Kath.ch hatte Markus Krall vorgeworfen, er sei AfD-nah, judenfeindlich und würde eine antidemokratische Gesinnung verbreiten. Das hat nun juristische Konsequenzen.
Markus Krall ist eine schillernde Figur. Bis November 2022 war er Geschäftsführer der deutschen Goldhandelsfirma Degussa. Einem grösseren Publikum bekannt wurde Krall als Autor von Bestsellern wie «Der Draghi-Crash», einer Abrechnung mit dem Keynesianismus und der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Er ist ein Wortführer rechtslibertärer Kreise in Deutschland und Mitglied der Werteunion von Hans-Georg Maassen, auf Twitter hat Krall 150 000 Follower. Kralls Ziel: eine Allianz von CDU und AfD.
Mit diesem Mann hat sich das Nachrichtenportal der katholischen Kirche der Schweiz, Kath.ch, angelegt. Und dabei den Kürzeren gezogen, zumindest juristisch. Am Dienstag hat das Bezirksgericht Zürich eine Kath.ch-Journalistin der üblen Nachrede schuldig gesprochen und sie zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 120 Franken verurteilt.
Was ist passiert? Der Katholik Krall, der Mitglied des konservativen päpstlichen Ritterordens vom Heiligen Grab ist, wurde 2022 vom Bistum Chur für einen Auftritt an der Vollversammlung des Dekanats als Gastreferent eingeladen. Er wollte über die «Fünf Säulen zum Erhalt einer freiheitlich-christlichen Gesellschaftsordnung» sprechen. Doch so weit kam es nicht. Wegen Protesten, unter anderem von Professor Christian Cebulj, dem Rektor der Theologischen Hochschule Chur, lud das Bistum Krall wieder aus.
Verschwörungsmythen verbreitet?
Kath.ch berichtete mehrmals über den Vorgang. Im Artikel, um den es im Prozess in Zürich ging, schrieb die Journalistin, Krall werde «eine antidemokratische und antisemitische Gesinnung vorgeworfen». Um den Antisemitismusvorwurf zu stützen, zitierte sie den Religions- und Politikwissenschafter Michael Blume, der Beauftragter gegen Antisemitismus der Landesregierung von Baden-Württemberg ist.
Blume sagte in dem Artikel: «Markus Krall verbreitete Verschwörungsmythen über eine angebliche Kulturmarxismus-Weltverschwörung der deutsch-jüdischen Frankfurter Schule.» Als Frankfurter Schule wird eine Gruppe von Philosophen wie Theodor W. Adorno, Max Horkheimer oder Jürgen Habermas bezeichnet, die in Frankfurt wirkten und, anknüpfend an Hegel, Marx und Freud, die Kritische Theorie begründeten.
Zudem schrieb die Journalistin, das Unternehmen Degussa solle an der «Finanzierung der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland beteiligt» gewesen sein. Und: «Krall ist durch antidemokratische Positionierungen aufgefallen.» Dann kam nochmals Michael Blume zu Wort: Er sei dankbar, dass es auch in der Schweiz eine «zunehmende Wachsamkeit gegenüber grenzübergreifendem, häufig rechtslibertärem Antisemitismus» gebe, kommentierte der Forscher die Ausladung von Krall.
«Ein ungeheuerlicher Vorwurf»
Krall hingegen durfte seine Haltung nicht darlegen. Kurz nach Erscheinen des Kath.ch-Artikels empörte er sich dafür in der NZZ darüber, dass er als Antisemit hingestellt werde. «Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf, eine schwere Beleidigung.» Er sei schon Dutzende Male in Israel gewesen und habe sich stets für dessen Existenzrecht eingesetzt, er habe sich immer für das jüdische Leben interessiert und jüdische Institutionen finanziell unterstützt, ebenso wie den Verein gegen das Vergessen des Holocaust.
Die Antisemitismusvorwürfe seien entsprechend völlig konstruiert, betonte Krall. Seine Missbilligung der Frankfurter Schule habe nichts damit zu tun, dass führende Köpfe der Frankfurter Schule jüdische Wurzeln gehabt hätten. «Und ich behaupte keineswegs, dass es sich dabei um eine ‹Weltverschwörung› handelt. Sondern ich kritisiere das politische Programm.» Aus seiner Sicht bedeutet Sozialismus Unfreiheit – ganz anders als das christlich-freiheitliche Weltbild, das er vertrete und das auf dem Individuum, dem Eigentum und der Familie basiere.
Dass er vom Vortrag wieder ausgeladen worden sei, habe ihn nicht gestört, sagte Krall. «Ich habe als CEO eines Unternehmens genug zu tun, ich wollte mich niemandem aufdrängen.» Dass er jedoch medial durch den Kakao gezogen werde, könne er nicht auf sich sitzenlassen, erklärte er. Und kündigte rechtliche Schritte an. Das hat er dann in die Tat umgesetzt – offensichtlich konnte ihn auch ein Nachtrag nicht besänftigen, in dem Kath.ch vier Tagen nach Publikation des Artikels darauf hinwies, dass Krall alle Vorwürfe zurückweise.
Nur eine Quelle
Der Richter sagte am Dienstag laut der Nachrichtenagentur SDA in seiner Urteilsbegründung, die Journalistin habe als Beweis für den angeblichen Antisemitismus Kralls nur eine Quelle genannt. Der Artikel erwecke aber den Eindruck, dass die Vorwürfe von vielen Personen stammten. «Es gibt nicht genug Belege, um ihm eine allgemein antisemitische Gesinnung anzudichten.»
Der Richter fand, ein öffentliches Interesse an den Gründen für die Ausladung von Krall bestehe durchaus. Das hätte aber auch beschrieben werden können, ohne den Manager als «Staatsfeind» und Antisemiten zu bezeichnen. Eine generelle antidemokratische Gesinnung von Krall sah der Richter nicht als erwiesen an. Insgesamt seien die Vorwürfe geeignet, ihn in seiner Ehre zu verletzen.
Die Journalistin räumte vor Gericht ein, es sei ein Fehler und ein Versäumnis gewesen, Krall nicht zu den Vorwürfen zu befragen. Der Artikel sei unter einem gewissen Zeitdruck entstanden. Ihre Anwältin betonte allerdings, der Antisemitismusbeauftragte Blume sei als Quelle zuverlässig und gewisse Äusserungen, die als antidemokratisch gelten könnten, seien in Online-Videos abrufbar. Zudem seien auch die Artikel anderer Medien mit den gleichen Vorwürfen an die Adresse von Krall nicht gelöscht worden.
Die Journalistin kann das Urteil ans Obergericht weiterziehen.