ehemalige Direktorenhaus der Sprengstofffabrik. Das Gelände hat direkten Anstoss an einen der schönsten Seen der Schweiz. In den Häusern, die renoviert werden müssen, könnte ich auch Wohnungen für meine Kinder einrichten und das ganze Areal sanieren und selbst nutzen. Das ist eine Variante, aber nicht das, was ich eigentlich realisieren möchte.

Seit gut einem Jahr ist der Nahe Osten in Aufruhr, täglich erreichen uns neue Schreckensmeldungen. Wie sehen Sie als koptischer Christ aus Ägypten diesen Konflikt?

Ich bin sehr traurig. Wir waren kurz davor, dass sich Israel und die arabischen Länder einigten. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Marokko haben Botschaften in Israel. Viele Israeli sind in die arabischen Länder gereist und waren dort willkommen. Die Hamas war eigentlich am Ende und hat deshalb zugeschlagen.

Es war also eine Falle für Israel.

Ja, und Israel ist in die Falle getappt. Natürlich muss Israel sich verteidigen, das steht ausser Frage. Aber wie man im Nachgang erfahren hat, hat das Versagen der israelischen Dienste und der israelischen Armee das Massaker vom 7. Oktober 2023 wahrscheinlich erst möglich gemacht. Und dann muss man sich schon fragen, ob es gerechtfertigt ist, zweieinhalb Millionen Menschen das Leben unmöglich zu machen und den Tod Zehntausender Zivilisten in Kauf zu nehmen. Hätte Israel anders zurückgeschlagen, hätte es viele Sympathien bei den Arabern gehabt. Denn viele Araber sind sehr wütend auf die Hamas.

Tourismusinvestor und Lebenskünstler

ase. Der ägyptische Grossinvestor Samih Sawiris hat sich im Frühling 2005 in die Destination Andermatt am Gotthard verliebt. Seither hat er rund anderthalb Milliarden Franken in das Ferienresort investiert. In Deutschland wurde er durch sein Engagement beim insolventen Reiseveranstalter FTI bekannt.

Mit 67 Jahren hat Sawiris sein Imperium an seinen ältesten Sohn Naguib übergeben. Seither geniesst er das Leben in der Wüste und auf dem Meer. Im Kanton Uri ist er aber nach wie vor geschäftlich aktiv. Auf der Halbinsel Isleten am Urnersee will er eine Ferienanlage mit Hotel, Bungalows und einem Bootshafen realisieren. Gegen das Projekt regt sich Widerstand. Im November entscheiden die Urner Stimmbürger über das Vorhaben.

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