Sonntag, November 24

Vier Jahre nach der Ermordung von Samuel Paty müssen sich in Paris sieben Männer und eine Frau verantworten. Sie sollen an der Hetze gegen den Lehrer beteiligt gewesen sein.

Es war ein barbarischer Mord, der durch die Lüge einer 13-jährigen Schülerin ausgelöst wurde. Am 16. Oktober 2020 enthauptete ein islamistischer Terrorist den Geschichts- und Geografielehrer Samuel Paty in der Nähe von dessen Schule in der Kleinstadt Conflans-Sainte-Honorine. Der Pädagoge hatte einige Tage zuvor in einer Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt. Er hatte seinen Schülern erlaubt, den Raum zu verlassen, falls sie die Bilder nicht sehen wollten.

Die 13-Jährige, die an diesem Tag gar nicht zum Unterricht erschienen war, erzählte ihrem Vater später, Paty habe absichtlich muslimische Schüler aus der Klasse geschickt, um erniedrigende Darstellungen Mohammeds zu zeigen. Diese Version verbreitete der Vater im Internet, womit die Hasskampagne gegen Paty ihren Anfang nahm. Abdullah Anzorow, ein 18-Jähriger tschetschenischer Herkunft, las die Gerüchte und beschloss, den Lehrer hinzurichten. Nach der Tat wurde er von Polizisten erschossen.

Propaganda via Snapchat

Ende 2023 mussten sich vor einem Jugendgericht bereits sechs Minderjährige wegen ihrer Verstrickung in die Tat verantworten, sie erhielten Haftstrafen zwischen 6 und 24 Monaten. Auch die zur Tatzeit 13-Jährige wurde wegen «verleumderischer Anschuldigungen» verurteilt, sie erhielt 18 Monate auf Bewährung. Seit Montag stehen nun neben dem Vater der Schülerin sechs weitere Männer und eine Frau in Paris wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht.

Bei dem Vater handelt es sich um Brahim Chnina, einen 52-jährigen Marokkaner. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, gemeinsam mit dem ebenfalls angeklagten islamistischen Aktivisten Abdelhakim Sefrioui Videos veröffentlicht zu haben, in denen Paty zur Zielscheibe gemacht wurde und intime Informationen über seine Identität und seinen Arbeitsplatz geliefert wurden. Auch soll Chnina in direktem Kontakt zum Attentäter Anzorow gestanden haben. Sefrioui, der bis 2020 eine Hamas-nahe Organisation betrieb, hatte Paty in einem der Videos als «Verbrecher» bezeichnet, der zur Rechenschaft gezogen werden müsse.

Chnina und Sefrioui wurden nach dem Mord in Gewahrsam genommen, ihnen drohen bis zu 30 Jahre Gefängnis. Vor Gericht stehen auch Azim Epsirkhanov und Naim Boudaoud, zwei Jugendfreunde von Anzorow, die bei der Beschaffung der Tatwaffe, eines 35 cm langen Messers, geholfen haben sollen. Als einzige Frau unter den Angeklagten muss sich Priscilla Mangel, eine radikale Konvertitin, die vor dem Anschlag Nachrichten mit Anzorow austauschte, verantworten. Und schliesslich wird drei weiteren jungen Männern vorgeworfen, den Terroristen ideologisch unterstützt zu haben, indem sie eine Snapchat-Gruppe teilten, wo auch der enthauptete Kopf Patys gepostet wurde.

Versäumnisse des Staates?

Der Prozess ist bis zum 20. Dezember angesetzt. Neben den Familienangehörigen von Paty treten auch mehrere Kollegen des Lehrers und die französische Vereinigung der Opfer von Terroranschlägen als Kläger auf. Für die Anwälte geht es darum, zu klären, wie Hass und Hetze in einen Terroranschlag gipfeln konnten, aber auch darum, welche möglichen Versäumnisse die Behörden zu verantworten haben: Paty hatte sich vor der Tat nach eigener Aussage «von lokalen Islamisten bedroht» gefühlt und mehrfach um Hilfe gebeten.

Nach Patys Ermordung erliess der französische Staat ein neues Säkularismusgesetz, das die Bedrohung von Lehrern mit hohen Geld- und Haftstrafen ahndet. Auch wurden nationale Gedenkfeiern zu Ehren Patys abgehalten und Schulen auf seinen Namen getauft. Viele Lehrer fühlten sich mit ihrer Angst gleichwohl alleine gelassen. Im vergangenen Oktober, kurz nachdem sich der Mord an Paty zum dritten Mal jährte, wurde im nordfranzösischen Arras schliesslich erneut ein Lehrer von einem jungen Islamisten erstochen. Auch dieser stammt aus Tschetschenien und bekannte sich zum IS.

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