Dienstag, März 18

Der 22-Jährige ist im Nu zu einem der bestbezahlten Fussballer in der belgischen Liga geworden. Jashari sagt, in zehn Monaten in Belgien habe er mehr Wertschätzung erfahren als zuvor in drei Jahren in der Schweiz.

Plötzlich hallt der Name Jashari durchs Jan-Breydel-Stadion von Brügge. Der Schweizer geniesst und nutzt Freiheiten auf dem Platz, agiert in einer Selbstverständlichkeit, als wäre er seit Jahren der Schlüsselspieler hier. Ein Assist und ein Tor auf dem Weg zum 4:2-Erfolg des Tabellenzweiten, FC Brügge, gegen Charleroi. Der Fussballer Ardon Jashari spielt wie ein Captain, obwohl er nicht Captain ist. Am Ende bittet ihn die Fankurve, den Dompteur zu geben.

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Noch kein Jahr ist der in der Zentralschweiz Geborene in Westflandern zu Hause, und alles wirkt hier wie aus einem Guss.

Jashari stiess als Stammspieler mit Brügge bis in die Achtelfinals der Champions League vor; dort war Aston Villa (1:3, 0:3) Endstation. Vielleicht ist es sogar besser, dass der internationale Wettbewerb für das belgische Fussballteam beendet ist. So kann sich der Klub auf die nationale Meisterschaft fokussieren und abermals die Königsklasse anvisieren – wie so oft in den vergangenen Jahren. Die Nummer eins in Belgien ist derzeit allerdings der von Thorsten Fink trainierte Klub aus Genk.

Allein die fast dauerhafte Champions-League-Präsenz zeigt, dass Brügge grösser und weiter ist als jeder Schweizer Fussballklub. Die Königsklasse spült dieses Jahr rund 60 Millionen Euro in die Klubkassen. Der FC Brügge war als Tabellenvierter vor einem Jahr weit von der Champions League entfernt, als Jashari seinen Kontrakt unterschrieb. Das beeindruckte in Brügge.

Der belgische Fussball macht demjenigen in der Schweiz etwas vor. Ausdruck davon sind die Medienrechte. Ab dem Sommer sinkt zwar im Zuge der europaweiten Temperierung des Fernsehmarkts der jährliche Erlös der belgischen Liga von über 100 auf 85 Millionen. Das ist aber immer noch ungefähr das Dreifache des TV-Gelds in der Schweiz.

Während sich hierzulande die Pläne der Young Boys für ein neues Trainingszentrum erst allmählich konkretisieren, hat Ardon Jashari in Belgien ein bereits gemachtes Nest gefunden.

Der FC Brügge sticht jeden Schweizer Klub aus

Er sitzt im vor fünf Jahren errichteten Trainingszentrum – in Knokke-Heist, eine halbe Autostunde von Brügge entfernt. Die Infrastruktur zeigt, wie weit der FC Brügge gekommen ist: mehrere Trainingsfelder, ein Fitness- und ein Theorieraum, der an ein Kino erinnert. Büros. Ein Restaurant und oben im dritten Stock die Zimmer für die Spieler. So etwas gibt’s in der Schweiz nirgends.

CLUB BRUGGE | 🎙️ ARDON JASHARI | FIRST INTERVIEW | 2024-2025

Die meisten Spieler wohnen in Knokke an der Nordsee. Der Ort gilt als das Saint-Tropez Belgiens. Appartements in langgezogenen und gesichtslosen Wohnblöcken, so weit das Auge reicht. Aussicht, Strand, Meer, Flanier- und Shoppingmeile, höheres Preissegment, mondän. Auch steuerlich interessant. Nur am provinziellen Endbahnhof Knokke scheint die Zeit im letzten Vierteljahrhundert stillgestanden zu sein.

