Donnerstag, Januar 2

Der Rechtsverkehr zwischen Anwälten und Gerichten soll künftig nur noch auf dem digitalen Weg erfolgen. Einige Anwälte kritisieren dies und bringen abenteuerliche Einwände vor.

Die Digitalisierung schreitet rasch voran. Inwieweit kann und darf man sich ihr noch entziehen? Diese Frage hat nun das Bundesgericht beschäftigt. Konkret ging es darum, ob der Kanton Zürich Rechtsanwälte dazu zwingen darf, ab dem 1. Januar 2026 «Verfahrenshandlungen mit Verwaltungsbehörden und Gerichten ausschliesslich auf elektronischem Weg vorzunehmen». Das bedeutet, dass ein Anwalt künftig eine Eingabe bei einem Gericht nur noch digital machen darf und für Unterschriften ein elektronisches Zertifikat notwendig wird.

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Einem Zürcher Anwaltsbüro und einem Aargauer Rechtsanwalt geht dieser «Digitalisierungszwang» gegen den Strich. Sie haben Beschwerde beim Bundesgericht gegen die «Digital only»-Pflicht im Kanton Zürich eingereicht.

Der Zürcher Kantonsrat hatte die entsprechende Gesetzesrevision 2023 verabschiedet. Der Regierungsrat hatte die Neuerung damit begründet, dass elektronisch geführte Verfahren die Zusammenarbeit vereinfachen und die Effizienz steigern würden. Dies komme sowohl der Bevölkerung als auch den Behörden zugute. Zudem könnten damit Material und Versandkosten gespart werden, was letztlich auch die Anwälte entlasten werde.

Im Parlament wurde das Vorhaben von links bis rechts unterstützt. Die SP-Kantonsrätin Isabel Bartal begründete die Zustimmung ihrer Partei so: «Durch den rechtsverbindlichen elektronischen Geschäftsverkehr werden wir in der Lage sein, schnellere und effizientere Entscheidungen zu treffen, Ressourcen zu sparen und den Bürgerinnen und Bürgern einen besseren Service zu bieten.» Michael Biber von der FDP rief das Parlament dazu auf, «den Züri-Leu nun definitiv aus seinem Winterschlaf zu erwecken». Am Ende wurde die Gesetzesänderung mit 167 zu 0 Stimmen angenommen.

«Nicht durch öffentliches Interesse gerechtfertigt»

Der Kantonsrat konnte aber offensichtlich nicht bei allen die Euphorie für den elektronischen Rechtsverkehr entfachen. Die besagten Anwälte beschwerten sich namentlich darüber, dass die Gesetzesänderung ihre Wirtschaftsfreiheit verletze. Die Neuerung sei zudem «weder durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt noch verhältnismässig».

Konkret habe das neue Gesetz «unmittelbare Konsequenzen für ihre betriebliche Organisation», denn die Anwälte müssten «persönlich umdisponieren» oder aber «ihr Sekretariatspersonal anders instruieren als bisher». Zudem koste die Registrierung für die qualifizierte elektronische Signatur und habe zumindest punktuelle Änderungen bei der Aktenführung zur Folge. Der Zwang zur Digitalisierung diene nicht der Öffentlichkeit, sondern nur dem staatlichen Eigennutz.

Das Bundesgericht gibt den Anwälten in seinem am Montag veröffentlichten Urteil zwar insofern recht, als es die Gesetzesänderung als einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit taxiert. Es handle sich aber keinesfalls um einen schwerwiegenden Eingriff. Denn das Signieren und Versenden von Eingaben betreffe nicht die Kernaufgaben der Rechtsvertreter – wie beispielsweise die Beratung von Klienten oder das Verfassen von Rechtsschriften –, sondern lediglich einen administrativen Nebenaspekt ihrer Tätigkeit.

Ein solcher Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit sei gerechtfertigt, wenn dafür ein gewichtiges öffentliches Interesse bestehe. Und dieses sei im vorliegenden Fall gegeben. Die Digitalisierung könne tatsächlich dazu beitragen, Verfahren zu beschleunigen, die staatliche Effizienz zu steigern und Kosten zu senken.

Günstiger als eingeschriebene Briefe

Zudem hätten verschiedene Studien und Befragungen gezeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Digitalisierung der Verwaltung befürworte. Und nicht zuletzt habe sich selbst der Schweizerische Anwaltsverband in der Vernehmlassung positiv über das Zürcher Obligatorium geäussert. Eine Regelung, die auf Freiwilligkeit beruhe, funktioniere nicht, argumentierte der Verband. «Ist nämlich die Nutzung der Plattform nur fakultativ, werden die Verfahren besonders komplex sein, insbesondere wenn eine Partei den analogen und die andere den digitalen Weg wählt.»

Zu den entstehenden Kosten rechnete das Bundesgericht schliesslich noch vor, dass der digitale Weg auch für die Anwälte der günstigere sei: Eine qualifizierte elektronische Unterschrift koste derzeit bei Einzelabrechnung höchstens 2 Franken 50, im Abonnement je nach Anbieter teilweise deutlich weniger. Die Kosten für physische Behördeneingaben liegen dagegen bei 5 Franken 80 pro Einschreiben.

Am Schluss kommt das Gericht zu einem klaren Urteil: «Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.»

Die betroffenen Anwältinnen und Anwälte haben nun noch ein Jahr Zeit, sich auf die neue digitale Welt einzustellen.

Urteil 2C_113/2024 vom 3. Dezember 2024.

Exit mobile version