Finanzielle Notwendigkeit ist nicht der Hauptgrund für eine Erwerbstätigkeit im Rentenalter, vielmehr ist dies die Freude an der Arbeit. Für Arbeitgeber ist das eine gute Nachricht – und eine Herausforderung.

Noch nie war die Lebenserwartung in der Schweiz so hoch wie 2023. Und sie wird voraussichtlich weiter steigen: Gemäss den neusten Projektionen des Bundesamts für Statistik (BfS) könnte sich die durchschnittliche Lebensdauer der 65-Jährigen bis 2050 um weitere drei Jahre verlängern.

Die Schweizer Stimmbevölkerung hat im März eine Erhöhung des Rentenalters und dessen Koppelung an die Lebenserwartung deutlich abgelehnt. Damit wird die Finanzierung der Altersvorsorge noch anspruchsvoller. Swiss Life hat vor diesem Hintergrund untersucht, wie es um das Arbeiten im Rentenalter in der Schweiz steht, was sich die Menschen mit Blick auf die Arbeit wünschen, vorstellen können – und was sie nicht wollen.

Finanzielle Notwendigkeit ist nicht der Hauptgrund

Interessanterweise ist die finanzielle Notwendigkeit gemäss der Studie nicht der Hauptgrund für eine Erwerbstätigkeit im Rentenalter. Zwar glaubt eine Mehrheit von 71 Prozent von Befragten im Alter von 50 bis 70 Jahren, dass man im Rentenalter weiterarbeite, weil es finanziell notwendig sei. Für sich selbst gibt das aber nur ein Drittel der Befragten, die im Rentenalter noch erwerbstätig sind, als Grund an. 70 Prozent von ihnen sind gemäss eigenen Aussagen deshalb erwerbstätig, weil ihnen die Arbeit Freude macht.

Das heisst, dass arbeiten im Rentenalter häufiger ein Wollen ist denn ein Müssen. Das ist eine wichtige Erkenntnis für die Arbeitgeber, denn jemand, der arbeitet, weil er will, ist motiviert. Er oder sie entscheidet sich aber sicher nur dazu, weiterzuarbeiten, wenn das Arbeitsklima positiv ist.

In der Befragung zeigte sich auch, dass sich 45 Prozent der 50- bis 63- beziehungsweise 64-jährigen Erwerbstätigen grundsätzlich vorstellen können, über das Pensionsalter hinaus zu arbeiten – Tendenz steigend. Im Vergleich mit einer früheren Befragung hat die Bereitschaft zur Erwerbstätigkeit im Rentenalter um 5 Prozentpunkte zugenommen.

Dahinter könnten die anhaltenden Diskussionen um die längere Lebensdauer und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Altersvorsorge stehen. Ein anderer Grund könnte sein, dass sich mit dem Fachkräftemangel und der tiefen Arbeitslosigkeit die sogenannte Altersguillotine nach oben verschoben hat und Arbeitnehmer eher das Gefühl haben, auch im fortgeschrittenen Alter noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

Zudem experimentieren mehr Firmen mit Spätpensionierungen, Pensionierten-Pools, bei denen ehemalige Mitarbeitende bei Bedarf für Einsätze angefragt werden, und sogenannten Bogenkarrieren, bei denen man in den Jahren vor dem Rentenbeginn Verantwortung und Pensum reduziert. Dank solch neuen Arbeitsmodellen sind die Menschen eher bereit, länger zu arbeiten.

Allerdings ist auch etwas mehr als die Hälfte der Befragten wenig motiviert, nach dem Erreichen des Pensionsalters noch weiter zu arbeiten. Viele wollen nach langen Arbeitsjahren den Ruhestand geniessen. Sie haben wenig finanzielle Anreize oder Druck, noch Geld verdienen zu müssen, oder fühlen sich gesundheitlich eingeschränkt.

Die Erwartungen der Arbeitnehmenden bezüglich des Arbeitens im Rentenalter scheinen gemäss der Befragung von Swiss Life durchaus realistisch zu sein. Grosse Experimente wollen die meisten in fortgeschrittenem Alter nicht mehr machen. Am ehesten würden die Befragten beim bisherigen Arbeitgeber im gleichen Job weiterarbeiten, mehrheitlich aber nicht mehr im gleichen Pensum.

Spätpensionierungen sind bei KMU häufiger

Interessanterweise zeigen sich Unterschiede zwischen den Berufsgruppen und je nach Unternehmensgrösse. In kleineren Betrieben ist die Bereitschaft für eine Spätpensionierung grösser, bei den Grossunternehmen hingegen kleiner. Möglicherweise ist die Verbundenheit mit dem Unternehmen und den Kollegen in kleineren Betrieben grösser oder auch das Gefühl, weiter gebraucht zu werden.

Jedenfalls geben fast 60 Prozent der Erwerbstätigen in einem Betrieb mit maximal neun Mitarbeitenden an, sich eine Spätpensionierung vorstellen zu können. In Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden ist es nur ein Drittel. Dafür ist dort umgekehrt der Anteil der Frühpensionierungen grösser.

Als Antwort auf die Frage nach den Voraussetzungen für eine Weiterarbeit im Rentenalter nennen zwei Drittel der älteren Erwerbstätigen eine «gute Gesundheit» und etwa die Hälfte entweder ein gutes Arbeitsklima oder Wertschätzung seitens des Arbeitgebers.

Firmen verhalten sich eher passiv

Insgesamt zeigt die Studie, dass die Bereitschaft für eine Erwerbstätigkeit im Rentenalter bei den Arbeitnehmern durchaus vorhanden ist. Um das Potenzial auszuschöpfen, müssten die Arbeitgeber die Älteren aber «abholen». Das ist eine Herausforderung. Da oft keine finanzielle Notwendigkeit besteht, dürften die Älteren geneigt sein, bei Unannehmlichkeiten schneller abzuspringen.

Viele Unternehmen scheinen sich trotz Fachkräftemangel eher passiv zu verhalten. Die Frage, ob sie ein Interesse des Arbeitgebers daran spüren würden, dass sie über das Referenzalter hinaus erwerbstätig bleiben, beantworteten nur 20 Prozent der Befragten mit «Ja». Über 40 Prozent stellen kein Interesse fest. Angesicht der zunehmenden Alterung der Gesellschaft müsste sich in den kommenden Jahren noch einiges ändern.

Exit mobile version