Knokke ist auch das neue Zuhause Jasharis. Wegbegleiter bescheinigen ihm, einen «klugen Transfer» getätigt zu haben, obschon er anderswo mehr verdienen könnte. Auch Benfica Lissabon und der Süden standen zur Disposition. Benfica und Brügge sind eindrückliche Sprungbrett-Klubs mit positiven Transfer-Saldi. Und dies über Jahre. In den vergangenen Jahren verliessen mehrere Spieler den FC Brügge für einen zweistelligen Millionenbetrag – in Richtung Niederlande oder in eine von Europas Top-5-Ligen.

Jashari wählte Brügge, «weil mich der Klub unbedingt wollte». Zuerst Video-Calls, stetes Bemühen, Telefonate – der Sportdirektor Dévy Rigaux reiste dreimal nach Luzern, stand im Büro des Luzern-Sportchefs Remo Meyer. Man müsse Jashari «zu fesseln versuchen, in den Bann ziehen, ihm Wertschätzung entgegenbringen», sagt ein Berater, das sei wichtiger als der Name des Klubs. Jashari kam im Sommer 2024 für 6 Millionen Euro aus Luzern nach Brügge.

Man kann das Ansehen eines neuen Spielers nicht hoch genug halten, wenn man seinen Vertrag bereits nach dem ersten Halbjahr verlängert.

Jashari gehört zu den bestbezahlten Fussballern in Belgien

So geschehen im Januar. Der jährliche Nettoverdienst dürfte innert Kürze von knapp 300 000 Schweizerfranken in Luzern in Belgien zunächst auf über eine halbe Million gestiegen sein, mit dem neuen Vertrag bis 2029 ist die Netto-Million nicht mehr weit entfernt. Mit diesen Lohnanpassungen im Eilverfahren gehört Jashari zum bestbezahlten Personal Brügges. Der Weg scheint vorgezeichnet: irgendwann weg, weiter. Die Klubkarriere hat dergestalt Fahrt aufgenommen, dass für den Spieler nichts mehr ausgeschlossen scheint, falls er gesund bleibt. «Er wird eine grosse Zukunft haben», prophezeit Dévy Rigaux.

Der Sportdirektor sagt, dass Jashari viel in sich vereine. «Inneres Feuer, eine gesunde Aggressivität, Schnelligkeit.» Der Spieler zeichne sich als «gagneur» aus, und er habe dazu Spielintelligenz – «die Kombination ist selten».

Jashari hebt das «deutlich höhere» Niveau, die Intensität und Physis des belgischen Fussballs hervor. Alsbald sagt er einen Satz, der tief blicken lässt: «Ich habe in Belgien in zehn Monaten mehr Wertschätzung erfahren als vorher in drei Jahren in der Schweiz.» Er ist in eine Leaderrolle hineingewachsen, heimst Auszeichnungen ein. Seine ausformulierte Zielsetzung zeugt von jungem Selbstbewusstsein: «so hoch hinauf wie möglich».

Trainer und Funktionäre, die den Weg Jasharis gekreuzt haben, sprechen unisono vom «Leadertyp», von dessen «Selbstvertrauen, Dominanz, Stabilität und Widerstandsfähigkeit». Und davon, dass er keine Angst habe. Auch vor einer gegnerischen Fankurve nicht, wie sich unlängst im Stadtderby gegen Cercle Brügge gezeigt hat.

Unvergessen, wie er als 20-Jähriger in einem Interview in der «Neuen Luzerner Zeitung» an der Medienstelle des Klubs vorbei seinen beabsichtigten Wechsel zum FC Basel zu forcieren versuchte. So etwas Selbstbestimmtes hat ein so junger Fussballer in der Schweiz selten geboten. Das Gespräch führte zum vorübergehenden Entzug der Captainbinde.

In der Zentralschweiz wurde erst auf Jashari gesetzt, als der Trainer Mario Frick Anfang 2022 Fabio Celestini ersetzte. Frick, der Jugend-Förderer.

Das Talent wurde Teil des Führungskonflikts in Luzern

In Luzern sind die Wogen zuweilen hochgegangen, zu sehr war der Klub abhängig vom Transfererlös des Talents aus dem eigenen Haus. Jashari versprach ökonomisch einiges. Und jetzt noch mehr, man bedenke nur die Provision beim absehbaren nächsten Transfer. Kein Wunder, drehte die Personalie selbst in den heftigen Streit im Luzerner Aktionariat hinein, tauchte sie im Dunstkreis des Patrons Bernhard Alpstaeg auf, der Jashari seinerzeit die Lehre ermöglicht hatte.

Ardon Jashari ist mazedonischer Herkunft, er findet sich in einem Energiefeld wieder, das an Granit Xhaka mit seinem kosovo-albanischen Hintergrund erinnert. Xhaka ist wie ein grosser Bruder für ihn. Nach dem Spiel gegen Serbien an der WM 2022 führte das von Xhaka übergezogene Trikot Jasharis zu gezielten Balkan-Polemiken, weil der Name Jashari auch für einen früheren kosovarischen Freiheitskämpfer steht.

Ebenfalls unvergessen ist, wie vehement der damals noch nicht 19-jährige Xhaka 2011 unmittelbar nach seinem Länderspieldebüt im Bauch des Wembley-Stadions Ambitionen in der Auswahl anmeldete.

Im Kontrast zur schönen Liebesgeschichte zwischen Jashari und Brügge steht seine Liaison mit dem Nationalteam. Die Bilanz: zweimal je eine Minute, also gleich null. Und dies, obschon er mit Xhaka einen Fürsprecher in seinem Rücken weiss. Jashari ist (noch) kein Fall für den Nationaltrainer Murat Yakin. Letztmals haben sie sich Ende Januar am Rand des Champions-League-Spiels von Brügge in Manchester (1:3) gesprochen.

Im Sommer 2025 wird Jashari 23 Jahre alt. Auf die Frage, ob er wisse, wie viele Länderspiele Xhaka zum gleichen Zeitpunkt summiert habe, antwortet Jashari ziemlich präzis: «um die 30». Es waren bereits deren 35. Jashari «will Minuten», wie er sagt. Er könnte sich vorstellen, neben Xhaka zu spielen. Yakin ist offensichtlich anderer Meinung. Der Nationaltrainer kann ihm nichts versprechen. Jashari sagt: «Wenn ich mir etwas verdient habe, und ich erhalte es nicht, kann mich das treffen. Aber im Nachhinein muss ich fast froh sein, nicht zum FC Basel gewechselt zu haben.»

Das Nationalteam ist für Jashari (noch) keine Liebe

Bis im vergangenen Sommer war Jashari in der Super League unterwegs, deren Protagonisten es schwer haben in der Auswahl. Zudem ist der gesetzte Xhaka ein ähnlicher Spielertyp. Hinzu kommt, dass Jashari nicht immer Feuer und Flamme für die U-21-Auswahl war, was wiederum mit dem Selbstvertrauen des Spielers zu begründen ist.

Die Ankunft Jasharis in der Nationalmannschaft lässt jedenfalls weiter auf sich warten. Wegen einer Entzündung im Schambereich, die er ausklingen lassen will, hat Jashari für die Spiele in Nordirland und gegen Luxemburg abgesagt. Im Klub scheint dagegen der nächste Sprung vorgezeichnet. Was für Kontraste.

Der belgische Stürmer Charles De Ketelaere wechselte 2022 mit 21 Jahren von Brügge zur AC Milan. Der Sprung nach Mailand war zu früh und zu gross. 2023 ging’s für ihn für 25 Millionen weiter zu Atalanta Bergamo. Auch das kann eine Adresse sein. Jashari sagt, dass zu viele Spieler zu früh irgendwohin wechselten. Das will er verhindern. Ein Spielbesuch in Brügge zeigt, dass die von ihm gewählte Auslanddestination passt. Und dies ohne Verzug, unheimlich fast.

Wäre doch da nur nicht der anhaltende Liebesentzug im Nationalteam.

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